Umstrittene Inhaltsstoffe Gefährliche Winzlinge - App zeigt Nanopartikel in Produkten an

Nanopartikel sind in vielen Dingen des täglichen Lebens enthalten, doch ersten Studien zufolge könnten sie schädlich für den menschlichen Körper sein. Mit Hilfe einer neuen App können Verbraucher nun Ware mit Nanoteilchen auf einen Blick erkennen.

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Viele Kosmetika enthalten Nanopartikel. Auch in Nagellacken sind die winzigen Teilchen zu finden (Foto: Uli Deck/dpa) Quelle: dpa

Nanopartikel sind für die Kosmetikindustrie kleine Wundermittel. So beinhalten viele Sonnenschutzcremes Nano-Titandioxid- oder Nano-Zinkoxidpartikel, die als „physikalischer Sonnenschutz“ dienen und wie winzige Spiegel das Sonnenlicht reflektieren. Im Make-up dienen Nanopartikel dazu Falten zu kaschieren und in Pflegeprodukten soll sie die Faltenbildung verhindern, indem sie freie Radikale binden. Auch in Deodorants oder Zahnpasten kommen Nanoteilchen zum Einsatz. Bei Kajalstiften oder Mascaras garantieren sie eine besonders lange Haltbarkeit.

Nanopartikel sind wahre Alleskönner. Dabei sind sie nur zwischen 1 bis 100 Nanometer groß und damit tausendfach kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haars. Die kleinen Teilchen haben aber einen großen Nachteil. Sie können auf verschiedenen Wegen in den Körper eindringen. Über die Auswirkungen von Nanopartikeln auf den Menschen gibt es bisher kaum Untersuchungen, Langzeitfolgen sind wissenschaftlich noch nicht eingeschätzt worden.

 

Aus Sicht des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) wird jedoch immer deutlicher, dass einige Nanomaterialien erhebliche Gesundheits- und Umweltschäden verursachen können. Vor allem in Sprays sind sie gefährlich, da sie eingeatmet werden. Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) rät zu einem verantwortungsvollen Umgang mit der Nanotechnologie.

In der App gibt es nähere Informationen zu den verschiedenen Nanopartikeln. (Grafik: Codecheck.info)

Das ist gerade deshalb so wichtig, da sich der Einsatz von Nanomaterialien nicht auf die Kosmetikindustrie beschränkt, auch bei den Lebensmittelherstellern sind sie begehrt. Sie werden als stärkere Farbstoffe, Rieselhilfe, Geschmacks- und Konservierungsstoffe oder als Nahrungsergänzungsmittel und antibakterielle Zusätze eingesetzt. Viele Lebensmittel wie Instant-Suppen, Salz oder Kaffeeweißer enthalten Nano-Siliziumdioxid, damit sie nicht verklumpen.

 

Nano-Titandioxid-Beschichtungen sollen Schokoriegel länger haltbar machen. Nano-Kapseln reichern Getränke mit Vitaminen an. Verpackungen sind mit Nano-Titandioxid oder Nano-Silber beschichtet, um die Lebensmittel vor UV-Strahlung oder Bakterien zu schützen. Die Liste ließe sich noch weiter führen. Der BUND ist überzeugt, dass in Zukunft immer mehr der Winzlinge in Lebensmitteln und Verpackungen eingesetzt werden, da  über 200 internationale Lebensmittel-Konzerne in Nanotechnologie investieren. „Die Lebensmittelindustrie nimmt die Risiken des Einsatzes von Nanomaterialien in ihren Produkten offenbar nicht ernst", sagt Wilfried Kühling, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des BUND.

 

Neben Nanopartikeln zeigt die App auch weitere bedenkliche Inhaltsstoffe der Produkte an. (Grafik: Codecheck.info)

Der BUND hat in einer Nano-Produktdatenbank für den deutschen Markt (Stand November 2015) bereits 1.085 Nanoprodukte aufgeführt, die vom Hersteller kenntlich gemacht wurden. Die Dunkelziffer ist wesentlich höher, da längst nicht alle Hersteller angeben, ob Nanomaterialien in den Produkten enthalten sind, obwohl es seit 2013 Pflicht ist. Allerdings nur bei Lebensmitteln, Kosmetika und Bioziden. In welchen Alltagsprodukten Nanomaterialien bereits stecken, ist für Verbraucher nach Erfahrung des BUND daher meist nicht zu erkennen.  

Nicht einfach für den Verbraucher, wenn er auf Nanotechnologie verzichten will. Abhilfe schafft nun eine über eine kostenlose App des Produktratgebers Codecheck. Damit können ganz einfach Produkte mit Nanopartikel ermittelt werden. Über die Fotofunktion wird das Produkt eingescannt und auf die gesuchten Inhaltsstoffe hin erkannt. Gemeinsam mit dem BUND will Codecheck Konsumenten die Chance zu einem bewussten Kauf geben. „Transparenz bei der Anwendung von Nanopartikeln in Verbraucherprodukten ist ein absolutes Muss, denn immer noch wissen wir zu wenig über die langfristigen Wirkungen der Partikel auf Mensch und Umwelt", so Dr. Rolf Buschmann, Referent für technischen Umweltschutz beim BUND.

„Es ist einfach nicht klar abzuschätzen, welche Auswirkungen Nanopartikel zum Beispiel in Bezug auf verletzte Hautstellen haben. Die Einschätzungen zur Sicherheit von kosmetischen Inhaltsstoffen, welche Nanopartikel enthalten, beziehen sich meist nur auf die Verwendung bei gesunder Haut", warnt Vanessa Dilg, wissenschaftliche Leiterin bei Codecheck. 

Nanopartikel gelangen über Abwässer in die Umwelt

Nanopartikel sind aber nicht nur eine Unbekannte für den Menschen, durch das Abwasser gelangen sie auch in die Umwelt. Schweizer Forscher der EMPA (Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt) in St. Gallen konnten in einigen EU-Gebieten eine Konzentration von  61 Mikrogramm Nano-Titandioxid pro Kilo Boden ausmachen. Auch hier sind die Folgen noch nicht absehbar. Forscher des Massachusetts Institute of Technology haben zudem herausgefunden, dass einige Nanopartikeln die menschliche DNA beschädigen können. Die Wissenschaftler schauten sich dabei fünf Nanopartikel-Arten genauer an: Silber, Zinkoxid, Eisenoxid, Silikondioxid und Cer-Oxid. 

Bis es verlässliche Ergebnisse über die Wirkung von Nanopartikeln gibt, hilft wohl nur ein Verzicht auf entsprechende Produkte. Für Verbraucher, die die „Codecheck"-App nutzen, ergibt sich noch ein weiterer Vorteil. Das Programm bringt auch weitere Inhaltsstoffe wie Palmöl, wofür tropische Wälder in Indonesien oder Malaysia zerstört werden, ans Licht oder zeigt, ob ein als vegan deklariertes Produkt tatsächlich fleischfrei ist. Die App zeigt im harmlos wirkenden Badezusatz die hormonell wirkenden Stoffe an oder in der vermeintlich gesunden vegetarischen Wurst den hohen Fett- und Salzanteil.

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