Ackerbau statt Jagd Mit der Sense kam der Sensenmann

Als die Menschen vom Jagen und Sammeln zum Ackerbau übergingen, wurde das Überleben auf Dauer einfacher. Trotzdem gab es Massensterben wie zur Zeit der Pest, zeigt eine neue Studie. Über die Gründe rätseln die Forscher.

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Abgeernteter Acker: Nicht allen Menschen fanden in der Landwirtschaft eine sichere Nahrungsquelle. Quelle: dpa

Als die Menschen das Jäger-und-Sammler-Leben zugunsten von Ackerbau und Viehzucht aufgaben, taten sie dies, um ihre Nahrungsversorgung auf sichere Füße zu stellen – besagt eine verbreitete Theorie. Wie eine neue Studie zeigt, scheint dieser Plan allerdings nicht sonderlich gut aufgegangen zu sein: Die Umstellung der Lebensweise brachte starke Populationsschwankungen mit sich, bei denen die Bevölkerung mitunter auf ein Drittel schrumpfte.

So lautet jedenfalls das Ergebnis einer statistischen Untersuchung, die jetzt ein Forscherteam um Sean Downey vom University College London veröffentlichte. Die Wissenschaftler haben dazu die Bevölkerungsdichte Westeuropas im Zeitraum von 8000 bis 4000 Jahren vor heute abgeschätzt. Eine einfache Überlegung diente ihnen dabei als Ausgangspunkt: Je mehr Menschen in einem gewissen Gebiet zu einer gewissen Zeit lebten, desto wahrscheinlicher werden Überreste von ihnen heute durch Archäologen entdeckt. Im Umkehrschluss müssten sich daraus die Bevölkerungszahlen quer durch die Jahrtausende errechnen lassen.

Downey und Kollegen sammelten 13 600 publizierte Radiokarbondaten aus zwölf europäischen Regionen, davon von insgesamt 7944 aus dem fraglichen Zeitraum, kalibrierten diese und legten sie über ein Vergleichsmodell, in dem die Bevölkerung ohne jegliche Schwankungen anwuchs. Dadurch ließ sich berechnen, ob in einzelnen Phasen und Regionen die erschlossene Bevölkerungsdichte vom anzunehmenden Mittelwert abwich.

Dies war tatsächlich überall der Fall, mit Ausnahme vom Norden und der Mitte Deutschlands. Hier gab es zwar auch Schwankungen, statistisch gesehen könnten sie jedoch auch auf Zufall beruhen. Anderswo zog die Einführung der Landwirtschaft – die überall zu verschiedenen Zeiten stattfand – einen abrupten, starken Bevölkerungszuwachs nach sich, an den sich meist ein ebenso dramatischer Rückgang anschloss. Diese „Boom-and-Bust“-Zyklen wiederholten sich mitunter noch mehrfach.


Alles auf eine Frucht gesetzt

Die Einbrüche in der Bevölkerungsdichte, die die Menschen erlebten, seien vergleichbar mit den Massensterben in Folge der mittelalterlichen Pest, schreiben die Autoren. Über die Gründe dafür wollen sie aber nur am Rande spekulieren. Vermutlich seien die landwirtschaftlichen Praktiken in der Frühphase noch wenig nachhaltig gewesen, so dass die Bevölkerung erst stark profitierte, um dann mit einem Mal aus dem Tritt geworfen zu werden. Zu Beginn machten sich die Bauern von einer oder zwei Feldfrüchten abhängig, entsprechend wenig Spielraum blieb ihnen, falls etwas schief gehen sollte. Ein Vergleich mit den Klimaveränderungen zur damaligen Zeit offenbarte jedenfalls keine auffälligen Gemeinsamkeiten, die auf äußere Einflüsse hindeuten. Auch Abwanderung könne nur einen Teil der Beobachtungen erklären.

Downey und Kollegen sind sich wohlbewusst, dass die Abschätzung mit Hilfe der Fundwahrscheinlichkeit nur ein äußerst krudes Instrument ist, das zahlreichen Fehlerquellen unterworfen ist. Durch verschiedene Tricks wollen sie jedoch einige systematische Fehler ausgeschlossen haben und hoffen im Übrigen, dass das Bild, das sich aus der Zusammenschau einer großen Masse von Daten ergibt, am Ende zutreffend ist.

Von ihrer Stoßrichtung her passt die Arbeit der Forscher zumindest gut in eine Reihe von Studien, die zuletzt deutlich gemacht haben, dass die Umstellung auf Ackerbau mitnichten das Leben der Menschen erleichterte. Insgesamt jedoch stellte die Landwirtschaft und Viehzucht einen deutlichen Überlebensvorteil dar: Trotz aller Einbrüche wuchs die europäische Bevölkerung über den gesamten Untersuchungszeitraum exponentiell an.

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