Ebola-Studie 800 Franken für jeden Impfstoff-Tester

Angesichts steigender Opferzahlen wird die Suche nach einem Impfstoff gegen Ebola zum Wettlauf gegen die Zeit. In Lausanne startet jetzt eine der größten Impfstoff-Testreihen - misstrauisch beäugt von den Einheimischen.

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Wie hier in Mali sind inzwischen mehrere Testreihen zur Erprobung verschiedener potenzieller Ebola-Impfstoffe angelaufen. Die Suche nach einem geeigneten Wirkstoff wird zum Wettlauf gegen die Zeit. Quelle: dpa

Im schweizerischen Lausanne beginnt am Freitag die größte Studie für die Erprobung des führenden Experimental-Impfstoffs gegen Ebola. Dafür haben sich bislang mehr als 50 Personen bereit erklärt, sich das Virus injizieren zu lassen - die meisten davon Ärzte oder Medizinstudenten.

Laut Weltgesundheitsorganisation WHO dürften sich bis Dezember jede Woche bis zu 10.000 Menschen mit Ebola anstecken, und sichere und wirksame Impfstoffe gelten als entscheidende Waffe gegen die Ausbreitung der Krankheit. Der Impfstoff, der jetzt am Genfer See an 120 gesunden Erwachsenen getestet werden soll, wird von GlaxoSmithKline hergestellt.

101 Ampullen mit dem Serum kommen aus den USA, noch in dieser Woche können die Impfungen beginnen, sagt der Leiter des Experiments, Blaise Genton. Der Versuchsimpfstoff basiert auf einer lebenden Version eines modifizierten Virus' von Schimpansen, das ein Ebola-Gen enthält. Ein Vertreter von Glaxo wollte keinen Kommentar dazu abgeben.

Auch wenn es Genton zufolge viele Kollegen und Medizinstudenten gab, die sich für das Experiment angeboten haben, dürfte es schwieriger werden, Freiwillige aus anderen Teilen der Gesellschaft zu rekrutieren. Die Teilnehmer bekommen zufallsgesteuert entweder eine Injektion mit dem Impfstoff oder ein Placebo. Als Entschädigung für ihren Zeitaufwand und Reisekosten erhalten sie 800 Franken – umgerechnet 663 Euro.

Die Einheimischen sind dem Experiment gegenüber misstrauisch, um es vorsichtig auszudrücken. „Ich möchte wirklich nicht ein tierisches Virus gespritzt bekommen“, sagt Sebastien Charpie aus dem anderthalb Stunden entfernten Neuchatel. Die Entschädigung findet er angesichts des Risikos zu gering.

Auch sechs andere Personen, die von der Nachrichtenagentur Bloomberg News vor dem Luxushotel Beau-Rivage Palace befragt wurden, erklärten, sie würden sich nicht für das Experiment zur Verfügung stellen. Ebenso fünf Krankenhausangestellte, ein Apotheker und zwei Taxifahrer.


Wie stark sind die Nebenwirkungen?

Misstrauen gegenüber den Motiven der Pharmaindustrie wurden ebenso angeführt wie Sicherheitsbedenken. „Man könnte mir das Tausendfache der gezahlten Summe anbieten, und ich würde trotzdem nein sagen“, erklärt der Taxifahrer Kabongo Mlamba. Er stammt aus der Republik Kongo, wo Ebola 1976 erstmals auftrat. „Die Nebenwirkungen könnten bedenklich sein“, fügt der sechsfache Vater noch hinzu.

Bei dem Experiment wird beobachtet, ob bei den Teilnehmern Nebenwirkungen auftreten, zudem wird ihr Blut untersucht, um Immunreaktionen festzustellen. Tests an den National Institutes of Health in den USA, an der Universität Oxford und in Mali im Oktober an Dutzenden Personen hätten bislang keine ernsten Nebenwirkungen ergeben, sagte Genton am Dienstag zu Journalisten. Leichte Symptome seien unter anderem Schmerzen an der Injektionsstelle, leichtes Fieber und Kopfweh gewesen, so der Professor.

Die Reaktionen auf den Impfstoff könnten von der Antwort des Immunsystems herrühren, sagte Marie-Paule Kieny, Vize- Generaldirektorin für Gesundheitssysteme und Innovation bei der WHO, bei einem Interview in der Genfer Zentrale der Organisation. Laut WHO sind die Tests in Lausanne die umfangreichsten einer Reihe von laufenden Studien. Die Organisation koordiniert auch einen Versuch mit einem zweiten Testimpfstoff an der Genfer Universitätsklinik.

„Wenn er sich als sicher und wirksam erweist, könnte jeder der Impfstoffe im ersten Quartal 2015 in die Massenproduktion gehen, um Millionen Dosen zur breiten Verteilung in Hochrisikoländern herzustellen“, so Kieny.

Erste Ergebnisse werden für Mitte Dezember erwartet. Ähnliche Verfahren mit der Nutzung von Adenoviren von Schimpansen zur Immunisierung gegen HIV und Tuberkulose seien jedoch nicht erfolgreich gewesen. „Es ist Neuland“, erklärte Kieny, die selbst an dem Genfer Experiment teilnimmt. „Dies sind völlig neue Impfstoffe.“

Es werden zwei unterschiedliche Impfstoffdosen getestet. Die niedrigste Dosis, die eine ausreichende Immunreaktion auslöst, werde verwendet, sagt Genton. „Wir kennen nicht die Menge von Antikörpern, die für einen Schutz nötig ist, und wissen auch nicht, ob diese Antikörper überhaupt schützen.“

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