Datenklau Die Sicherheitslücken der Unternehmen

Wie technische Lücken und Mitarbeiter Firmengeheimnisse in Gefahr bringen – und wie Sie sich schützen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Hand auf Tastatur Quelle: VRD - Fotolia.com

Daniel Domscheit-Berg packt seinen Laptop aus und startet ihn auf dem Tisch eines Cafés am Potsdamer Platz in Berlin. An diesem kalten Herbsttag im Oktober 2009 hat der 32-jährige Sprecher von Wikileaks in Deutschland Brisantes im Gepäck: Ein Informant hatte ihm eine staatsanwaltschaftliche Geheimakte zugespielt, aus der hervorgeht, mit welch unredlichen Methoden der Arzneihersteller Ratiopharm den Umsatz nach oben getrieben hat. Wikileaks bringt das Dokument ins Netz, die WirtschaftsWoche berichtet, und Ratiopharm gerät in Erklärungsnot.

Inzwischen hat Wikileaks angekündigt, weitere Geheimnisse aus der Wirtschaft ins Netz stellen zu wollen. Im Januar sollen zunächst Enthüllungsdokumente einer Großbank folgen, Dokumente anderer Unternehmen seien bereits eingegangen. Und schon gibt es Berichte von weiteren Plattformen, die wie Wikileaks geheime Informationen ins Netz bringen wollen.

Lange wollten es Unternehmen nicht wahrhaben: Die Zeiten, in denen geheime Akten nächtelang kopiert werden mussten, sind vorbei. Mit einem Mausklick lassen sich Firmengeheimnisse auf USB-Sticks kopieren, die in Sekunden in die falschen Hände gelangen können. Das muss nicht nur Manager alarmieren, die gegen Gesetze verstoßen. Ob Mittelständler oder Dax-Konzern: Alle lagern vertrauliche Daten digital. Und trotz Firewalls und Passwörtern kommen Wirtschaftsspione immer wieder an diese Informationen heran.

Auf bis zu 50 Milliarden Euro taxiert eine Studie der Universität Lüneburg das jährliche Gefährdungspotenzial durch Wirtschaftsspionage in Deutschland. Da ist es geradezu fahrlässig, wie manche Betriebe mit ihren Geheimnissen umgehen: Sie lassen Fremde unkontrolliert ins Firmengebäude, Serverräume bleiben unverschlossen, und Praktikanten haben Zugang zum gesamten Computernetzwerk.

Wo aber liegen die größten Sicherheitslücken? Und wie schützen sich Unternehmen dagegen? 

Risiko Spionageprogramme

Der größte Datenschatz der Unternehmen liegt auf Servern. Diese Großrechner werden daher mit Firewalls vor Angriffen aus dem Netz geschützt. Doch mithilfe von USB-Sticks beispielsweise können Mittelsmänner Schnüffel-Programme in das Netzwerk einschleusen. Anbringen kann den kleinen Speicherstick jede Putzhilfe.

Auf pure Neugier setzt ein anderer Trick der Cyber-Spione: Sie lassen USB-Sticks mit Trojaner-Software auf einem Firmenparkplatz fallen. Die Hoffnung: Ein Mitarbeiter findet ihn und öffnet den Datenträger auf seinem Firmencomputer. Sobald er den Stick anschließt, wird die Schadsoftware aktiv und verschickt die gewünschten Daten wochenlang häppchenweise über das Internet. „Das fällt in keiner Netzwerk-Statistik auf“, sagt Henrik Becker, IT-Experte bei der Düsseldorfer Unternehmensberatung RölfsPartner.

Ebenfalls via USB-Stick gelangen sogenannte Keylogger auf die Rechner von Managern. Die versteckten Programme zeichnen wie eine kleine Kamera sämtliche Tastaturbefehle auf – einschließlich Nutzernamen und Passwörtern – und übermitteln die Informationen ebenfalls via Internet an den Auftraggeber.

Schutz gegen derlei Angriffe bieten Anti-Leak-Programme, sozusagen der militärische Abschirmdienst der IT-Sicherheitsabteilung. Die Software kann, vom Eindringen Unbefugter in den Rechner bis zur Kopie von Dokumenten, jeden Zugriff blocken oder kontrollieren. Dabei protokolliert der elektronische Türsteher alle Datenbewegungen – und damit jeden möglichen Diebstahl. Dabei kann die Software sogar die Verarbeitung von Daten in Excel gestatten, aber unterbinden, dass die Tabelle ausgedruckt oder auf eine CD gebrannt wird. Sie kann auch USB-Ports sperren, um schädlichen Zugriff über Speichersticks zu verhindern.

Doch längst nicht jeder nutzt die Technik: Laut einer Studie des amerikanischen Marktforschers Forrester Research hat 2010 zwar jedes fünfte große Unternehmen aus den USA, Kanada, Großbritannien und Deutschland Anti-Leak-Software eingeführt. Bei kleinen und mittelständischen Unternehmen aber ist die Rate deutlich geringer: Nur zehn Prozent besitzen derartige Schutzsysteme.

Zudem helfen solche Programme wenig, wenn Mitarbeiter unterwegs sind: Gerade Laptops und Smartphones sind die offenen Flanken von Unternehmen, warnen Sicherheitsexperten. Laut einer Studie des amerikanischen Ponemon Institute gehen allein auf Flughäfen in den USA pro Jahr 637.000 Laptops verloren. Auch in Hotelzimmern seien Laptops nicht sicher, warnt Uwe Claaßen, Leiter der Abteilung Wirtschaftsschutz beim Niedersächsischen Verfassungsschutz. Hotelmitarbeiter haben zu jedem Zimmer Zweitschlüssel – oft sogar zum Hotelsafe. Geschäftsreisende sollten Laptops daher stets bei sich tragen, rät der Verfassungsschützer.

Wer vertrauliche Daten auf dem Laptop hat und sie nicht verschlüsselt, „handelt fahrlässig“, sagt darum Toralv Dirro, Sicherheitsstratege beim kalifornischen IT-Sicherheitsanbieter McAfee. Denn mit speziellen Programmen können IT-Sicherheitschefs Dateien auf PC, Laptop oder Smartphone eines jeden Mitarbeiters chiffrieren oder sperren. Geht ein Gerät verloren, lässt es sich mit einer Selbstzerstörungsfunktion deaktivieren. Die Dateien auf dem Gerät werden dann gelöscht.

Inhalt
  • Die Sicherheitslücken der Unternehmen
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%