Sonnenenergie Solarbranche: Leben auf dem Sonnendeck

WirtschaftsWoche-Chefreporter Dieter Schnaas über die Zukunft der solaren Planwirtschaft in Deutschland – und über die drei großen Charakterköpfe der Branche: Immo Ströher, Frank Asbeck, Dieter Ammer.

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Wella-Erbe Immo Ströher

Ein Kaffee schwarz und ein Mettbrötchen, mit viel Salz und Pfeffer, das ist jetzt genau das Richtige. Immo Ströher hat gerade seine Yacht inspiziert, es ist Mai, es ist grau und windig und kalt, gestern ist die Tûranor von Kiel aus hier eingelaufen, morgen soll sie beim Hamburger Hafenfest paradieren. Die Tûranor, das ist Immo Ströhers Stolz, das Tarnkappenschiff eines Klimaaktivisten, das keinen Tank braucht und keine Flaute fürchtet, ein Katamaran ohne Diesel, Ruß und Röcheln, ohne Segel, Mast und Takelage, platt wie eine Flunder, wie aus einer besseren Zukunft ins Heute gefallen.

„Ich will zeigen, dass es geht“, sagt Immo Ströher. 13 Millionen Euro hat er lockergemacht für das größte Solarschiff der Welt, 825 Paneele, sechs mal zwölf Hochleistungsbatterien, vier Elektromotoren. In einem Jahr soll es so weit sein: in 160 Tagen um die Welt, 50 000 Kilometer durch die Kraft der Sonne, von Hamburg nach New York, San Francisco, Darwin, Singapur und Abu Dhabi.

Immo Ströher würde nie sagen, dass er mit der Route der Tûranor der Solarbranche den Weg weist. Dafür ist er zu höflich. Aber er weiß, dass sie raus muss aus Deutschland, aus der Enge des Subventionsparadieses, den Sonnenplätzen und dem Wettbewerb entgegen.

Staatlich organisierte Umverteilungsmaschine

In Deutschland herrscht solare Planwirtschaft, und deren Boom steckt voller Merkwürdigkeiten und Missverhältnisse: Eine Reißbrettindustrie rot-grün bewegter Ökologen hat einer Hand voll schlauer Investoren Hundert-Millionen-Vermögen beschert, die über Holdings in der Schweiz vor der rot-grünen Reichensteuer in Sicherheit gebracht werden. Eine staatlich organisierte Umverteilungsmaschine mästet mit Forschungsfördermitteln Manager, die sich jeden dritten ihrer Beschäftigten bei Zeitarbeitsfirmen ausleihen; ein aberwitzig kleiner Sektor der Energiebranche plustert sich im Namen des Weltklimas auf, um Hausbesitzern und Projektentwicklern satte Renditen zu bescheren.

Ein flüchtiger Blick auf die Zahlen genügt, um die komische Dimension der solaren Torheit zu verdeutlichen: Während der Anteil der erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch (Strom, Wärme und Kraftstoff) im Jahr 2009 auf 10,1 Prozent emporgeschnellt ist, beträgt der Anteil der Fotovoltaik an diesen zehn Prozent nur 2,6 Prozent. Gut 97 Prozent liefern Wasser, Wind und Biomasse. Das heißt: Nur ein viertel Prozent seines Endenergieverbrauchs hat Deutschland 2009 aus Solar gespeist. Dafür wurden allein 2009 rund 17,3 Milliarden Euro neue Solarschulden aufgehäuft; Geld, das der Stromverbraucher dank staatlicher Solarförderung all denen überweist, die 2009 eine Anlage auf ihr Dach montierten.

Insgesamt, hat Manuel Frondel vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) ausgerechnet, steht der Stromkunde für alle Anlagen der Jahre 2000 bis 2009 bereits mit rund 52 Milliarden in der Kreide.

Die Profitabilität ist gefährdet

Das Ergebnis des Überförderungsirrsinns: Fast die Hälfte der weltweit installierten Solarstromleistung wird im kalten Dunkeldeutschland verbaut –  wovon dessen Solarindustrie immer weniger profitiert, weil mittlerweile zwei von drei Modulen importiert werden. Gleichzeitig schrumpfen die Marktanteile der Deutschen, weil China billiger liefert, der Preis für Anlagen seit 2006 um 40 Prozent gefallen ist — und weil die Märkte sich allmählich verlagern.

Die Profitabilität der einheimischen Fabriken ist gefährdet. Die angeschlagene Bitterfelder Q-Cells lässt jetzt in Malaysia fertigen; die Berliner Solon und die Hamburger Conergy stehen auf wackligen Beinen. Selbst Klassenprimus Solarworld ist auf eine konstante Zeitarbeitsquote von 30 Prozent angewiesen.

Hat die deutsche Solarindustrie ihre große Zukunft also schon hinter sich? Zeit für eine Zwischenbilanz – und das sehr persönliche Porträt einer Branche am Scheideweg.

Immo Ströher ist ein tätiger Träumer, ein mitfühlender Liberaler, ein angenehm bescheidener Multimillionär. Er engagiert sich gegen die Kernkraft, für Greenpeace und die Grünhelme, er greift sich an den Kopf, wenn er von der Uranmüllkippe „Asse“ hört, von der Walfängerei und den Arbeitsbedingungen in China.

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