Nach BUND-Studie Penaten will auf hormonell wirksame Substanzen verzichten

Duschgel, Cremes, Zahnpasta. Jedes dritte Pflegeprodukt enthält hormonell wirkende Substanzen. Nun reagieren erste Hersteller auf die Sorgen von Verbrauchern vor gesundheitlichen Konsequenzen.

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Die Penaten Creme hilft seit über 100 Jahren gegen wunde Babypopos. Quelle: obs

Der Konsumgüterhersteller Johnson&Johnson, der unter anderem Penatenprodukte vertreibt, hat angekündigt, bis Mitte 2014 auf hormonell wirksame Parabene in Babyprodukten verzichten zu wollen. Der Pharmakonzern war zuvor unter Druck geraten, weil die Penaten Baby Wundschutzcreme Propylparaben enthält - ein hormonell wirksamer Stoff, der in Tierversuchen zu einer verminderten Spermienqualität geführt hat. Das Konservierungsmittel ist deshalb in Dänemark für Babyprodukte bereits verboten.

Der BUND hatte im Rahmen einer Studie auf die Gefahren von hormonell wirkenden Chemikalien hingewiesen. Dabei bezieht sich die Kritik aber nicht nur auf Babycreme. Deos, Duschgels, Shampoos – unterschiedlichste Produkte diverser großer Konzerne schnitten in der Studie schlecht ab. Jedes dritte der insgesamt 60.000 getesteten Produkte auf dem deutschsprachigen Markt wies danach hormonell wirkende Stoffe auf. Die Stoffe übernehmen im Körper die Aufgabe von echten Hormonen und bringen so den Körper durcheinander und können ihm sogar massiv schaden. In der Folge konnten vermehrt Schilddrüsenerkrankungen, Unfruchtbarkeit, Zeugungsunfähigkeit, Gebärmutterhals- und Brustkrebs festgestellt werden.

Zwar sind die Hersteller dazu verpflichtet, die einzelnen Substanzen ihrer Produkte auf der Verpackung auszuweisen. Doch für Verbraucher ist meist nicht zu verstehen, was in den Produkten steckt und wie gefährlich die einzelnen Substanzen in ihrer Summe und vor allem in Kombination mit anderen Pflegeprodukten wirken, die ebenfalls derartige Stoffe beinhalten.  

Hormonell wirksame Chemikalien in Kosmetika (jeweils mit ihrer INCI-Bezeichnung)

„Die Grenzwerte werden in den einzelnen Kosmetikprodukten, Arzneimitteln und Lebensmitteln von den Herstellern meist nicht überschritten, sofern die Produktion in Ländern mit entsprechender Kontrolle stattfindet“, erklärt Klaus-Peter Liesenkoetter, Hormon-Experte aus Berlin. Doch wer täglich mehrere Produkte mit hormonellen Wirkstoffen nebeneinander konsumiert, überschreitet die Grenzwerte schnell. Besonders dramatisch: Die gleichzeitige Wirkung verschiedener Stoffe addiert sich nicht nur. „Es kann zu einer exponentiellen Verstärkung der Effekte kommen“, sagt Liesenkoetter.

Daher fordern Mediziner und Forscher, dass auf hormonell wirkende Chemikalien in Kosmetika komplett verzichtet werden sollte. So wie es nun Johnson & Johnson macht. Das Unternehmen jedoch wies darauf hin, dass nicht der BUND Auslöser für den Kurswechsel gewesen sei. Der Konzern plane bereits seit 2012 eine weltweite Umstellung aller Kosmetik-Produkte des Unternehmens, die noch sogenannte Parabene enthalten.

Beiersdorf weist Vorwürfe zurück

Anteil der hormonell belasteten Produkte der größten Hersteller
Beiersdorf46 Prozent der Produkte sind mit hormonell wirkenden Substanzen versehen. bekannteste Marken: Nivea, 8x4 Quelle: dpa
Procter & Gamble46 Prozent der Produkte sind mit hormonell wirkenden Substanzen versehen. Bekannteste Marken: Wella, Head & Shoulders Quelle: AP
L'Oréal45 Prozent der Produkte sind mit hormonell wirkenden Substanzen versehen. Bekannteste Marken: Garnier, L'Oréal Men Expert Quelle: REUTERS
Cosnova44 Prozent der Produkte sind mit hormonell wirkenden Substanzen versehen. Bekannteste Marken: Essence, Catrice Quelle: Presse
Coty39 Prozent der Produkte sind mit hormonell wirkenden Substanzen versehen. Bekannteste Marken: Lancaster, Manhattan Quelle: dpa
Henkel30 Prozent der Produkte sind mit hormonell wirkenden Substanzen versehen. Bekannteste Marken: Schwarzkopf, Syoss Quelle: dpa
Rossmann27 Prozent der Produkte sind mit hormonell wirkenden Substanzen versehen. Bekannteste Marken: Alterra, Isana Quelle: dapd

Ganz anders sieht das der BUND Chemie-Experte Jurek Vengels. „Tausende Protestmails wütender Verbraucher haben Wirkung gezeigt“, sagt er. „Kein Unternehmen kann es sich heute leisten, Chemikalien einzusetzen, die die Gesundheit gefährden können. Wir fordern Johnson & Johnson auf, seine Ankündigung schnellstmöglich umzusetzen, und zwar nicht nur für Babyprodukte, sondern für alle Produkte.“

Auch den deutschen Marktführer Beiersdorf mit seiner Kernmarke Nivea hat der BUND im Auge. „Fast jedes zweite Produkt von Beiersdorf enthält hormonähnliche Chemikalien, die mit Hoden- und Brustkrebs oder einer verfrühten Pubertät in Verbindung gebracht werden“, sagt Vengels. Viele Nivea-Produkte schnitten in Punkto vorsorglichem Gesundheitsschutz schlecht ab. „Wir fordern Beiersdorf auf, hormonell wirksame Stoffe aus seiner gesamten Produktpalette zu verbannen“, sagte Vengels.

Seitens des Hamburger Pharmakonzerns werden die Vorwürfe zurückgewiesen. „Die Warnungen des BUND sind unbegründet“, sagt eine Sprecherin der Beiersdorf AG. Die kritisierten Inhaltsstoffe seien ausnahmslos zugelassene, von unabhängigen Institutionen bewertete und für sicher befundene Rohstoffe. „Sie kommen in so geringen Mengen mit dem Körper in Kontakt, dass eine relevante hormonähnliche Aktivität, auch unter Berücksichtigung einer häufigen Verwendung mehrerer Kosmetikprodukte, nicht erfolgen kann.“

Außerdem seien in der Nivea Baby Linie bereits jetzt keine der von BUND kritisierten Stoffe. Entsprechend bewertet das Unternehmen die BUND-Aussage, Beiersdorf müsse nachziehen, als irreführend.

Die kritisierten Parabene werden vor allem zur Konservierung der Kosmetik-Produkte eingesetzt. Laut Beiersdorf gibt es zwar Konservierungsstoffe, die alternativ eingesetzt werden können. Diese werden zum Teil auch schon in Produkten des Unternehmens verwendet, „um den Verbrauchern eine Entscheidungsmöglichkeit zu geben.“

Allerdings stünden diese ihrerseits ebenfalls in der Kritik nicht immer verträglich zu sein. „Die Wahl eines Konservierungsstoffs ist daher nicht einfach“, so die Sprecherin. Parabene gehören laut Beiersdorf zu den am besten erforschten und unproblematischsten (verträglichsten) Konservierungsstoffen und werden daher häufig eingesetzt.

App soll helfen

Um für mehr Transparenz zu sorgen, hat der BUND die iPhone-App ToxFox auf den Markt gebracht. Über sie lässt sich der Barcode eines Produktes einscannen. Die App zeigt dann an, ob hormonell wirkende Stoffe in den Produkten enthalten sind oder nicht. Wie groß die Sorge der Verbraucher ist, zeigen die Downloadzahlen der Anwendung. Über 125.000 Mal wurde sie bisher heruntergeladen, und über drei Millionen Kosmetikprodukte haben Nutzer bisher eingescannt (Stand 11. August 2013). 

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