Nun trägt Sodastream den Flaschenkrieg auch nach Deutschland. Das israelische Unternehmen stellt Geräte her, mit denen man selbst Wasser aufsprudeln kann. Seit einigen Jahren wirbt das Unternehmen dafür mit Käfigen, die mit leeren Plastikflaschen gefüllt sind. Am Montag wird Sodastream solch einen Flaschenberg auch vor dem Hauptbahnhof in Frankfurt am Main aufstellen.
Das ist ein Affront gegen Coca Cola, denn unter den 2000 Plastikflaschen befinden sich auch zahlreiche Exemplare des Getränkeriesen. Die Anwälte des weltgrößten Limonadenherstellers haben sich bereits über die Werbung beschwert und Sodastream aufgefordert, den Käfig am Flughafen Johannesburg zu entfernen.
Doch die Israelis weigern sich. „Wenn Coca-Cola seinen Müll zurückhaben möchte, können sie ihn haben“, sagt Sodastream-Chef Daniel Birnbaum, dann solle sie den aber auch überall einsammeln. „Die Deutschen denken hier gibt es kein Umweltproblem“, sagt Birnbaum. Doch 80 Prozent der nichtalkoholischen Getränke in Deutschland seien Einwegflaschen und auch Mehrweg sei wegen des Transports ökologisch nicht ideal.
Mit seinen Aktionen lenkt Sodastream die Aufmerksamkeit auf einen Dauerstreit zwischen Getränkeindustrie und Umweltaktivisten: Welche Flaschen sind am umweltfreundlichsten? In Deutschland hat sich dabei ein komplexes System etabliert. Einerseits gibt es seit Jahren einen ausgefeilten Mehrwegflaschenkreislauf, andererseits wurde mit dem grünen Punkt und der Einführung des Dosenpfandes auch ein umfangreiches System zum Recycling von Einwegflaschen etabliert.
Doch seit der damalige Umweltminister Jürgen Trittin im Juli 2003 in einem Netto-Markt in Berlin-Pankow den ersten Pfandautomaten einweihte, sind manche Probleme eher mehr geworden. Der Pfand von 25 Cent auf Dosen und Einwegflaschen sollte Kunden abschrecken und so die Mehrwegquote stärken, doch das Gegenteil ist eingetreten. Damals hatten Mehrwegflaschen noch einen Marktanteil von 64 Prozent, inzwischen ist er auf unter 50 Prozent gesunken. Viele Nutzer halten die Flaschen mit dem 25-Cent-Pfand fälschlicherweise für Mehrweg.
Verdacht einer einmaligen Pfand-Schummelei
Die Probleme zeigen sich auch im jüngsten Streitfall zwischen Radeberger und der Deutschen Umwelthilfe. Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) Jürgen Resch fordert einen vorläufigen Verkaufsstopp für das Bier Corona Extra, noch bis Mittwoch läuft das Ultimatum. Wenn Radeberger nicht eine Unterlassungserklärung unterzeichnet und aufhört, Corona als Mehrwegflaschen zu vertreiben, „werde ich sofort vor Gericht gehen“, droht Resch.
Es geht um den Verdacht einer bisher einmaligen Pfand-Schummelei. Darum, ob das von der Radeberger-Gruppe vertriebene Trend-Bier aus Mexiko rechtswidrig mit nur acht statt 25 Cent Pfand belegt ist und so mehr Käufer findet. Das Unternehmen weist das zurück. Es gibt seit der Veröffentlichung der Vorwürfe am Mittwoch aber Widersprüche. Es geht um die Frage, ob Corona-Flaschen tatsächlich als Mehrwegflasche genutzt werden.
Radeberger ist hier auch auf korrekte Angaben seines Partners angewiesen, der Grupo Modelo, die Corona produziert. Die lässt via Madrid wissen, dass alle Flaschen aus Deutschland über Antwerpen zurück nach Guadalajara in Mexiko verschifft, dort gespült und mit Bier wiederbefüllt würden. Joaquin Ávalos von der Grupo Modelo in Guadalajara sagt hingegen, dass keine Flasche zurückkäme.
„Die Flaschen nach Mexiko zu transportieren wäre doppelt bis drei Mal so teuer, wie neue Glasflaschen zu produzieren“, sagt Resch, „ökonomisch geht das gar nicht“. Und selbst im Internet bewirbt Radeberger die Flaschen als Einwegflaschen, die mit 25 Cent Pfand zu belegen sind.
Was passiert mit den leeren Corona-Flaschen?
Der Umwelthilfe fiel auf, das die typischen Gebrauchsspuren von Mehrwegflaschen fehlen. Dazu hat Radeberger selbst freimütig mitgeteilt: „Corona Extra vertritt im deutschen Biermarkt einen eindeutigen Premiumanspruch. Daher setzt der Markenhalter für Deutschland ausschließlich Neuglas ein, um einen ansprechenden Auftritt der Marke ohne Reibringe und andere Gebrauchsspuren sicherzustellen“.
Um aber nur acht statt 25 Cent Pfand nehmen zu dürfen, schreibt die deutsche Verpackungsverordnung eindeutig vor, dass Flaschen mehrfach zum gleichen Zweck wiederverwendet werden. Hat Radeberger also ein Vergehen damit bereits eingestanden? Nein, das Unternehmen betont: Die Grupo Modelo habe bestätigt, dass die aus Deutschland zurückgeführten Flaschen in anderen Märkten wiederverwendet werden. Aber Radeberger kann auf Anfrage kein anderes Land nennen, wo Corona als Mehrwegflasche verkauft wird.
Es ist schwer nachzuweisen, was mit den angeblich nach Mexiko zurückgebrachten Corona-Flaschen passiert. Fakt ist, dass diese sehr dünnglasig sind. Bundesgeschäftsführer Resch ist von einem Schwindel überzeugt. Er könne ja Kosteneinsparversuche im harten Wettbewerb verstehen, aber wenn die Flaschen nach Mexiko zurückgebracht würden, sei das doppelt fragwürdig: „Einen leeren Kasten um die halbe Welt zu transportieren, ist nicht nur sündhaft teuer, sondern auch ökologisch schwachsinnig.“
Umstrittene Ökobilanzen der Flaschen
Doch wie viel besser sind Mehrwegflaschen überhaupt? Eine Antwort darauf zu geben ist schwierig, da sie von verschiedenen Faktoren abhängt und sich Studien zu dem Thema auch teilweise widersprechen. So hat das Ifeu-Institu aus Heidelberg die verschiedenen Verpackungen von Bier untersucht.
"Weitestgehend ökologische Vorteile" wurden darin Glasflaschen zugesprochen, wenn sie im Schnitt 25 Mal befüllt werden und nur im Umkreis von 100 km um den Abfüllort verkauft. Bei höheren Transportwegen und geringeren Befüllungsquoten könnten jedoch Einwegquoten sogar besser abschneiden.
Die Umwelthilfe bezeichnete das als "Lehrstück an Verbrauchertäuschung", da die Studie im Auftrag des Getränkedosenindustrie-Verbands erstellt worden sei. In deutschen Brauereien würden Flaschen deutlich öfter als 25 Mal genutzt und auch die kalkulierten Transportwege seien "fast doppelt so hoch" wie in der Realität.
In der Tat schrieb das Institut, die Güte der Daten zur Getränkedistribution sei begrenzt und die Berechnungen wurden auf „Wunsch des Auftraggebers“ mit den Distributionsentfernungen von 100 km und 400 km durchgeführt.
So empfehlen Experten vom Umweltbundesamt und anderen Institutionen umweltbewussten Kunden weiterhin Mehrwegflaschen aus der Region.
Brauereien leiden unter Designflaschen
Doch seit einigen Jahren steigt bei den Biermehrwegflaschen der logistische Aufwand für die Brauereien. Grund ist die Abkehr großer Brauereien von den so genannten „Standard-Poolflaschen“, die stattdessen auf eigens gestaltete Flaschen setzen. „Eine Milliarde Individualflaschen müssen in den Brauereien aussortiert, gesondert gelagert, im Tausch zu den Eigentümerbrauereien transportiert oder unter Wert an Leerguthändler verkauft und auch von dort wieder zu den Eigentümerbrauereien transportiert werden“, klagt der Sächsische Brauerbund.
Der Transport der „Fremdflaschen“ mindert die Ökobilanz und verursacht zusätzliche Kosten, für eine mittelständische Brauerei mit einem Jahresbierabsatz von 150 000 Hektolitern betragen diese laut Brauerbund etwa 130 000 Euro.
Plastikflaschen im Fußballtrikot
Und wie steht es um Einwegflaschen aus Plastik? Sie sind zumindest zu einem beliebten Rohstoff geworden. Bis zu 50 Prozent wird laut Bundesverband Sekundärrohstoffe von Chinesen aufgekauft, die 300 Euro pro Tonne bezahlen. Aus dem PET werden Parkbänke, Fleecejacken und andere Kleidungsstücke – in einem Fußballtrikot stecken im Schnitt acht Plastikflaschen.
Doch für die immer neuen Flaschen werden dagegen zum Großteil neue Rohstoffe gebraucht, Coca Cola gibt beispielsweise an, dass der Recyclinganteil in Deutschland bei 27 Prozent liege. „Recycling funktioniert nicht“, sagt Sodastream-Chef Birnbaum. Vor allem beim Wasser könne er nicht verstehen, dass Deutsche das in Flaschen kaufen, schließlich sei das Leitungswasser in kaum einem Land so gut. Doch die Müllvermeidungsargumentation des Sprudelgeräte-Herstellers ist natürlich auch eigennützig – und wer hat schon in jeder Lebenslage einen Wasserhahn zu Hand?