Urheberrechtsvertrag Aufregung in mehreren Acten

Etappensieg für die ACTA-Gegner: Seit vergangener Woche liegt der umstrittene Urheberrechtsvertrag hierzulande auf Eis. Die Generation Facebook findet zunehmend Gehör in Politik und Wirtschaft.

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Mit ihren Protesten gegen ACTA hat sich die Internet-Gemeinde nachhaltig Gehör verschafft. Quelle: dpa

Düsseldorf „Geistiges Eigentum muss auch im Netz geschützt werden“ – mit diesem unverdächtig klingenden Statement setzte Regierungssprecher Steffen Seibert am vergangenen Sonntag den vorläufigen Höhepunkt in der ACTA-Kontroverse. Nach dem per Kurznachrichtendienst Twitter verbreiteten Standpunkt brach ein „Shitstorm“ – eine Protestwelle aus dem Netz - über ihn herein Das emotional stark besetzte Thema hat seit Jahresbeginn europaweit Zehntausende zu Protesten auf die Straßen getrieben und bewegt die Netz-Kommentatoren zu täglich neuen Höhenflügen.

Das maßgeblich von USA und EU getriebene internationale Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) sei ein dringend nötiger Vorstoß, um die zunehmende Flut von Produktfälschungen und Raubkopien einzudämmen, sagen die einen. Für die anderen findet vor dem Hintergrund privatwirtschaftlicher Interessen ein massiver Eingriff in rechtsstaatliche Belange und vor allem die Neutralität des Internets statt – das gerade für viele der ACTA-Kritiker längst Kommunikations- und Informationsmedium Nummer eins ist.

So plötzlich das Thema jetzt auf dem politischen Parkett und den Plakaten der Demonstranten aufgetaucht zu sein scheint, die Netzaktivisten beschäftigt es schon seit Jahren. Bevor ACTA – und parallel verwandte Gesetzentwürfe wie SOPA und PIPA – zum Aufreger wurden, hatte die damalige Familienministerin Ursula von der Leyen bereits 2009 mit Vorschlägen zu Netzsperren von sich reden gemacht. Seitdem haftet ihr der Spottname „Zensursula“ an.

Wie angespannt die aktuelle Stimmung ist, wurde auch in der heftigen Reaktion auf einen Beitrag des CDU-Hinterbänklers Ansgar Heveling deutlich, der Ende Januar auf Handelsblatt Online erschien. In der von ihm angegriffenen Netzgemeinde sorgten Hevelings Aussagen für einen Aufschrei der Empörung.


Wer ist Freund, wer ist Feind?

 Trotzdem fällt es in der ACTA-Debatte nicht immer leicht, Freund und Feind eindeutig zu benennen. Dass der Diebstahl geistigen Eigentums nicht in Ordnung ist, darüber sind sich fast alle einig. Die Frage, ob bewährte Regeln aus dem analogen Raum – ACTA-Befürworter verweisen immer wieder darauf, dass viele der darin enthaltenen Ideen in Deutschland ohnehin längst Gesetz seien - allerdings eins zu eins in die digitalen Lebenswelten übertragen werden sollen, sorgt für Unbehagen.

Plädieren Vertreter der „alten“ Wirtschaft, etwa der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), klar für eine Unterzeichung des ACTA-Abkommens, legen Sprecher der immer wichtiger werdenden neuen Net-Economy ihr Veto ein: Internetprovider würden in eine Hilfssheriff-Rolle für die stark von Urheberrechtsverletzungen gebeutelten Musik- und Filmindustrie gedrängt, kritisierte etwa Oliver Süme, Vorstand der „eco“-Verbands der deutschen Internetwirtschaft.

Die Bundesregierung stand zunächst – auch gegen die Stimmen einiger prominenter Unionspolitiker – dem Vertragswerk aufgeschlossen gegenüber. SPD, Grüne, Linke und vor allem natürlich die Piratenpartei sprachen sich sehr bestimmt dagegen aus.

Angesichts wachsender Proteste der Internet-Gemeinde hat inzwischen in Teilen des Regierungslagers ein Umdenken eingesetzt. Sichtbares Zeichen dafür war die am Freitag verkündete vorläufige Acta-Stopp hierzulande – eine deutsche Unterschrift unter den Vertrag liegt erst einmal auf Eis.

In anderen europäischen Ländern, etwa Österreich, Polen oder Tschechien, ist die Lage ähnlich. Ein Etappensieg für die Generation Facebook, die den Kampf mit ihren ganz eigenen Mitteln aufgenommen hat und zunehmend auch in der etablierten Politik und Wirtschaft Gehör findet.

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