Anhaltende Umsatzeinbrüche Internet zerzaust die Gelben Seiten

Die Verlage der Branchenverzeichnisse in Europa verlegen ihre Angebote ins Internet. Doch das Onlinegeschäft bringt weniger Umsatz als die alten Bücher. Ein Ende der Talfahrt ist bei vielen Anbietern nicht in Sicht.

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Vor dem Griff zum Telefon steht bei vielen Verbrauchern nur noch der Blick ins Internet Quelle: ap Quelle: handelsblatt.com

PARIS/LONDON. Sie haben fast schon Mitleid mit diesem Mann, dabei haben sie durch ihn viel Geld verloren. Die Rede ist von John Condron, Chef des britischen Gelbe-Seiten-Anbieters Yell. "Man kann ihn wirklich nur bedauern", schreibt ein Yell-Aktionär in einem Internetforum, "denn die Welt hat sich gegen in verschworen".

Ein anderer Anteilseigner macht erst seinem Ärger Luft, bevor auch er mildere Töne anstimmt: "Eigentlich sollte ich Zeter und Mordio schreiben, denn ich habe Tausende von Pfund mit meinem Yell-Aktien verloren, aber er tut einem auch leid, denn er kann im Moment nichts richtig machen."

Von Quartal zu Quartal verkündet Condron seit Ausbruch der Krise schlechte Nachrichten. Ein Ende ist noch nicht abzusehen. Die Umsätze sinken, der Gewinn schrumpft, der Aktienkurs erreicht immer neue Tiefststände. Das Unternehmen muss seine Ergebnisprognosen nach unten korrigieren und die Dividende streichen. Das einzige, was zunimmt, sind die Schulden.

Auch in anderen Ländern setzt die Krise den Gelbe-Seiten-Anbietern zu, denn die Werbeeinnahmen sind deutlich zurückgegangen. Doch es ist nicht die Konjunktur allein, die Yell, den italienischen Wettbewerber Seat Pagine Gialle und Pages Jaunes in Frankreich in Bedrängnis gebracht hat.

Hinzu kommen weitere Faktoren: Den Unternehmen bricht die Geschäftsgrundlage nach und nach weg. Denn auf der Suche nach der Telefonnummer und Adresse eines Steuerberaters, Klempners oder Friseurs schauen immer mehr Menschen ins Internet statt in die Printausgabe der Gelben Seiten. So sinkt die Zahl der Anzeigenkunden in diesem Bereich. Das Online-Geschäft dagegen wächst, aber nicht schnell genug, um die Rückgänge in der Print-Sparte auszugleichen. Daher geht Pages Jaunes für das abgelaufene Jahr trotz Preiserhöhungen von einem Umsatzminus von bis zu fünf Prozent aus. Der Betriebsgewinn soll zwischen 500 und 540 Mio. Euro liegen - nach 551 Mio. Euro im Vorjahr.

Bei Yell hatten Rezession und die strukturellen Probleme ähnliche Folgen. Im ersten Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres gingen die Gesamtumsätze um vier Prozent auf 983 Mio. Pfund zurück, in einzelnen Sparten wie dem britischen Geschäft mit den gedruckten Gelben Seiten lag das Umsatzminus bei fast 20 Prozent.

Im Internet macht Yell nur etwa ein Drittel seiner Umsätze - zu wenig nach Ansicht von Experten. "Es ist zu spät für Yell, um sich daran anzupassen, dass immer größere Teile des Geschäfts dorthin abwandern", heißt es in einer Studie von Credit Suisse. Was die Misere bei Yell verstärkt, sind die hohen Schulden durch Übernahmen: Der Konzern sitzt auf Verbindlichkeiten von 3,7 Mrd. Pfund - etwa das Fünffache des operativen Ergebnisses (Ebitda).

Yell hat sich durch den Kauf der einstigen Gelbe-Seiten-Sparte von Telefónica in Spanien verschuldet und kämpft dort mit enormen Umsatzeinbrüchen. "Es ist das, was dem Unternehmen noch verbleibt: Yell muss den strukturbedingten Niedergang seines Geschäfts managen", sagt ein Londoner Analyst.

Yell-Chef Condron, der das Unternehmen seit 1994 führt, übt sich in Zuversicht und feiert bereits ganz kleine Errungenschaften: Die Umsatzrückgänge hätten sich stabilisiert, verkündete er im vergangenen Oktober. Immerhin einen Erfolg konnte er Ende vergangenen Jahres feiern: Yell einigte sich nach zähen Verhandlungen mit seinen Gläubigern auf eine Kapitalerhöhung, um Schulden abzubauen.

Kleine Verlage holen in Deutschland auf

DÜSSELDORF. Weltweit liegt der Umsatz mit Branchenverzeichnissen nach Schätzungen des amerikanischen Marktforschungsinstituts BIA Kelsey bei 30,9 Mrd. Euro. Die Beobachter erwarten, dass der Umsatz bis 2013 um 1,2 Prozent sinkt. Ohne den Online-Bereich sollen die Umsätze sogar um 5,3 Prozent zurückgehen. Die Bedeutung der gedruckten Verzeichnisse schwindet also rapide. In einigen Märkten kommt bereits die Hälfte des Umsatzes aus dem Internet, in Europa ist es ein Drittel.

So auch in Deutschland: Hier erzielen die Verlage mit den Verzeichnissen nach Branchenschätzungen mit gedruckten Verzeichnissen noch Werbeerlöse von einer Mrd. Euro. 300 Mio. Euro sollen aus dem Internet kommen.

Den Markt hat bislang die Telekom-Tochter DeTeMedien beherrscht. Ihr Markenrecht für "Gelbe Seiten" wird jedoch gelöscht. Das wollen Konkurrenten wie Telegate nutzen, um Marktanteile zu gewinnen. Im Internet liefern sich Gelbe-Seiten.de und Telegate bereits ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Telegate-Chef Andreas Albath beschäftigt so besonders der Wandel ins Internet. "Die gedruckten Gelben Seiten sind ein Produkt des vergangenen Jahrhunderts", sagt er. Er erwartet für 2010 ein zweistelliges Wachstum im digitalen Webgeschäft. Es soll wegen der besseren Konjunktur über dem Wert von 2009 liegen. 2008 erzielte Klicktel nach eigenen Angaben 25 Mio. Euro Werbeeinnahmen im Netz.

Konkurrent Müller Medien sieht besondere Erfolgschancen auf dem Mobiltelefon. Ein Zusatzprogramm für das Apple-Handy iPhone verzeichnet bereits eine halbe Mio. Zugriffe. "Wir gehen von einer weiteren Verlagerung in digitale Medien aus. Wir fühlen uns auf den Wechsel gut vorbereitet", sagt Firmenchef Gunther Oschmann.

Während die Telekom für ihre Tochter DeTeMedien keine Details veröffentlicht, nennt Telegate einen Umsatz von 179 Mio. Euro und einen Gewinn nach Steuern von 24 Mio. Euro für 2008. Autor: Hans-Peter Siebenhaar

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