Erschöpfte Erde Die Grenzen des Wachstums sind überschritten

Eine Studie zeigt: Vor allem bei der Produktion von Nahrungsmitteln ist kaum noch Luft nach oben.

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Dass die Ressourcen auf der Erde begrenzt sind, wurde von einer breiten Öffentlichkeit erstmals mit dem aufrüttelnden Bericht des Club of Rome im Jahr 1972 wahrgenommen. Damals erschien im Auftrag des Expertengremiums "Die Grenzen des Wachstums", eine erste Studie darüber, wie die Menschheit die Umwelt überfordert.

Seitdem ist die Diskussion um die Endlichkeit von Rohstoffen und die fatalen Folgen der Umweltzerstörung nicht mehr abgeebbt – ganz im Gegenteil: Im Angesicht des Klimawandels und der stetig wachsenden Nachfrage nach Rohstoffen ist der Einfluss der Menschen auf die Erde aktueller denn je.

Nicht Kohle, Erdöl und Erdgas werden knapp, sondern ...Wenn es um die Endlichkeit von Ressourcen geht, dann ist meist vom Erdöl die Rede; Peak-Oil ist seit Jahren unter Experten heiß diskutiert. Nun hat sich ein Forscherteam um den Agrarökologen Ralf Seppelt vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig genauer angesehen, wie es um die Verfügbarkeit der wichtigsten Ressourcen auf der Erde steht (hier der Link zur Studie).

Neben den Klassikern Kohle, Erdöl und Erdgas untersuchten die Forscher vor allem erneuerbare Ressourcen. Mit dabei: die Milch- und Fleischproduktion, der Fischfang, die Ernten bei Getreide und Gemüse, das Grundwasser. Hinzu kamen in der Betrachtung unter anderem die Entwicklung der Fläche an Ackerland, der Einsatz von Dünger, die Siedlungsdichte, das Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum. Insgesamt betrachteten die Forscher die Daten von 27 Ressourcen, die zentral für das Überleben unserer Gesellschaften sind.

Das Ergebnis der Berechnungen, in die Zahlen aus zahlreichen internationalen und nationalen Datenbanken einflossen: 21 der betrachteten Ressourcen haben ihren Peak schon überschritten. Überraschend ist, dass dieser nicht bei den fossilen Energieträgern eingetreten ist, sondern vor allem bei Ressourcen, die mit der Produktion von Nahrungsmitteln zu tun haben und die eigentlich als Erneuerbar gelten.

Peak bedeutet in diesem Fall nicht unbedingt, dass zum Beispiel die Fläche an Ackerland abnimmt, sondern dass neue Flächen nicht mehr in der Größe und Geschwindigkeit erschlossen werden wie früher. Sprich: Wachstum gibt es durchaus noch, allerdings ist es gebremst und schwächer als früher. Manchmal herrscht auch Stagnation, wie bei den Anbauflächen für Weizen oder Reis.

Häufung von PeaksBeinahe unheimlich ist, dass bis auf die Fläche von Ackerland (die schon 1950 ihren Wachstumshorizont erreichte) alle Peaks mit großer Wahrscheinlichkeit um das Jahr 2006 herum aufgetreten sind. Die Grenzen des Wachstums haben aber keineswegs nur die Entwicklungsländer überschritten.

Auch in Großbritannien zum Beispiel nehme der Ertrag in der Landwirftschaft pro Hektar ab, weil die Böden durch Jahrhunderte immer intensiverer Landwirtschaft ausgelaugt seien, wie Stefan Klotz erklärt, einer der Co-Autoren.

Der Auslöser für die Berechnungen von Seppelt und seinem Team war das Buch des bekannten US-Umweltforschers Lester Brown "Full planet, empty plates" (Voller Planet, leere Teller). Darin beschreibt Brown, wie Ackerflächen und sauberes Wasser weltweit knapper werden und was das für Geopolitik künftig bedeuten kann.

Droht uns Peak-Alles?Was ist nun von den Ergebnissen der Leipziger Forscher zu halten? Eine Erklärung für die berechneten Peaks könnte sein, dass sich auch das Bevölkerungswachstum global abgeschwächt hat, wie die Leipziger Forscher zeigen. Allerdings, entgegnen die Autoren: Das Wirtschaftswachstum und der steigende Konsum in Schwellenländern führe dazu, dass trotz eines geringeren Bevölkerungswachstums die Nachfrage nach Lebensmitteln, Energie und Ressourcen unvermindert steige.

Und wie erklärt sich, das viele Peaks – besonders in der Nahrungsmittelproduktion – wahrscheinlich um das Jahr 2006 herum auftraten? Eine mögliche Erklärung: Zwar ist theoretisch jede Ressource ersetzbar. Wenn das Öl zu Ende geht, könnten Autos zum Beispiel auch mit Erdgas fahren, fehlt der Stahl, kann man Autos auch aus Carbon bauen. In der Biologie stimme das aber nicht, entgegnen die Leipziger. Man könne die Gesamtmenge an Getreide nicht durch Reis ersetzen. So erschöpften sich biologische Ressourcen in einem ähnlichen Tempo.

Eine weitere Frage, die die Berechnungen der Leipziger Forscher aufwerfen: Wenn doch die Anzahl der Menschen und die Nachfrage nach Lebensmitteln schneller wachsen als Ernten, Fischfänge und Ackerfläche, warum gibt es heute weniger Hunger auf der Welt als vor zwanzig Jahren?

Die Antwort der Leipziger: Weil die Menschheit mit den Ressourcen, die sie gewinnt, effizienter umgeht. So gingen heute weniger Nahrungsmittel schon vor dem Konsum verloren.

Aufgeschoben ist nicht aufgehobenDas, sagt Klotz, sei auch eine der Hoffnungen für die Zukunft: Zwar seien die Möglichkeiten für weiteres Wachstum begrenzt. Wenn aber zum Beispiel die Verschwendung von Lebensmitteln reduziert werde, könnte die am Ende auf den Tellern verfügbare Menge an Lebensmitteln noch stark steigen. Rund ein Drittel der Nahrungsmittel gehen heute zwischen Feld und Verkauf verloren oder landen bei den Verbrauchern im Müll.

Ganz neu ist die Idee eines "Peak-Everything" nicht. Schon im Jahr 2010 fragte Andrew Revkin, Umweltjournalist bei der New York Times: "Which comes first - peak everything or peak us?" ("Was kommt zuerst: Peak-Alles oder Peak-Wir?"). Dabei ging es um die Frage, ob der Ressourcenverbrauch der Menschheit und damit die Umweltzerstörung erst aufhören zu wachsen, wenn die Weltbevölkerung stagniert.

Die zentrale Aussage der Studie sei, sagen die Leipziger Autoren, dass "es objektive biologische Grenzen" gebe, die den Ressourcenverbrauch begrenzen. Wenn eine Ressource erneuerbar sei, bedeute das noch lange nicht, dass sie unerschöpflich sei.

Zwar könne die Menschheit das Wachstum durch neue Technologien wieder beschleunigen oder neue Ressourcen verfügbar machen, räumt Klotz ein. So zum Beispiel durch neu gezüchtete Getreidesorten, die signifikant höhere Ernten ermöglichen; ähnlich wie neue Technologien immer neue Ölvorkommen erschließen. Die gigantischen Schieferöl-Reservoire in den USA zum Beispiel waren vor zehn Jahren technologisch schlicht unzugänglich.

Dieses Szenario ist nicht einmal unwahrscheinlich. Aber wie die Erdölförderung zeigt, kommen diese Technologien meist mit einem hohen Preis: ökonomisch und ökologisch. Den Peak selbst machen die neuen Technologien aber nicht obsolet – aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

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