App Store Die Opfer der Apple-Zensur

Apple hat kurzen Prozess gemacht: die beliebte Instant-Messenger-App WhatsApp ist aus dem App Store gelöscht. Doch das ist kein Einzelfall. Immer wieder schlägt die Apple-Axt zu - oft aus wenig nachvollziehbaren Gründen.

Jüngstes Opfer von Apple im App Store von iTunes: Die sehr beliebte Instant-Messenger-Anwendung WhatsApp. Damit lässt sich über alle Geräte-Grenzen hinweg kostenlos kommunizieren - egal ob auf Blackberry, iPhone, Android oder Symbian. Damit ersetzt die App vor allem bei vielen Jugendlichen teure SMS. Wer die App bereits installiert hat, kann sie weiter nutzen - doch weder erlaubt Apple das aktuelle Update noch können Nutzer die App derzeit aus dem App Store installieren. Der Hersteller teilte via Twitter mit, eine neue Version der App sei eingereicht worden und durchlaufe nun den Prüfungs-Prozess von Apple. Der Hintergrund der Lösch-Aktion ist bisher völlig unklar. „Dazu gibt es von Apple keinen Kommentar“, heißt es wie in solchen Fällen üblich aus der Firmenzentrale in Cupertino. Im Web wird spekuliert, dass die Löschung der App mit kürzlich bekannt gewordenen Sicherheitslücken zusammenhängt. Die Website whatsappstatus.net hatte eine Sicherheitslücke demonstriert, auch die Sicherheitsfirma SEC Consult Vulnerability Labs wies auf mehrere Schwachstellen hin. Andere glauben, Apple wolle die Nutzung seiner eigenen mit dem jüngsten Betriebssystem iOS 5 vorgestellte Messenger-App mit der Löschung stärken. WhatsApp war aber nicht die erste prominente App, die Apple kurzerhand kaltgestellt hat...
Der verstorbene ehemalige Apple-Chef Steve Jobs galt als Unterstützer der Demokraten - der bekannte Demokrat und Umweltschützer Al Gore ist Mitglied im Apple-Board. Die App Freedom Time, die die Tage bis zum Ende der Präsidentschaft von George W. Bush zählte, war Jobs 2008 aber offenbar dennoch zu viel politischer Kampf auf seiner Plattform - und sie wurde schließlich gelöscht. Die Programmierer Alec Vance und Court Batso beschwerten sich bei Jobs persönlich - und der antwortete dem Blog der Entwickler zufolge so: „Auch wenn ich mit meinen persönlichen politischen Ansichten eher den Demokraten zugeneigt bin, glaube ich, dass diese App in etwa die Hälfte unserer Kunden vor den Kopf stößt. Also was soll das?“ Quelle: Juggleware
Auch Scherze über Bush-Nachfolger Barack Obama toleriert Apple nicht. Die App Obama Trampoline ließ verschiede Größen der amerikanischen Politik auf einem Trampolin im Oval Office des Weißen Hauses springen - zum Missfallen von Apple. Entwickler Swamiware wusste aber Rat und entpolitisierte die App kurzerhand. Alle politischen Persönlichkeiten bekamen nun Papiertüten über den Kopf gezogen, um sie zu anonymisieren. Die in Party Trampoline umbenannte App darf seit dem wieder heruntergeladen werden. Quelle: PR
Eine App mit politischen Karikaturen des Zeichners Mark Fiore lehnte Apple unter dem Hinweis ab, sie gäben Personen der Öffentlichkeit der Lächerlichkeit preis. Erst als Fiore den Pulitzer-Preis erhielt, änderte Apple seine Meinung.
Streng ist Apple immer dann, wenn eine App die Gefühle von Nutzern verletzen könnte - seien sie politischer oder religiöser Natur. Für größeren Wirbel sorgte die Löschung der App „Me so holy“, in welcher der Nutzer sich mittels eines Foto in einen berühmten Religionsführer verwandeln konnte. Waren die virtuellen Heiligenbildchen für die meisten ein harmloser Spaß, sah Apple darin eine Verletzung religiöser Gefühle - und verbannte die App. Das Unternehmen verwies dabei auf Punkt 3.3.12 der Nutzungsbedingungen, die generell alle „anstößigen Inhalte“ verbietet. Quelle: PR
Von Drogen will Apple seinen App Store freihalten - selbst wenn sie nur virtueller Natur sind. Das Spiel „Dope Wars“, in dem sich der Spieler vom kleinen Dealer zum Drogenbaron hocharbeitet, durfte nicht in den Apple Store - auch wenn das Spiel eher satirischen Charakter hat. Doch Hersteller Catamount Software wusste Rat: Das gleiche Spiel wurde noch einmal eingereicht und alle Bezeichnungen für Drogen durch Süßigkeiten ersetzt. Neuer Titel: „Candy Wars“ (rechte Bildhälfte) - mit Apples Segen im App Store. Quelle: Catamount Software
Bei der App der Bild-Zeitung stießen deutsche nackte Tatsachen auf prüde amerikanische Moralvorstellungen. Bilds „Girl des Tages“ darf der Springer-Konzern auf dem iPhone nur zensiert zeigen.
Bei der App von Stern.de das gleiche Spiel: Apple entfernte die Anwendung ohne Vorwarnung im September 2009 vorübergehend aus dem App Store. Grund war eine Erotik-Galerie auf dem Portal. Der Verlag Gruner+Jahr, der den Stern herausgibt, wertete die unangekündigte Löschung damals als äußerst „praxisfern“. Solche Bildergalerien seien für General-Interest-Titel völlig normal, sagte eine Sprecherin damals.
Andere Löschungen aus moralischen Gründen sind für Europäer schon eher nachvollziehbar: Über die App „Gay Cure“ der fundamentalistischen christlichen Gruppe Exodus International beschwerten sich mehr als 150.000 Nutzer in einer Petition. Die App versprach, Nutzer von Homosexualität zu befreien. Die App, die bei der Einreichung zunächst ohne Einwände von Apple blieb, wurde so schließlich gelöscht.
Die Zulassung verweigerte Apple aber auch deutlich weniger kontroverse Anwendungen wie dem Programm „Big Five“, wie der Branchendienst Heise Online 2008 berichtete. Das Programm sollte die Grundlage für andere Web-Applikationen legen, die damit per Javascript auf Gerätefunktion wie Kamera, GPS-Navigation und Beschleunigungssensor hätten zugreifen können. Das hätte allerdings das Apple-Geschäftsmodell über den restriktiven App Store angegriffen. Offizielle Begründung der Ablehnung: eingeschränkter Nutzwert.
Auch in anderen Fällen gaben offensichtlich wirtschaftliche Gründe den Ausschlag, eine App nicht zuzulassen. Die App Netshare sollte den Usern die Nutzung des iPhones als Modem für Mac oder PC erlauben. Das unterbindet allerdings eine Vereinbarung, die Apples US-Provider-Partner AT&T erwirkt hatte.
Wer zu Apple-Produkten in Konkurrenz treten will, hat es ebenfalls häufig schwer. Die Multimedia-Anwendung Podcaster wurde nicht zugelassen, weil sie eine „Funktion des Podcast-Bereichs von iTunes“ dupliziere, berichtete Heise Online. Operas Konkurrenz zu Apples Browser Safari ist dagegen im App Store erhältlich.
Die makabere App Baby Shaker wurde nach heftigen Nutzer-Protesten schnell gelöscht. Bei der App schüttelte der Nutzer ein Baby so lange, bis zwei Kreuze über den Augen anzeigten, dass es tot ist. Die App hatte für einen Sturm der Entrüstung gesorgt. Quelle: SIKALOSOFT
Im Fall der App „Pull my Finger“ zeigte sich das Silicon-Valley-Unternehmen von seiner humorlosen Seite: Anfang September 2009 wurde es von Apple zurückgewiesen. Die App stellte dem Softwareautoren zufolge 16 „Zieh an meinem Finger“-Illustrationen mit passenden Flatulenz-Geräuschen zur Verfügung.
Eine Reise zurück in die 80er und 90er Jahre ermöglicht die kostenlose App iDOS. Die App erweckt sechs alte Spiele aus der MS-DOS-Ära zum Leben - darunter Wolfenstein 3D und Duke Nukem I und II. Leider mussten die Macher auf Druck von Apple die Möglichkeit entfernen, den Emulator um weitere alte DOS-Spiele zu erweitern. Eine Version, die das erlaubte, wurde nach nur einem Tag von Apple aus dem Store entfernt. Wer nur intensiv genug danach sucht, wird aber einen Weg finden, um Apples restriktive Politik zu umgehen. Quelle: Screenshot
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