Reisen in Schallgeschwindigkeit Das Wettrennen um den Hyperloop

Außerhalb von München betreibt das Studentenkollektiv TUM Hyperloop eine 24 Meter lange Röhre, in der die Passagierkabine Anfahren übt. Quelle: PR

Das Team der TU München galt als Vorreiter bei Hyperloop-Systemen. Doch die Konkurrenz holt auf: In den Niederlanden wurde eine neue Teststrecke eingeweiht, und erst kürzlich knackte ein chinesisches Team den Weltrekord.

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Im niederländischen Dorf Veendam, 25 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt, gibt es eine neue Hyperloop-Teststrecke. Seit dem 27. März können Kapseln in Höchstgeschwindigkeit durch einen 420 Meter langen Tunnel befördert werden. Betreiber ist das European Hyperloop Center, ein Forschungszentrum aus dem benachbarten Groningen. Das European Hyperloop Center ist Teil eines von der EU geförderten Netzwerks, das seine Teststrecke Partnern zur Verfügung stellt.

Einer dieser Partner ist Hardt Hyperloop, ein 2016 gegründetes Spin-off der Universität Delft. Das Team hat maßgeblich an dem Tunnelsystem mitgewirkt und will künftig seine eigens entwickelten Fahrzeugkabinen durch die Röhre schicken. Die Probestrecke in den Niederlanden verfügt erstmals über eine Abzweigung, so wie die Routenführung auch im realen Leben laufen würde – die 420 Meter nehmen also eine Y-Form an.

Die grundsätzliche Idee des Hyperloop-Systems stammt von Tesla-Chef Elon Musk, der sein Konzept 2012 vorstellte und drei Jahre später dann einen weltweiten Wettbewerb startete. Kapseln sollen in Schallgeschwindigkeit durch Röhren fahren und Personen transportieren – eine Alternative zu herkömmlichen Transportmitteln. Die sogenannten Pods, also die Kabinen, bewegen sich in einem fast luftleeren Raum auf Magnetfeldern. Der Ansatz von Musk war es, die 570 Kilometer von San Francisco nach Los Angeles in 35 Minuten zu schaffen.

von Karin Finkenzeller, Matthias Hohensee, Theresa Rauffmann

Seit knapp zehn Jahren forschen mehrere Projekte nun am Hyperloop. In Las Vegas wurde Ende 2020 eine Strecke über 500 Meter eröffnet, die erstmals Personen beförderte. Damals ein Coup, heute parken auf dem Gelände Mitarbeiter von Musks Weltraumfirma Space X. Die Firma hinter dem Vorhaben, Virgin Hyperloop One von Milliardär Richard Branson, gab vor drei Monaten schließlich auf. Ein chinesisches Projekt schaffte es Anfang dieses Jahres, seinen Schallgeschwindigkeitszug bei einer Länge von zwei Kilometern auf weit über 600 km/h zu beschleunigen. Wie schnell die Schwebebahn war, hat das staatliche Unternehmen Third Academy of China Aerospace Science and Industry Corporation nicht kommuniziert. Den Weltrekord von 623 km/h habe man aber überschritten, heißt es.

Bayern buttert Millionen in die Hyperloop-Forschung

Ganz vorn dabei im Wettkampf um die Vakuum-Schwebebahn ist ein Team der Technischen Universität München. Mehrere Jahre in Folge stellten die Studenten Rekordgeschwindigkeit in Musks Wettbewerb auf. Seit 2020 arbeiten die wissenschaftlichen Mitarbeiter in Vollzeit an TUM Hyperloop. Im vorigen Sommer wurde eine eigene Teststrecke eingeweiht, die erstmals in Europa Personen im Schwebezustand befördert. Etwa 3,5 Millionen hat den Freistaat Bayern, den Finanzier des Forschungsprojekts, dieser Bau gekostet. Ministerpräsident Markus Söder ließ sich bei der Eröffnungsfeier im Innenraum der Kapsel fotografieren.

Die Röhre im Münchner Vorort Ottobrunn misst nur 24 Meter, kann also höchstens das Anfahren in Schrittgeschwindigkeit üben. Bei Tests in längeren Anlagen erreichte das Münchner Pod-System zuletzt immerhin 482 Kilometer pro Stunde. Solche Höchstgeschwindigkeiten schaffen die Hersteller meist nur mit Miniaturkapseln, kaum schwerer als 80 Kilogramm. Große Kabinen, die Platz für mehrere Passagiere bieten, sind weitaus langsamer in dem Magnetfeld unterwegs.

Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume (links) und Ministerpräsident Markus Söder testeten die Hyperloop-Kabine im Juli 2023. Quelle: PR

Schnell sein oder Menschen befördern? „Langfristig müssen die Technologien beides können. Die Frage ist, womit fängt man an“, sagt Gabriele Semino, Projektleiter der Münchner Forschungseinheit. „Unser Ansatz ist nicht, auf Geschwindigkeit zu optimieren, sondern Passagiere in Realgröße befördern zu können.“ Semino ist so etwas wie der Teamkapitän der deutschen Hyperloop-Einheit.

Das Team in den Niederlanden verfolge eine andere Methode, erklärt Semino. Die Röhre sei im Durchmesser schmaler, könne also keine Personen befördern. Die Kapseln würden dort beispielsweise von der Decke herab schweben, die bayerische Technik lässt die Kabine von unten schweben. Auch in Spanien und der Schweiz seien gerade Teststrecken in Bau. All diese lokalen Netzwerke forschen auf ihre eigene Art und Weise – stehen letztlich aber auch in Konkurrenz zueinander. Die große Frage ist: Wer gewinnt das Rennen?

TUM Hyperloop sieht sich in diesem Wettbewerb außen vor, weil es kein privat finanziertes Unternehmen, sondern ein mit staatlichen Mitteln gefördertes Forschungsprojekt ist. „Das Ziel sollte es schon sein, die Ergebnisse aus der Wissenschaft in die Wirtschaft zu bringen, die Universität kann schließlich nicht jahrelang Teststrecken bauen“, sagt der Projektleiter. Wann das passieren wird, das sei noch unklar. Der nächste Schritt steht aber schon fest: ein neues Tunnelsystem über einen Kilometer Länge.

„Wir fahren selten Passagiere“

Laut Semino steckt das Team noch in der Bauplanung. In drei bis vier Jahren könnte die Anlage in Betrieb gehen. Da das Land Bayern das Vorhaben vermutlich weiter finanziert, soll der Standort auch im Freistaat bleiben – idealerweise im Raum München. Zu den Kosten macht der Hyperloop-Forscher keine Angaben. Rechnet man die Ausgaben für die 24-Meter-Röhre hoch, wären es theoretisch rund 146 Millionen Euro.

Bis es so weit ist, testet das Team der TU München weiter an seiner Kurzstrecke. Seit der Eröffnung im Sommer seien Prozesse, Software und Rhythmen verbessert worden, so Semino. Die Kapsel ruckle beim Schweben heute beispielsweise weniger als noch vor acht Monaten. „Wir fahren allerdings relativ selten Passagiere“, sagt der Leiter. Ob eine Person in der Kabine sitze oder nicht, mache für die Tests keinen Unterschied. Der Forscher betont zudem, dass die Kabine – trotz Prüfsiegel vom TÜV Süd – nach wie vor nur ein Prototyp sei.

Die Kritik am Hyperloop ist groß. Nicht nur verschlingen Forschung und Produktion Milliarden an Euro, in der Realität sind die Bahnen als alternatives Verkehrsmittel also kaum umsetzbar. Auch kann die Sicherheit der Passagiere kaum gewährleistet werden, da sich die im Vakuum befindliche Kapsel schwer evakuieren lässt. Die vielen Unternehmen lassen sich davon aber nicht abschrecken.

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„Ich rechne damit, dass es bis 2030 die erste Hyperloop-Strecke geben wird, vielleicht fünf Kilometer, auf der tatsächlich Passagiere befördert werden“, sagt etwa Sascha Lamme, Direktor des European Hyperloop Center. Das glaubt auch TUM-Hyperloop-Leiter Semino: „Anfang der 2030er wird es die ersten Routen über wenige Kilometer geben.“

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