Ideenmanagement Ich sehe was, was du nicht siehst

Mitarbeiter mit klugen Ideen zur Verbesserung von Produkten und Prozessen profitieren doppelt: Sie tun was für ihre Karriere und verdienen Prämien. Dennoch scheitert Ideenmanagement oft an unwilligen Führungskräften.

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Den Namen Michael Redsch kennt bei der Deutschen Post wohl jeder. Und sein Foto aus dem Intranet auch. Redsch ist Mitarbeiter im Hausservice der Niederlassung „Brief“ in Berlin Hennigsdorf und ein kleiner Star im Gesamtkonzern. Als Denker und Tüftler wurde er mehrfach öffentlich gelobt. Keiner hat bei der Post mehr Vorschläge eingereicht, wie der Konzern Kosten einsparen kann. Im Durchschnitt kommt er auf rund 225 Ideen pro Jahr — und das schon seit gut zehn Jahren. „Ich habe Spaß an der Sache“, begründet er seine Leidenschaft. Eine seiner besten Erfindungen: Feuerlöscher, die Wasser statt Löschschaum spritzen. Die Post nutzt sie für Brandschutzübungen. Der Lerneffekt für die Mitarbeiter ist derselbe wie vorher: Sie proben den Ernstfall und verlieren ihre Angst vorm Feuer. Aber die Kosten sinken: Die teure Wiederbefüllung der Geräte mit Lösch-Chemikalien entfällt und die Post spart 50.000 Euro — pro Jahr. Auch Redsch profitierte: Auf der Habenseite seines Kontos verbuchte er eine Prämie von rund 5000 Euro. So viel war der Post die Idee wert. Das Wissen der Mitarbeiter gilt als Schlüssel zum Erfolg, wenn es um neue Lösungen, bessere Produkte und schnellere Prozesse geht. Fabrikarbeiter, die täglich Maschinen bedienen, sowie Angestellte in der Verwaltung, überblicken am besten, welche Schwachstellen ihre Geräte oder Arbeitsprozesse haben und wie sich diese womöglich beheben lassen. Was aber in den meisten Unternehmen fehlt: Die Möglichkeit, kluge Ideen einzureichen, ein Anreizsystem und die Wertschätzung seitens der Führungskräfte. Wie es richtig geht, zeigt eine Studie des Bonner Marktforschers EuPD Research, die der WirtschaftsWoche exklusiv vorliegt. Die Beratung untersuchte die Qualität des Ideenmanagements bei den 505 umsatzstärksten Arbeitgebern in Deutschland. Ergebnis: Bei den Produktionsunternehmen haben vor allem der Industriekonzern ABB, der Autohersteller Audi und der Technologiekonzern Siemens verstanden, dass Verbesserungsvorschläge den Profit erhöhen. Bei Dienstleistern überzeugt mit großem Abstand die Deutsche Post vor der Druckerei des Medienhauses Axel Springer. Trotz solcher Paradebeispiele ist das Ideenmanagement in Deutschland völlig unterentwickelt. 20 Prozent der größten deutschen Unternehmen geben offen zu, sich darum nicht zu kümmern. Die Unternehmen verschenken so allerdings „massiv Geld“, sagt Studienleiter Timo Henssler. Dabei ist die Ideenmanagement-Abteilung oft die profitabelste im ganzen Konzern. Der Return on Investment (ROI) liegt im Durchschnitt bei 1:9,6. Mit anderen Worten: Für jeden eingesetzten Euro sparen die Unternehmen fast das Zehnfache.

Gute Beispiele gibt es zuhauf — mal technisch anspruchsvoll, mal einfach: Bei RWE Systems brachte ein Mitarbeiter aus seinem Urlaubshotel die Idee mit, Bodenbeläge per Klettband zu verlegen, was den späteren Abbau enorm erleichtert. Bei TUI entwickelte ein Angestellter einen tragbaren Reisekiosk, der Reisebuchungen etwa in Einkaufszentren ermöglicht und den Umsatz ankurbelt. ThyssenKrupp spart durch Blitzüberweisungen künftig 40.000 Euro pro Jahr an Zinszahlungen. Bei den Hüttenwerken Krupp Mannesmann brachte eine neue Lkw-Fahrroute 200.000 Euro Einsparungen. Die KfW Bankengruppe ließ die Bushaltestelle vor der Haustür in den Firmennamen umbenennen — Ergebnis: Billige Viralwerbung auf sämtlichen Fahrplänen. Von allein kommt jedoch nichts. Die Unternehmen müssen Mitarbeiter aktiv auffordern, Verbesserungsvorschläge einzureichen. Die Post macht das seit Jahren konsequent — 1999 zum ersten Mal. Damals gingen 17.800 Ideen ein. Im vergangenen Jahr erreichte der Konzern einen branchenweit unübertroffenen Wert: mehr als eine Idee pro Mitarbeiter. In der Summe sind das 210.000. „Quantität ist uns zunächst wichtiger als Qualität“, sagt Personalvorstand Walter Scheurle. Denn es gebe keine grundsätzlich schlechten Ideen. Im vergangenen Geschäftsjahr sparte der Logistiker so immerhin mehr als 271 Millionen Euro ein. Vor allem die Aussicht auf Prämien spornt die Mitarbeiter zu Denkleistungen an. Bei der Post lautet die Formel: Von den Einsparungen im ersten Jahr (abzüglich der auf das erste Jahr anfallenden Investitionskosten) erhält der Ideengeber zehn Prozent. Spart die Post also 100.000 Euro in den ersten zwölf Monaten, gibt es für den Einreicher 10.000 Euro. Bei kleineren Einsparungen bis 500 Euro erhält der Einreicher 50 Prozent des Jahresnutzen. Maximal überweist der Konzern 100.000 Euro als Prämie. Achtmal wurde die Summe allein in diesem Jahr ausgeschüttet. Der Energiekonzern E.On überwies sogar schon eine Prämie in Höhe von 135.000 Euro: Ein Elektriker optimierte im Kernkraftwerk Isar die Füllstandsmessung im Reaktordruckbehälter. E.On sparte dadurch 670.000 Euro.

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