Killerwale jagen Weiße Haie Kampf an der Spitze der Nahrungskette

Weiße Haie gehören zu den mächtigsten Raubfischen des Ozeans. Doch auch dieser große Jäger findet mitunter seinen Meister: Vor Südafrika wurden in diesem Monat schon mehrere der Riesenhaie von Killerwalen getötet.

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Auch der mächtige Raubfisch ist vor Fressfeinden nicht sicher. Quelle: dpa

Johannesburg Der Weiße Hai hat von jeher ein grausames Image, das zum Teil auf den gleichnamigen Spielfilm von Steven Spielberg aus dem Jahr 1975 zurückgeht. Doch dieses Bild täuscht hinweg über die Verwundbarkeit des Riesenhais durch Fangnetze, Fischerei, Wilderei, Umweltverschmutzung – und offenbar auch durch den Orca, auch bekannt als Killer- oder Schwertwal.

Der Orca ist zwar auch vom Menschen bedroht, hat aber wegen seiner Intelligenz und seiner Zugänglichkeit in Aquaparks einen viel sanfteren Ruf. Dazu trug wiederum der Hollywood-Film „Free Willy“ von 1993 bei. Doch Autopsien von Haikadavern, die an der Küste Südafrikas angespült wurden, zeigen jetzt, dass Orcas die marine Nahrungskette auf Kosten des Weißen Hais dominieren.

Nach Angaben von Naturschützern wurden an den Tierkörpern Bisswunden festgestellt, die den Haien von Schwertwalen zugefügt wurden. Diese waren kürzlich vor Kapstadt gesichtet worden. Bei allen drei untersuchten Haien fehlte die Leber, was darauf hindeutet, dass die Killerwale auf das nährstoff- und fettreiche Organ aus waren und den Rest ihrer Beute verwarfen.

Alle drei Haie hatten eine große Wunde an der Unterseite: ein Zeichen für die Geschicklichkeit der Orcas, deren größte Männchen mehr als neun Meter lang und damit deutlich größer als Weiße Haie werden können. „Es ist ein klassisches Beispiel für das, wozu Orcas in der Lage sind“, sagt die Meeresbiologin Alison Towner von der Umweltstiftung Dyer Island Conservation Trust, die sich für den Schutz des gefährdeten Ökosystems vor der Südspitze Afrikas einsetzt. Towner war an den Autopsien beteiligt, die einen der seltenen Beweise für die Tötung von Weißen Haien durch Orcas in der Region lieferten.

Doch selbst wenn Orcas im Vorteil sind, dürften sie es nicht regelmäßig auf Weiße Haie abgesehen haben, so George Burgess, Direktor des Florida-Programms für Haiforschung. Kleine Haiarten dagegen könnten üblicherweise auf dem Speiseplan von Schwertwalen stehen. Studien zeigten laut Burgess, dass die raue Konsistenz von Haifleisch auf Dauer den Zahnschmelz von Orcas abschleift.

Von den nun obduzierten Haien in Südafrika wurden zwei nahe der Küstenstadt Gansbaai gefunden und ein weiterer in Struisbaai. Weiter in Richtung Kapstadt wurden nach Angaben der südafrikanischen Umweltbehörde mehrere Kammzähnerhaie ohne Leber gefunden. In dem Gebiet in der False-Bucht seien zuvor Orcas gesichtet worden.

„Killerwale sind Spitzenprädatoren“, erklärte die Behörde. „Während wir daran gewöhnt sind, Weiße Haie als Spitze der Nahrungskette in unseren Gewässern zu sehen, sind Orcas viel spezialisiertere Jäger und sehen fast alles im Ozean als potenzielle Beute an.“ Die Säuger lebten in hochentwickelten sozialen Gruppen und verfügten über ein großes Gehirn, die Fähigkeit zu lernen und mit Hilfe von Schallwellen Objekte zu lokalisieren.


Eine schwierige Beute

Nach Angaben des Meeresforschers Boris Worum von der Dalhousie-Universität im kanadischen Neuschottland sind Orcas dafür bekannt, ähnlich wie Menschen eigene Kulturen zu haben. „Und unterschiedliche Orca-Kulturen spezialisieren sich auf verschiedene Beutetiere und verschiedene Jagdstrategien“, sagte der Wissenschaftler.

„Orcas in der Nähe von Küsten sind selten und sehr mobil, deswegen ist es gut vorstellbar, dass sie in einem Gebiet auftauchen, wo sie vorher noch nie gesehen wurden, und in dieser Region Haie jagen“, schrieb Worm in einer E-Mail an die Nachrichtenagentur AP. „Natürlich ist ein Weißer Hai aufgrund seiner Kraft und Größe eine schwierige Beute, aber Orcas nutzen (wiederum wie der Mensch) als Gruppe eine gemeinsame Jagdstrategie, mit der sie fast jedes Beutetier überlisten können.“

Angriffe von Orcas auf Kammzähnerhaie wurden in der Vergangenheit bereits vor Kapstadt, Neuseeland und Südamerika beobachtet. In der Nähe der kalifornischen Farallon-Inseln und der Neptune-Inseln vor Australien wurden Schwertwale außerdem bei Attacken auf Weiße Haie gefilmt.

Zeitgleich mit dem Auftauchen der drei toten Haie berichteten südafrikanische Tauchunternehmen über einen Rückgang an Sichtungen von Weißen Haien. Das gilt als mögliches Zeichen dafür, dass wegen der Orcas auch weitere Haie zumindest zeitweise das Gebiet verlassen haben. Über die Größe der Population Weißer Haie in Südafrika sind sich Forscher uneins. Hier seien weitere Untersuchungen nötig, erklärten sie.

Die Wissenschaftler betonen aber zugleich, dass nach wie vor der Mensch eine viel größere Gefahr für den Weißen Hai darstelle als der Schwertwal. „Als Haibiologen erkennen wir es an, dass Haie manchmal von Raubfischen gefressen werden, genauso wie sie selbst Dinge fressen“, sagte der Experte Burgess. „Das ist alles Teil des Gebens und Nehmens der natürlichen Welt.“

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