Alltag Wie sauber ist unser Trinkwasser wirklich?

Nach einem Interview über die Qualität von Trinkwasser haben wir Dutzende Zuschriften mit Fragen erhalten. Hier sind die wichtigsten Antworten.

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Die meisten Menschen halten ihr Trinkwasser für sauber. Genauer gesagt, sind es laut einer Studie (PDF) sogar neun von zehn Verbrauchern, die das glauben. In einem Interview mit WiWo Green behauptet der Geschäftsführer des bayerischen Wasserfilterherstellers Seccua, Michael Hank, nun aber, dass in "unserem Trinkwasser unentdeckte Risiken stecken."

Auf das Interview bekamen wir in den vergangenen Stunden unzählige Zuschriften und Kommentare auf Facebook. Viele merkten an: Die Kritik von Herrn Hank sei kein Wunder, schließlich verkaufe er Wasserfilter.

Wie also steht es um die Qualität unseres Trinkwassers wirklich? Wir haben Studien und Expertenmeinungen zusammengetragen:

1. Das sagt die PolitikZeit-Online berichtet im Januar 2012 über eine Studie des Bundesgesundheitsministeriums und des Umweltbundesamtes (UBA) zur Trinkwasserqualität. Dort heißt es: "Das Wasser, das in deutschen Haushalten aus der Leitung kommt, erfüllt zu 99 Prozent die gesetzlichen Auflagen. Nur in seltenen Ausnahmefällen würden Grenzwerte für die Belastung mit Keimen und anderen Stoffen überschritten."

2. Versuch des TÜV RheinlandIm August 2011 haben der TÜV Rheinland und das ARD-Magazin "Plusminus" auf öffentlichen Toiletten in zehn Großstädten Trinkwasser aus dem Wasserhahn getestet. Das Ergebnis laut Spiegel-Online: "Einige der insgesamt 50 Proben wiesen demnach coliforme Bakterien auf, die Durchfall und Erbrechen verursachen können. Legionellen, die zu lebensgefährlichen Lungenerkrankungen führen können, habe man viermal gefunden. Auf Krankenhauskeime, sogenannte Pseudomonaden, die zu entzündlichen Reaktionen im Körper führen können, stießen die Tester zweimal."

Das Problem: Wissenschaftlichen Ansprüchen konnte der Test nicht genügen, da die Waschbecken nicht desinfiziert wurden. Die fraglichen Erreger hätten demnach auch einfach in Wasserhahnnähe und nicht im Wasser sein können.

3. Wie radioaktiv ist unser Trinkwasser?Selbst auf diese Frage gibt es eine Antwort: Das Ergebnis einer ausführlichen Untersuchung des Bundesamtes für Strahlenschutz hat im Jahr 2009 gezeigt, "dass das Trinkwasser in Deutschland nur geringfügig zur gesamten mittleren jährlichen Strahlenexposition aus natürlichen Quellen beiträgt."

4. Wird unser Wasser durch Bleirohre belastet?Ja, das kann vorkommen. Der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches warnt: "Gesundheitlich bedeutend ist vor allem die schleichende Belastung durch regelmäßige Aufnahme kleiner Bleimengen, die man nicht merkt. Sie beeinträchtigt die Blutbildung und Intelligenzentwicklung bei Ungeborenen, Säuglingen und Kleinkindern. Besonders empfindlich auf Blei reagiert das sich entwickelnde kindliche Nervensystem."

Die Frage nun: Wo gibt es überall noch Bleileitungen? In sehr vielen Wohnhäusern in Nord- und Ostdeutschland, die vor 1973 gebaut wurden. Ab Dezember 2013 wird der erlaubte Bleiwert im Trinkwasser aber auf fast Null abgesenkt. Die Folge: Viele Immobilienbesitzer müssen nun die Rohre modernisieren - oder die Bewohner dürfen das Wasser nicht mehr trinken.

Ein ähnliches Problem besteht auch bei neueren Kupferrohren - ihre Rückstände können für Kleinkinder gefährlich sein. Die Verbraucherzentrale NRW empfiehlt deshalb, Wasser aus dem Hahn bis zu drei Minuten ablaufen zu lassen.

5. Werden alle gefährlichen Bestandteile im Trinkwasser erfasst?In einer Fachzeitschrift des Wasserforschungsinstitutes der ETH-Zürich (Eawag) heißt es dazu: "Die Eawag konnte (mit neuen Verfahren) nachweisen, dass im Trinkwasser weit mehr Bakterien vorhanden sind, als mit konventionellen Methoden bestimmt werden. Nun muss die Tragweite dieser Befunde für die Wasserqualität im Detail erforscht werden." Bedeutet: Nicht jede Verunreinigung lässt sich mit den herkömmlichen Methoden nachweisen.

Dass die aktuellen Messmethoden unzureichend sind, glaubt Werner Kloas, Abteilungsleiter Ökophysiologie und Aquakultur am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, nicht. Er sagt: „Spuren kann man immer von allem irgendwo finden. Die Analytik hat sich in den letzten Jahrzehnten extrem gesteigert. Sollten irgendwo Grenzwerte überschritten werden, gehen direkt überall die Alarmglocken an, sodass wir als Nutzer uns keine Sorgen machen müssen, dass wir verseuchtes Wasser trinken.“

6. Kommt das Wasser aus dem Klärwerk sauber beim Kunden an?Wie groß die Probleme mit schlechtem Trinkwasser tatsächlich sind, könnten nur flächendeckende Untersuchungen in den Haushalten ergeben. Zwar ist das Wasser, das aus den Kläranlagen kommt und in später in mehreren Schritten zu Trinkwasser aufbereitet wird, sauber - aber glaubt man Mikrobiologen der Technischen Universität Berlin könnten sich im Trinkwasser gerade auf den letzten Metern noch viele Bakterien einschleichen. Denn wenn Wasser lange in Leitungen steht, bilden sich sogenannte Biofilme.

So können sich unter "ungünstigen Umweltbedingungen auch hygienisch relevante Mikroorganismen einnisten und persistieren", schreiben die Forscher. Wie viele Haushalte davon betroffen sein könnten, sagen die Wissenschaftler allerdings nicht.

7. Müssen wir Wasser aus dem Hahn zusätzlich reinigen?Dazu sagt Mathias Ernst, Leiter des Instituts für Wasserressourcen und Wasserversorgung an der TU Hamburg-Harburg gegenüber WiWo Green: „Die weitere Aufbereitung von Trinkwasser am Zapfhahn ist in Deutschland generell nicht notwendig. Es werden zwar immer mal wieder Stoffe im Wasser nachgewiesen, die dort nicht hingehören, jedoch dann in extrem geringen und unbedenklichen Konzentrationen.“

Dennoch sein Tipp an die Verbraucher: "Nachdem man im Urlaub war oder am Morgen sollte man das Wasser kurz laufen lassen bis es kalt ist. Dann sollten jegliche Problemsubstanzen, wenn vorhanden, weggespült sein.“

8. Ist Mineralwasser besser als Leitungswasser?Im Jahr 2011 unterzog die Stiftung Warentest Mineralwässer aus dem Supermarkt einem Test. Ihr Urteil: Alles unbedenklich. Ob man Leitungswasser oder Wasser aus der Flasche trinkt, ist deshalb eine Frage des Geschmacks.

9. FazitHält die Kritik von Michael Hank also der kritischen Überprüfung stand? Spricht man mit Experten und schaut sich die relevanten Studien an, kann der allergrößte Teil der Verbraucher sein Leitungswasser bedenkenlos trinken. Das Problem: Ob sich wirklich Blei, Kupferrückstände oder eventuell gefährliche Bakterien im Wasser befinden, kann endgültig nur ein Labor-Test nachweisen. Die Verbraucherzentralen empfehlen auf Nachfrage seriöse Labore.

Nachtrag: Frage 6 ist ergänzt worden. Trinkwasser kommt natürlich nicht direkt aus dem Klärwerk, sondern jegliches Wasser wird, bevor es zu Trinkwasser wird, nocheinmal speziell aufbereitet.

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