Einmal drüber schlafen Wie das Gehirn lernt

Mit der Zeitumstellung in der Nacht zu Sonntag naht für so manchen auch ein Schlafproblem, zumindest kurzfristig. Dabei ist genügend Schlaf nicht nur für die Gesundheit, sondern auch für Lernprozesse immens wichtig.

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So schlafen Sie besser ein - und durch
Auf Matratzen und Kissen achtenWie man sich bettet, so liegt man: Passen Matratze und Kissen nicht, wird es auch nichts mit dem erholsamen Schlaf. Deshalb sollten Sie beim Kauf auch einmal Probe liegen und Ihre Matratze alle fünf bis zehn Jahre gegen eine neue tauschen. Kissen sollten alle zwölf bis 18 Monate ausgewechselt werden. Experten raten Paaren außerdem dazu, auch im gemeinsamen Bett getrennte Matratzen zu haben, da die Ansprüche an die Matratze verschieden sind. Bei einer durchgehenden Matratze besteht die Gefahr, dass einer zu weich und der andere zu hart liegt. Quelle: Blumenbüro Holland/dpa/gms
Ein Paar schaut im Bett Fernsehen Quelle: Fotolia
Ernährung beachtenAlkohol kann helfen, schneller einzuschlafen. Dafür wird die Nacht unruhiger. Faustregel: maximal ein Glas Bier oder Wein. Besser ist ein Glas warme Milch, denn sie enthält die Aminosäure Tryptophan – und die fördert den Aufbau des Schlafhormons Serotonin. Zu viel Eiweiß und Proteine sind schwer verdaulich. Und das Nikotin der Gute-Nacht-Zigarette stimuliert das Gehirn. Quelle: dpa
Bahnhofsuhr Quelle: dpa
Sport machenWer tagsüber Sport macht, schläft abends leichter ein. Dafür muss es kein dreistündiges Krafttraining sein, ein Spaziergang bewirkt auch schon einiges. Wichtig ist allerdings, sich nicht kurz nach Trainingsende ins Bett zu legen. Kurz nach dem Sport ist der Kreislauf noch sehr aktiv. Quelle: dpa
Eine Frau macht eine Yoga-Übung Quelle: obs
Auf die Temperatur achtenIst es im Schlafzimmer zu heiß oder zu kalt, ist das ebenfalls nicht gut für den Schlaf. Deshalb darauf achten, dass es in dem Raum, in dem man schläft, zwischen 15 und 19 Grad hat. Wenn der Partner mit im Bett schläft, empfiehlt es sich außerdem, zwei Decken zu benutzen. Dann erspart man sich das Aufwachen mitten in der Nacht, weil der Mitschläfer die Bettdecke geklaut hat. Quelle: dpa

Vor einer schwierigen Klausur noch bis in die Puppen lernen? Das dürfte genau die falsche Strategie sein. Denn ausreichender und guter Schlaf ist wichtig, um Gelerntes zu festigen, soviel steht fest. Wie das jedoch im Detail passiert, ob der Traum- oder Tiefschlaf dafür den Ausschlag gibt, ist auch für Experten noch ein Rätsel.

Tatsächlich sind die nächtlichen Aktivitäten unseres Denkorgans wesentlich schlechter erforscht als das Tagverhalten. „Aber das Gehirn arbeitet nachts mindestens ebenso kompliziert, wahrscheinlich sogar noch komplizierter“, sagt Dieter Kunz, Chefarzt der Klinik für Schlafmedizin am St. Hedwig-Krankenhaus in Berlin.

Etwa im 90-Minuten-Rhythmus wechseln beim Menschen Tief- und Traumschlaf ab – wobei zu Beginn der Nacht die Tiefschlafphasen und gegen Morgen die Traumschlafphasen länger sind. Kunz und sein Team veröffentlichen in Kürze eine Studie im Fachjournal „Sleep“, die zumindest für das prozedurale Lernen, also das Erlernen automatisierter Vorgänge wie Radfahren oder Laufen, die Bedeutung des Traum- oder REM-Schlafes hervorhebt.

Falsche Volksweisheiten rund um den Schlaf

REM steht für Rapid-Eye-Movement und beschreibt die rasche Augenbewegung unter geschlossenem Lid im Traum. „Die Probanden erhielten ein Antidepressivum, das den REM-Schlaf unterdrückt“, erläutert Kunz. Nach dem Schlaf mussten sie in visuellen Tests bei bestimmten optischen Signalen blitzschnell einen Knopf drücken. Dabei schnitten die Probanden aus der Placebo-Gruppe, also mit REM-Schlaf, deutlich besser ab.

Für das explizite Lernen, also etwa fürs Vokabeln oder Geschichtsdaten Pauken, ist es vermutlich gerade die Kombination der verschiedenen Schlafkomponenten, die die Fakten dauerhaft abspeichert. Doch Lernen heißt noch viel mehr: „Das Gedächtnis, das im Schlaf gebildet wird, ist kein passiver Prozess, wo sozusagen einfach Klebstoff über die Inhalte kommt, um sie zu fixieren. Es ist ein aktiver Vorgang, ein Abstraktionsprozess weg von der einzelnen erlebten Episode hin zum semantischen Gedächtnis“, sagt der Leibniz-Preisträger und Schlafforscher Jan Born von der Universität Tübingen.

Sieben Stunden Schlaf in dunkler Umgebung

Für seine neuesten Studien nahmen er und sein Team speziell den Tiefschlaf ins Visier. Sie ließen ihre Probanden im Erwachsenen- und Kindesalter zunächst ebenfalls ein „Button-Down-Spiel“ machen, bei dem bei – scheinbar willkürlichen – Lichtsignalen schnell ein Knopf gedrückt werden musste. Tatsächlich waren die Lichtsignale in einem komplexen Muster geschaltet, was jedoch keinem Teilnehmer bewusst auffiel.

Nach dem Schlafen kam dann der zweite Testdurchlauf – und alle schnitten deutlich besser ab. Vor allem bei den Kindern, die von Natur aus mehr Tiefschlafphasen haben, fiel die Steigerung auf. „Wahrscheinlich findet im Schlaf eine Reprozessierung der Stimulation statt. Vor allem die Kinder hatten die verborgenen Muster extrahiert. 13 der 15 Kinder konnten die gesamte Sequenz auswendig“, berichtet Born. „Und es ist die Tiefschlafphase, in der das passiert.“

In einem weiteren Versuch machte sich Born deshalb daran, die Tiefschlafphasen zu verbessern. Mit leisen Tonimpulsen, die synchron zum langsamen Deltawellen-Rhythmus des Tiefschläfer-Gehirns geschaltet wurden, gelang es, die Frequenzen weiter zu verlangsamen, die Ausschläge zu erhöhen. „Der Tiefschlaf wird tiefer, die Gedächtnisleistung wird größer“, schließt Born.

Bei älteren Menschen nehmen die Tiefschlafphasen sukzessive ab. Könnte ihnen ein besserer Tiefschlaf auch wieder zu mehr Gedächtnisleistung verhelfen? „Man kann den Tiefschlaf bei Älteren verbessern, aber die Effekte sind nur moderat“, sagt Born. „Das alte Gehirn produziert einfach nicht mehr so viele langsame Wellen.“

Mindestens sieben Stunden Schlaf in dunkler Umgebung und ausgerichtet an der inneren Uhr bleibt deshalb der vorrangige Rat an alle, die über Nacht etwas lernen wollen.

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