Ebola Indiens Furcht vor dem tödlichen Virus

In Indien geht die Angst vor Ebola um: Tausende Inder arbeiten in den von Ebola betroffenen Ländern Westafrikas. Schafft das tödliche Virus den Sprung auf den Subkontinent, könnten die Folgen katastrophal sein.

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Intensivstation zur Behandlung von Ebola-Patienten in Neu-Delhi. Nach Meinung von Gesundheitsexperten wäre Indien nur schlecht für einen Ebola-Ausbruch gerüstet. Quelle: AFP

Neu Delhi „Ebola-Überwachungszentrum“ steht auf einem Schildchen, die Buchstaben sind ungelenk von Hand geschrieben. Das Papier klebt auf einem Tischkalender, irgendwo in der Ankunftshalle des kleinen, aber internationalen Flughafens in Imphal in Indien.

Hinter dem Schild sitzt ein Mann mit einem Fragebogen. Sieht er einen Reisenden, der ein Ausländer sein könnte, winkt er ihn heran. Dann beginnen die Fragen: „Kommen Sie aus Westafrika? Haben Sie Fieber?“

Mit oft noch provisorischen Mitteln versucht Indien, ein Übergreifen des tödlichen Virus auf den Subkontinent zu verhindern. Im Land geht die Angst vor Ebola um.

Gesundheitsminister Harsh Vardhan rief gerade hochrangige Regierungsvertreter zusammen. „Wir haben Kriegsrat gehalten, um unsere Aktionen bei einem Ausbruch zu koordinieren“, erklärte Vardhan. Die erste Notfallübung am Flughafen in Neu Delhi gab es bereits, die anderen sollen nachziehen.

Schafft es das Virus nach Indien, könnten die Folgen katastrophal sein. Einige der am dichtesten besiedelten Städte der Welt befinden sich dort. Darunter etwa Mumbai mit seinen 18 Millionen Einwohnern; eine Million davon leben allein im Slum Dharavi, wo die Gassen oft nur schulterbreit sind. Jeder trifft hier jedem, oft schlafen ganze Großfamilien in einem Raum – Kontaktlisten, wie sie nach Ebola-Fällen in westlichen Ländern üblich sind, lassen sich da kaum erstellen.

Bislang gibt es weder eine wirksame Behandlung noch eine Impfung gegen den Erreger. Übertragen wird das Virus durch Körperflüssigkeiten wie Schweiß, Blut, Urin und Fäkalien. Laut Zensusdaten nutzen etwa die Hälfte der 1,25 Milliarden Inder keine Toilette, sondern gehen zum Geschäft aufs Feld oder hinter den nächsten Busch.

Das Risiko für Indien sei „sehr hoch“, sagt Ashish Jha, Professor für Gesundheitspolitik an der Harvard-Universität. Denn Tausende Inder arbeiten in den von Ebola betroffenen Ländern Westafrikas, etwa als Ärzte, Ingenieure, Lehrer und Bauarbeiter.


Das System ist auf die Krankheit nicht vorbereitet

300 Inder sind auch als Teil der UN-Blauhelmtruppe in Liberia, das mit am schwersten von der Epidemie betroffen ist. Viele von ihnen flogen gerade jetzt rund um das Lichterfest Diwali nach Hause, andere werden ihren Jahresurlaub zu Weihnachten nehmen.

„Wenn sich davon einer infiziert, ist das System in Indien nicht darauf vorbereitet“, meint Jha. Zwar arbeiteten die Behörden daran, Krankenhäuser auszurüsten und medizinisches Personal zu schulen. Doch sei es ja sogar in den USA und Spanien dazu gekommen, dass sich Ärzte und Krankenschwestern ansteckten. „Es ist für mich schwer vorstellbar, dass Indien das besser hinbekommt.“

Seit August wurden mehr als 20.000 Menschen bei der Einreise nach Indien befragt; in etwa 100 Verdachtsfällen wurde Blut abgenommen. Für die Bluttests gibt es in ganz Indien bislang nur zwei Labore, doch der Minister verspricht, da bald aufzustocken.

So schnell wie möglich soll auch die Körpertemperatur von Reisenden an 18 internationalen Flughäfen kontrolliert werden, erklärt Vardhan. „Mit Scannern, die den Radargeräten der Polizei ähneln, kann Fieber bei den Menschen gemessen werden, die an den Immigrationsschaltern warten.“

Der Minister zeigt sich zuversichtlich. Das Fiebermessen habe auch beim Ausbruch der Lungenkrankheit Sars vor einem Jahrzehnt geholfen, argumentiert er. Doch kanadische Forscher veröffentlichten gerade eine Studie im britischen Fachmagazin „The Lancet“ zu diesen Screenings. Demnach nützen solche Untersuchungen an den Ankunftsflughäfen kaum.

Schließlich dauere es zwischen 2 und 21 Tagen, bis sich Ebola-Symptome wie Fieber zeigten. Die Screenings hätten „wahrscheinlich keinen nennenswerten Effekt“, so das Ergebnis der Untersuchung.

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