Die Antworten sind beängstigend: Alles sei bloß „ein Test“. Oder: „Statistik. That’s all.“ So fertigen sonst Herrscher ihre aufgeregten Untertanen ab: Macht euch keine Sorgen. Ihr braucht nichts zu wissen. Wer fragt, der stört.
Genau dann aber muss man sich Sorgen machen. Große Sorgen.
Ein Test. Statistik. Das waren Reaktionen eines Mitarbeiters von Facebook gegenüber kritischen Mitgliedern des Sozialen Netzwerks. „Blockwart 2.0“ und „stasimäßig, das Ganze“ hatten sie geschimpft, weil Facebook sie über ihre Bekannten ausfragte. Den Computersystemen von Facebook waren zuvor nämlich etliche Nutzer aufgefallen, die anscheinend Pseudonyme statt ihrer richtigen Namen verwendeten. Nun entspricht es aber nicht der Geschäftsphilosophie des Hauses, dass seine Mitglieder Geheimnisse haben. Also ließ Facebook vor wenigen Wochen seine Software den Bekanntenkreis der Verdächtigen ausfindig machen und dort nachfragen: „Ist dies der wahre Name deines Freundes?“
Ein Test? Was für ein Test? Ob Menschen bereitwillig ihre Freunde verraten, wenn eine Software sie dazu auffordert?
Facebooks Schnüffelei ist nur ein Fall von vielen, in denen führende Konzerne den Internetnutzern mit fragwürdigen Methoden ihre Regeln aufzwingen. Etwa zeitgleich verweigerte Apple die Freigabe für ein satirisches Spiel, das Frederic Jacobs aus San Francisco für das iPhone programmiert hat. Es heißt Angry Syrians und kritisiert in bunter Comic-Optik das brutale Regime von Präsident Baschar al-Assad. Warum es bei Apple nicht erscheinen durfte? Weil es angeblich „diffamierend oder beleidigend“ gewesen sei, berichtet der Programmierer.
Ein Ort der Freiheit
Apple unterdrückt eine politische Meinungsäußerung. Wie oft wohl noch?
Oder Amazon: nahm Anfang Juni das Schwarzbuch WWF vorübergehend aus dem Programm. Der Autor Wilfried Huismann warf darin der Umweltorganisation große Nähe zur Industrie vor, ein juristischer Streit zeichnete sich ab. Amazon verbannte das Buch, noch bevor die Richter die Vorwürfe beurteilten. Aber bedeutet das angesichts der Marktmacht von Amazon nicht, dass faktisch ein einzelner Konzern im Wesentlichen entscheidet, was gelesen wird?
Oder Google: filtert die Ergebnisse seiner Suchmaschine weltweit mal nach politischen Vorgaben, mal nach unterstellten persönlichen Interessen der Nutzer. Jedenfalls nicht immer so neutral, wie es das schlichte Weiß der Internetseite suggeriert.
Was passiert hier?
Das Internet war mal ein Ort der Freiheit. Wo man unbekannte Welten entdecken und sich dabei auch schon mal verlaufen konnte. Ein Ort, anarchisch zwar und wild. Aber frei.
Heute gibt es Apple, Facebook, Google und Amazon. Vier amerikanische Konzerne beherrschen das Internet und zählen zusammen einen signifikanten Anteil der Weltbevölkerung zu ihren Kunden. Sie vereinen rund 80 Prozent des grenzüberschreitenden Datenverkehrs auf sich. 40 Prozent der Zeit, die Menschen online verbringen, vereinen die Seiten der großen vier auf sich. Facebook hat zehnmal mehr Nutzer als Deutschland Einwohner. Google beantwortet eine Milliarde Suchanfragen pro Tag.