Zähmung der Maschinen So sollen Roboter sicherer werden

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Wuchtige Roboter müssen in Käfigen bleiben

Klar ist: Die wuchtigen Roboter, die in rasendem Tempo schwere Lasten hieven oder Stahlplatten schweißen, dürfen auch künftig nicht ihre Schutzkäfige verlassen. Daher fügen sie dem Menschen auch höchst selten Schaden zu. Gerade einmal 525 Zwischenfälle registrierten die Berufsgenossenschaften in den fünf Jahren von 2009 bis 2013. Nur einer endete tödlich. Und das, obwohl in deutschen Fabriken immer mehr Roboter zupacken. Zuletzt mehr als 168.000.

Die gute Bilanz hat das Misstrauen der Menschen gegenüber den Robotern aber nicht ausräumen können, beobachtet DLR-Professor Albu-Schäffer. Sie schrecken nicht gleich vor der Kreissäge oder Stanze zurück, nur weil man sich dort verletzen könnte. Auch Auto fährt jeder bedenkenlos, obwohl im Verkehr jährlich mehr Menschen sterben als durch Roboter. Aber sobald ein solcher dem Menschen etwas antut, und sei es noch so harmlos, entsteht schnell Panik. Laut Norbert Elkmann, Forscher am Magdeburger Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF, gehen Hersteller, Wissenschaftler und Normungsgremien auf Nummer sicher. „Niemand will einen Unfall riskieren. Das gäbe sofort einen riesigen öffentlichen Aufschrei.“

Vermutlich haben Visionen mancher Forscher, Literaten und Filmemacher unsere Empfindlichkeit verstärkt, wenn nicht geprägt: Intelligente Roboter nehmen uns zuerst die Arbeit weg, am Ende unterjochen sie die Menschheit. Da gilt schon der kleinste Kratzer, den die Kreaturen uns zufügen, als Majestätsbeleidigung.

Roboter sind nicht aufzuhalten

Doch Bange machen hilft nicht. Der Siegeszug der Blechkollegen ist nicht aufzuhalten – zu groß sind ihre Vorzüge. Der wichtigste: Sie sind unschlagbar billig. Für drei bis sechs Euro pro Stunde packen sie am Montageband zu, hat VW-Personalvorstand Horst Neumann ausgerechnet. Ein deutscher Volkswagen-Mitarbeiter kostet in der gleichen Zeit mehr als 40 Euro. Bei solchen Differenzen ist es kein Wunder, dass VW, Daimler, BMW und Co. erproben, ob die maschinellen Arbeitstiere auch außerhalb ihrer Käfige sicher mit ihren menschlichen Pendants zusammenarbeiten können.

Die wichtigsten ferngesteuerten Waffen
MQ-9-Reaper-Drohne Quelle: dpa
Minidrohne Prox Dynamics PH-100 Black Hornet Quelle: PR
Unbemannter Panzer Ripsaw Quelle: U.S. Army Public Domain
Tauchroboter "Ghost Swimmer" Quelle: U.S. Navy

Einen der am schnellsten wachsenden Märkte für diese kooperierenden Maschinen sieht Steven Wyatt, Robotik-Marketingchef des Schweizer Technologiekonzerns ABB, in der Elektronikindustrie. Wyatt ist sich sicher, dass in den Riesenfabriken Chinas bald Mensch und Maschine Hand in Hand Smartphones zusammensetzen und elektrische Schalter montieren. Vor Kurzem haben die Eidgenossen den dafür speziell konzipierten YuMi vorgestellt, eine Wortschöpfung aus dem englischen You und Me.

Damit er sich reibungslos in die gewohnten Arbeitsabläufe einfügt, hat er ähnlich lange Arme wie die Werker. Sanfte Berührungen seiner runden, gepolsterten Oberfläche ignoriert er, sonst geriete er zu oft aus dem Takt. Spürt YuMi hingegen einen stärkeren Widerstand, stellt er sofort die Arbeit ein.

Da er zudem mit 35 Kilo ein Leichtgewicht ist und sich nicht schneller als seine menschlichen Mitmonteure bewegt, hält Wyatt ernsthafte Verletzungen für praktisch ausgeschlossen.

Hilfe, ein Roboter klaut meinen Job!

Wegen der lohnenden Geschäftsaussichten haben auch der japanische Weltmarktführer Fanuc, Bosch in Stuttgart, Kuka in Augsburg und das dänische Unternehmen Universal Robots schon derartige Co-Arbeiter vorgestellt. Zu Stückpreisen von 25.000 bis 100.000 Euro. Mitte Mai kündigte das US-Unternehmen Teradyne an, die Dänen zu kaufen. Die Amerikaner stellen Testsysteme für die Halbleiterindustrie her. Das Rennen um den Zukunftsmarkt ist eröffnet.

Mit der Freilassung aus ihren Käfigen stellen sich die Fragen eines gefahrlosen Teamworks von Mensch und Maschine neu. Gibt es tolerable Berührungen, und umgekehrt, wann führen sie zu Verletzungen? Als sie sich anfangs umschauten, fanden Hersteller, Arbeitsschützer, Forscher und Mediziner kaum Daten. Weil es das Problem nicht gab, hatte es schlicht niemand untersucht.

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