Umweltschutz Grüne Welle in der Architektur

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Genzyme-Zentrale Quelle: Genzyme

Einige Verfahren zur energetischen Optimierung haben sich inzwischen etabliert. Dämmungen verhindern, dass Wärme entfleucht oder die Sonne das Gebäude im Sommer unmäßig aufheizt. Betondecken mit eingelassenen Schläuchen, durch die wahlweise kaltes oder warmes Wasser zirkuliert, übernehmen die Grundtemperierung der Etagen. Die Energie zur Kühlung oder Beheizung holen sich die Systeme über Sonden aus dem Erdreich unter dem Fundament (Erdwärme-nutzung). Doppelfassaden mit einem einfachen Glas außen und einer Isolierverglasung innen halten Lärm ab und schützen Sonnenjalousien vor Regen und Sturm. Im Winter wirkt der Luftstrom dazwischen wie ein Polster gegen die Kälte, im Sommer transportiert er die Hitze ab. Belüftungssysteme führen ausreichend Frischluft zu und temperieren sie mit der Abwärme aus der verbrauchten Luft vor. An heißen Sommertagen strömt nachts Außenluft durch die Gebäude und kühlt sie aus. Hohe Decken sowie spezielle Lamellen und Oberlichter lenken Tageslicht weit in die Räume und schonen so die Stromrechnung für künstliche Beleuchtung.

„Architekten und Planer können aus einem breiten Reservoir schöpfen“, resümiert Hochtief-Manager Bürklin. Die Essener kalkulieren mögliche Lösungen genau durch und bieten sogar fixe Budgets und verbindliche Fertigstellungstermine an. Voraussetzung ist, so Bürklin, dass sie von Anfang an in den Prozess einbezogen sind. „Am Ende der Planung liegen 90 Prozent der Kosten fest, danach kann man nicht mehr viel optimieren.“

Beständig werden die Techniken verbessert. Das Unternehmen Con4 aus Weiler-Simmerberg im Allgäu hat jetzt eine „Klimadecke“ vorgestellt, bei der die komplette Haustechnik zwischen zwei dünne Betonschalen gepackt ist. Die geringere Masse verkürzt die Reaktionszeit beim Heizen oder Kühlen von sechs bis acht auf unter zwei Stunden. Die zur belgischen Firmengruppe Imperbel gehörende Derbigum Deutschland zügelt mit einer weißen Bitumen-Membran zur Abdichtung von Flachdächern erheblich den Kühlbedarf in Bürogebäuden und Fabrikhallen. Die Weltneuheit reflektiert nach Unternehmensangaben 76 Prozent der Sonneneinstrahlung und verhindert so, dass sich die Gebäude übermäßig aufheizen. Das Bielefelder Unternehmen Schüco hat ein hochdämmendes Fassadensystem entwickelt, das mit integrierten Kollektoren und Solarzellen zudem kräftig Energie einsammelt.

Was alles möglich ist, zeigen Prestigeprojekte aus jüngerer Zeit. In Cambridge, Massachusetts, hat der Stuttgarter Architekt Stefan Behnisch für das Biotech-Unternehmen Genzyme ein zwölfstöckiges Hauptquartier entworfen, das mit 42 Prozent weniger Energie und 34 Prozent weniger Wasser auskommt als Bürogebäude vergleichbarer Größe und Ausstattung. Behnisch verwendete zu drei Viertel recycelte Materialien. Die Trakte gruppieren sich um ein riesiges Atrium, sodass Licht von zwei Seiten in die Büros fällt. Eine Mobile aus mehr als 700 Prismenscheiben reflektiert es in jeden Winkel. Eine natürliche Belüftung und eine Doppelfassade drosseln den Stromverbrauch der Klimaanlage. Zum Heizen und Kühlen wird die Abwärme eines benachbarten Kraftwerks genutzt. Behnisch hat die jährliche Ersparnis an Energiekosten ausgerechnet: rund eine halbe Million Dollar. „Nach vier Jahren hat sich die Investition amortisiert.“

Am Frankfurter Flughafen sah sich der Düsseldorfer Architekt Christoph Ingenhoven beim Entwurf des neuen Verwaltungsgebäudes der Lufthansa vor eine besondere Herausforderung gestellt. Obwohl umzingelt von mehreren abgasmiefenden Start-, Lande- und Autobahnen, sollten die Büros der 1800 Beschäftigten natürlich belüftet werden. Ingenhovens Lösung: Lüftungstürme saugen die Außenluft an, filtern sie und verteilen sie durch einen unterirdischen Kanal im Gebäude. Zusätzlich dienen Gärten als grüne Lungen, die der Architekt in den zehn Atrien an den Nahtstellen des kammförmig gestalteten Komplexes angelegt hat. Die durch die Atrien einströmende Außenluft, ist auf natürliche Weise vortemperiert, wenn die Mitarbeiter ihre zu den Gärten liegenden Fenster öffnen.

In Verbindung mit Heiz-/Kühldecken und moderner Steuerungstechnik verbraucht das futuristische Gebäude laut Ingenhoven zwei Drittel weniger Energie als ein vergleichbares konventionelles Pendant. „Auf eine Klimaanlage konnten wir völlig verzichten.“

Ökologische Maßstäbe setzen soll auch die neue siebenstöckige Konzernzentrale des Sportartikelherstellers Puma, die am » Stadtrand von Herzogenaurach bei Nürnberg für 50 Millionen Euro entsteht und Ende nächsten Jahres bezugsfertig ist. Auf dem Dach des dazugehörigen Einkaufcenters wird ein 1000 Quadratmeter großes Fotovoltaik-Kraftwerk installiert. Mit Modulen in der Fassade soll es jährlich 70.000 Kilowattstunden Strom erzeugen – in etwa so viel, wie 20 Einfamilienhäuser verbrauchen. Der Umwelt erspart die regenerative Energiegewinnung jährlich 35 Tonnen CO2. Dank der Vergütung für die Netzeinspeisung überschüssigen Stroms und geringerer Abnahmemengen ist die Investition nach spätestens elf Jahren zurückverdient, hat Puma-Projektleiter Harry Huk ausgerechnet. „Wir verbinden Umweltschutz mit niedrigen Betriebskosten.“

Im neuen Auslieferungs- und Veranstaltungszentrum von BMW in München (BMW-Welt) hält eine raffiniert konstruierte Fassade aus Glas und Stahl die Temperaturen auf angenehmen Graden. In den Stahlprofilen zirkuliert dazu im Sommer kaltes, im Winter warmes Wasser.

Doch nicht nur Neubauten lassen sich energetisch auf den neuesten Stand bringen. Das geht mit überschaubarem Aufwand ebenso gut bei der Mehrzahl der 1,5 Millionen bestehenden Büro- und Geschäftshäuser in Deutschland. „Da schlummert bei Weitem das größte Potenzial“, sagt Hochtief-Vorstand Bürklin. Wie es geht, will die Deutsche Bank bei der Modernisierung der 1984 bezogenen, 155 Meter hohen Doppeltürme ihrer Frankfurter Zentrale beispielhaft zeigen. Nach der Sanierung sollen Energieverbrauch und CO2-Ausstoß mindestens halbiert sein. „Wir fühlen uns verpflichtet, einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten“, postuliert Vorstandsmitglied Hermann-Josef Lamberti. Geld verschenkt die Bank dabei nicht, darauf legt Projektleiter Holger Hagge Wert. „Maßnahmen wie diese rechnen sich in immer kürzeren Zeiträumen und sparen teurer werdende Ressourcen.“

Neben einer verbesserten Dämmung und dem Einbau von Kühl-/Heizdecken gehören Wärmerückgewinnung und solare Warmwassererzeugung zum Konzept. Im Sommer bläst Nachtluft die Wärme aus den Türmen. Röhrenmonitore und Tischrechner tauscht die Bank gegen Flachbildschirme und Notebooks aus, die wesentlich weniger Wärme abstrahlen, was den Kühlbedarf in den Büros deutlich senkt. Licht brennt, gesteuert über Sensoren, nur dort, wo sich tatsächlich Menschen aufhalten und passt sich in der Helligkeit dem Tageslichteinfall an. Ein Teil der Fenster lässt sich nach dem Umbau öffnen. „Die Möglichkeit, das Klima an seinem Arbeitsplatz beeinflussen zu können, ist ein wichtiger Wohlfühlfaktor“, sagt Hagge.

Lukratives Geschäft

Hochtief-Manager Bürklin wundert sich, dass Eigentümer und Investoren die Chance zur Sanierung ihrer Energieschleudern nicht weit entschiedener nutzen. „Das ist verschenktes Geld.“ Siemens-Experte Ullrich Brickmann, Marketingleiter des Bereichs Energie- und Umweltlösungen, sieht den Markt in den nächsten Jahren dennoch stark wachsen und taxiert ihn jetzt schon in Deutschland auf rund 12,3 Milliarden Euro. „25 bis 30 Prozent Energiekostenreduzierung sind allein durch die vergleichsweise preiswerte Optimierung der Gebäudetechnik in praktisch allen etwas älteren Bestandsgebäuden realisierbar.“

Beide Unternehmen haben dies mit zahlreichen sogenannten Contracting-Modellen bewiesen. Sie übernehmen die Modernisierung und teilweise auch die Finanzierung und garantieren im Gegenzug eine jährliche Einsparsumme, die sie sich in der Regel mit dem Nutzer oder Eigentümer nach einem festgelegten Schlüssel teilen. Der zu Bayer gehörende Pharmahersteller Schering konnte seine jährlichen Energiekosten von mehr als 2,7 Millionen Euro um 639.000 Euro senken, nachdem Siemens-Spezialisten das Werk in Berlin-Wedding energietechnisch auf Vordermann gebracht hatte.

„Rentierliche Sparoptionen finden sich heute für jedes Gebäude“, fasst der Architekt der Nullemissionsfabrik in Braunschweig, Riecks, seine Erfahrungen zusammen. Probleme überraschen die Planer eher an unerwarteter Stelle. Als die Baufirma mit der Gründung des Gebäudes beginnen wollte, stellten sie fest, dass Kaninchen weite Teile des Bodens bis zu 1,20 Meter tief unterwühlt hatten. „Uns blieb nichts anderes übrig, als das Erdreich abzutragen und den Boden mit schwerem Gerät zu verdichten“, erinnert sich Riecks.

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