Atlantikinsel Südgeorgien Rattengift soll Vogelparadies retten

Die Insel Südgeorgien war einst ein Paradies für seltene Seevögel. Doch eingeschleppte Ratten und Mäuse haben die Bestände dramatisch dezimiert. Jetzt starten Naturschützer eine drastische Rettungsaktion.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Eine Kolonie Königspinguine auf der Insel Südgeorgien. Das einstige Vogelparadies im Südatlantik leidet unter eingeschleppten Ratten und Mäusen. Quelle: dpa

London/King Edward Point Bis zu 100 Millionen Seevögel lebten einst auf Südgeorgien. Damit zählte die Insel im Südatlantik zu den wichtigsten Lebens- und Bruträumen auf hoher See überhaupt. Königspinguine, Wanderalbatrosse, Kapsturmvögel und viele andere fanden im Meer reichlich Nahrung und konnten ungestört ihre Jungen aufziehen. Dann kam James Cook – und mit seinem Schiff die Ratten.

„Die Insel ist nur noch ein Schatten ihrer selbst“, sagt Tony Martin, der an der Universität im schottischen Dundee über die Wiederherstellung von Lebensräumen forscht. Denn Ratten und Mäuse sind auf der Hauptinsel des britischen Überseegebiets Südgeorgien und Südliche Sandwichinseln zur Plage geworden.

Viele Vogelarten seien schlicht wehrlos gegen die Eindringlinge, die ihre Eier und Küken fressen. „Sie haben mehr als 90 Prozent der Vögel ausgerottet, die Kapitän Cook vorgefunden hat“, schätzt der Professor. 1775 hatte der berühmte Entdecker Südgeorgien und die umliegenden Inseln für Großbritannien in Besitz genommen.

Martin und sein Team wollen die Zeit auf Südgeorgien zurückdrehen. Wenn es nach Plan läuft, ist das Land bereits im Frühjahr ratten- und mäusefrei. 2011 verteilten die Artenschützer erstmals Giftköder auf einem Teil der rund 3800 Quadratkilometer großen, praktisch unbewohnten Insel, 2013 übersäten sie ein zweites Gebiet mit den tödlichen Leckerbissen. Nun soll die letzte Phase den Schädlingen endgültig den Garaus machen.

Doch das klingt einfacher, als es ist. Per Schiff müssen drei Hubschrauber und Treibstoff durch raue See nach Südgeorgien gebracht werden, berichtet Martin. Und die Helfer müssen gründlich arbeiten: „Es muss ein Köder für jede einzelne Ratte erreichbar sein“, betont der Projektleiter.

Tonnenweise Rattengift im Naturparadies klingt nicht gerade schonend. Tötet es auch Vögel? „Ja“, gibt Martin zu, „aber deren Populationen erholen sich – die der Ratten und Mäuse nicht.“ Die Regionalregierung des Überseegebiets hat dazu einen Bericht veröffentlicht. „Der Nutzen der Nagerentfernung für die ganze Insel überwiegt bei weitem die kurzfristigen Auswirkungen auf eine kleine Zahl von Arten“, heißt es dort.


Auf anderen Inseln schon erfolgreich

Wie sich das Gift 2011 und 2013 auswirkte, ließ sich beobachten, weil die Insel durch Gletscher in Abschnitte geteilt ist. „Die Ergebnisse waren großartig“, sagt Martin. Nicht nur blieben die Nager weg. Es siedelten sich auch wieder Vögel an, darunter die Spitzschwanzente Anas georgica georgica, die nur dort vorkommt. Überleben könnten die seltenen Arten auf kleineren Nebeninseln.

Südgeorgien ist keine Ausnahme, wie ein Blick in den jüngsten Jahresbericht der Naturschutzorganisation Island Conservation zeigt. Auf der Bahamas-Insel Booby Cay sind Ratten ein Problem, von den kanadischen Inseln Murchison und Faraday wurden sie vertrieben, auf der australischen Lord Howe Island bedrohen sie mindestens 13 Arten. Eine Erfolgsgeschichte ist auch die Aleuten-Insel Hawadax, die noch vor einigen Jahren ganz den Eindringlingen gehörte und sich jetzt erholt.

Auf einen ähnlichen Erfolg hoffen Tony Martin und der South Georgia Heritage Trust, der die fast zehn Millionen Euro teure Aktion hauptsächlich aus privaten Spenden finanziert, auch im Fall Südgeorgiens. Am 24. Februar stechen die Helfer voraussichtlich von Stanley auf den Falklandinseln aus in See, ab Mitte Februar wollen sie Gift verteilen. Das wird mehrere Wochen dauern.

Ob die Schädlinge dann wirklich alle tot sind, kann man erst etwa zwei Jahre später halbwegs sicher sagen. Ebenso wichtig wird dann sein, eine neue Invasion zu verhindern – schließlich könnten die Tiere von vorbeifahrenden Schiffen springen und schwimmen. Wenn alles gut geht, dann sollen sich die Vögel nach und nach wieder vermehren. Irgendwann, hofft Tony Martin, werden es wieder 100 Millionen sein. „Aber das werde ich nicht mehr erleben.“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%