UN-Klimakonferenz Wie sich das Klima retten lässt

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Option 3: Grünes Wachstum


Wer bei der Nachhaltigkeit punktet
Gelsenkirchen Quelle: obs
Oberhausen Quelle: dpa/dpaweb
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Essen Quelle: AP

Der effiziente Umgang mit Rohstoffen und Energie spart der Industrie Kosten und kommt zugleich dem Klima zugute.

Anfangs waren es ein paar wenige Idealisten. Dann stiegen die Ölpreise, schließlich die Kosten für Rohstoffe. Und auf einmal ist es eine Massenbewegung: Unter den Unternehmen ist ein wahrer Wettbewerb ausgebrochen, wer am effizientesten und sparsamsten produziert. Laut einer Studie der Analysten von KPMG haben vergangenes Jahr 95 Prozent der 250 größten Unternehmen über ihr Nachhaltigkeitsmanagement berichtet und sich nachweislich in dem Feld engagiert. 1999 waren es nur 35 Prozent.

Diese Zahlen markieren den Beginn des Zeitalters der Green Economy. Ressourcen effizient zu nutzen ist kein Thema mehr nur für Biobauernhöfe, es entpuppt sich als wirtschaftlich höchst rational – und wird in einigen Branchen gar zur Überlebensfrage. Denn Strom, Wärme, Stahl und Kunststoffe werden künftig immer teurer werden.

Und so vermelden die Unternehmen stetig neue Diäterfolge: Gerade hat der Technologiekonzern Siemens einen neuartigen Lichtbogenofen vorgestellt, der die bis zu 1700 Grad Celsius heißen Abgase bei der Stahlschmelze nutzt, um Strom zu erzeugen. Den Münchnern zufolge sinkt der jährliche CO2-Ausstoß eines typischen Ofens mit 120 Tonnen Kapazität dank der neuen Technik um rund 30 000 Tonnen.

Kleine Maßnahmen riesige Effekte

So kommt der japanische Wärmepumpen-Hersteller Daikin in seinem Werk im belgischen Ostende mit 90 Prozent weniger Energie aus, seit er die Geräte nicht mehr mit Druckluft-, sondern Elektroschraubern montiert. Der Aachener Softwarespezialist Magma wiederum hat den Gießprozess von Aluminiumteilen optimiert: Es entsteht weitaus weniger Abfall, und die Energie- und Materialeffizienz steigt allein dadurch um 15 Prozent.

Sparsame Fertigungsverfahren, Rückgewinnung von Materialien, höhere Steuern auf Rohstoffe und mehr regenerative Energien – die Experten der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) sehen in dieser Kombination den Königsweg, den Klimawandel aufzuhalten – ohne den Wohlstand zu gefährden. Würde dieses grüne Wachstumsmodell konsequent umgesetzt, ließe sich gar das Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, noch erreichen, glaubt OECD-Generalsekretär Angel Gurría.

Bei diesem Wandel in eine grüne Wirtschaft nehmen deutsche Unternehmen eine weltweite Vorreiterrolle ein (siehe auch Seite 6 des Sonderhefts WirtschaftsWoche Green Economy). Als erstes Automobilunternehmen der Welt will etwa BMW in wenigen Jahren seine mehr als 1,6 Millionen jährlich gefertigten Fahrzeuge mit grünem Strom produzieren. Schlichte Kostenkalkulation befeuere das Umdenken, meint Stephan Kohler, Chef der Deutschen Energie-Agentur (Dena). Schließlich brächten Investitionen in energiesparende Techniken bis zu 20 Prozent Rendite – und einen positiven Klimaeffekt.

Das Karlsruher Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) hat das Einsparpotenzial einer effizienten Nutzung von Rohstoffen für ganz Deutschland hochgerechnet. Es ist riesig: jährlich 80 Millionen Tonnen weniger Material, 75 Milliarden Kilowattstunden weniger Strom und 60 Millionen Tonnen weniger CO2.

Ein entscheidender Wettbewerbsfaktor

Die Technologien dafür seien entwickelt, betont der frisch gewählte Fraunhofer-Präsident Reimund Neugebauer. Sie einzusetzen hält er für „einen entscheidenden Wettbewerbsfaktor“. Denn schon eine Reduktion des Rohstoffeinsatzes um nur sieben Prozent würde die deutsche Industrie um jährlich 48 Milliarden Euro entlasten. Und das wäre nicht der einzige positive Effekt: Eine Studie des Bundesumweltministeriums sieht die Zahl der Beschäftigten in Umwelttechnikbranchen bis 2025 von 1,4 auf 2,4 Millionen klettern. Der Umsatz soll pro Jahr um 10,6 Prozent wachsen.

Ganz ohne Schmerzen würde der Umstieg auf eine grüne, CO2-arme Wirtschaft indes nicht verlaufen. Laut einer Untersuchung der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (PwC) würde es die Welt bis 2050 etwa drei Prozent Wirtschaftswachstum kosten, das Zwei-Grad-Ziel einzuhalten. Für PwC-Chef-Ökonom John Hawksworth ein nicht allzu großes Opfer: „Der gleiche Wohlstand wird einfach ein Jahr später erreicht.“ So weiter zu wirtschaften wie bisher hält er dagegen für keine Alternative. Dann drohe sich der Globus im schlimmsten Fall um sechs Grad aufzuheizen – und würde zum unwirtlichen Ort.

Welche finanziellen Einbußen dann drohen, lassen die Folgen zweier Wetterkatastrophen aus jüngster Zeit erahnen: Die Dürreperiode diesen Sommer in weiten Teilen der USA hat nach Schätzungen von Ökonomen Schäden von zwölf Milliarden Dollar verursacht. Hurrikan Sandy, der die Ostküste der USA Anfang November traf, hat nach Schätzungen des Versicherungsdienstleisters Eqecat sogar Werte in Höhe von 50 Milliarden Dollar vernichtet.

Und das, so warnen Wissenschaftler, waren nur Vorboten dessen, was der Klimawandel künftig noch anrichten kann.

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