Wettbewerb Die beste Fabrik: Einfach machen

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Strategen Kroemer (rechts), Kempt: Mit einer cleveren Spezialisierung und extremen Kundenorientierung zum europäischen Marktführer aufgestiegen Quelle: Britta Kowsky für WirtschaftsWoche

Das hat die Chemnitzer zur Nummer eins in Europa gemacht. Der Umsatz hat sich seit 2001 mehr als verdoppelt – von 134 auf mehr als 282 Millionen Euro. Fast 100 neue Stellen sind allein in den vergangenen zwei Jahren entstanden; aktuell stehen knapp 650 Beschäftigte auf der Gehaltsliste. Und Kroemer will weiter expandieren: „Wir haben noch einiges vor.“

Wachsen oder weichen? Vor dieser Wahl stand vor vier Jahren auch Karl-Andreas Feldhahn, Geschäftsführender Gesellschafter des Hamburger Medizintechnikherstellers Weinmann. Große Unternehmen wie Dräger und Philips machten dem Mittelständler, der Beatmungsgeräte und Defibrillatoren für die Notfallmedizin und den Privatgebrauch produziert, das Leben zunehmend schwer. Feldhahn fiel die Entscheidung nicht schwer. „Dieser Markt bieten so hohe Chancen und Margen, da wollten wir richtig angreifen.“ Zwei Strategien sollten zum Ziel führen: Die Hanseaten wollten ihre Position als „Innovationschampion“ ausbauen und massiv Kunden im Ausland, vor allem in Osteuropa und Asien, gewinnen. „Dort werden die Rettungsdienste jetzt erst richtig ausgebaut.“

Feldhahn war klar, dass der Anspruch nur einzulösen sein würde, wenn alle 500 Mitarbeiter höchst engagiert mitziehen. „Jeder weiß doch in seinem Bereich am besten, wo noch Verbesserungspotenzial ist.“ Das Management gibt nur die übergeordneten Ziele vor. In jedem Unternehmensbereich, ob Forschung und Entwicklung, Produktion, Verkauf oder Service, fahnden dann selbstständig operierende Innovationsteams außerhalb der Alltagsarbeit unentwegt nach Fortschritten, die die Produkte besser und das Unternehmen wettbewerbsfähiger machen. „Das hat eine Dynamik entfaltet, die das Werk beständig nach vorne peitscht“, begeistert sich WHU-Juror Huchzermeier. Die Innovationsoffensive zeigt Wirkung. Jährliche zweistellige Wachstumsraten haben den Umsatz 2007 auf fast 68 Millionen Euro katapultiert – gegenüber 39 Millionen im Jahr 2000. Die Exportquote hat sich im gleichen Zeitraum von gut 10 auf rund 35 Prozent erhöht.

Das hohe, dennoch kontrollierte Veränderungstempo ist ein zentraler Erfolgsfaktor, wissen die Wissenschaftler von WHU und Insead aus der Wettbewerbshistorie. Hinzu treten intelligente Produktionskonzepte, so wie bei den Siegerwerken:

- Sie hecheln Marktentwicklungen nicht hinterher, sondern setzen die Trends selbst;

- sie produzieren in perfekt synchronisierten Netzwerken mit Kunden und Lieferanten, fahnden in aller Welt nach günstigen Einkaufsgelegenheiten;

- sie passen die Produktion permanent der Nachfrage an, fertigen nur nach Kundenauftrag statt auf Lager;

- und sie agieren vorausschauend. BMW-Produktionsleiter Bauer etwa erforscht heute schon intensiv, wie die Arbeitsplätze gestaltet sein müssen, damit die Produktivität im Werk trotz alternder Belegschaft nicht sinkt. „In den nächsten zehn Jahren erhöht sich der Altersdurchschnitt von 39 auf 47 Jahre, dafür müssen wir uns wappnen.“

„Schlank zu sein, reicht längst nicht mehr“, sagt Insead-Professor Loch. Er rät den Fabriken, selbst Verantwortung für die Erschließung neuer Märkte und die Entwicklung von Umsatz und Profitabilität zu übernehmen. „Das verschafft ihnen ganz andere Handlungsoptionen.“ Die Exzellenz liege nicht mehr in einzelnen Prozessen, sondern in der effektiven Gestaltung des Gesamtsystems.

Die Siegerwerke kommen diesem Ideal nach Ansicht der Juroren ziemlich nahe. Sie belohnten sie daher in allen Kategorien, die über die Güte einer Fabrik entscheiden, mit Bestnoten – für das Geschäftsmodell, die Umsetzung in eine passgenaue Strategie, die Beherrschung der Wertschöpfungskette und eine erstklassige Kundeneinbindung. „Sie nutzen konsequent alle Hebel zur Verbesserung“, lobt Loch.

Die ergiebigste Quelle für schnelles Vorwärtskommen sind die Beschäftigten, so eine weitere Erkenntnis des Wettbewerbs. „Sie trugen in den Siegerwerken 50 Prozent und mehr zum jährlichen Produktivitätsgewinn bei – wirklich phänomenal“, sagt WHU-Experte Huchzermeier. Die Fähigkeit stellt sich allerdings nur ein, wenn Werker und Gruppenleiter entsprechend trainiert und mit Freiräumen zur raschen Umsetzung der Ideen ausgestattet werden. „Die Eigeninitiative darf nicht wegbürokratisiert werden“, betont Huchzermeier. „Wer sich am schnellsten verbessert, gewinnt den harten Konkurrenzkampf.“ BMW-Werkschef Bauer gibt seinen Leuten ein einfaches Motto vor: „Einfach machen, aber bitte einfach.“

Die Botschaft wird offenbar von immer mehr Betrieben verstanden. Jedenfalls führen Loch und Huchzermeier den starken Anstieg der Arbeitsproduktivität in Deutschland auch auf die bessere Nutzung des Arbeitskräftepotenzials zurück. Der Effekt: Die lange führenden USA wurden erstmals überholt. „Das hat unsere Wettbewerbsfähigkeit enorm verbessert“, sagt Loch.

Dagegen funktionieren die Innovationsprozesse beim Gros der Unternehmen längst noch nicht so gut wie bei den Preisträgern. Das zeigt eine Studie des Instituts für angewandte Innovationsforschung in Bochum. Danach werden von 100 Ideen gerade einmal fünf zu einem Markterfolg. Bei BMW, Siemens und Weinmann ist die Ausbeute dank klar strukturierter Abläufe, genauer Auswahlverfahren, strikter Terminvorgaben und gründlicher Erfolgskontrollen deutlicher höher.

Die neue Fitness hat den Drang der Unternehmen, in die Fremde zu flüchten, merklich abgeschwächt. Zu diesem Ergebnis kommt das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung in einer aktuellen Studie. Hauptmotiv für Abwanderungsgedanken sind niedrigere Lohnkosten. Doch werde der Spareffekt oft überschätzt, warnt Fraunhofer-Experte Steffen Kinkel. „Löhne und Gehälter machen in vielen Betrieben nur noch zehn Prozent der Gesamtkosten aus, die zu erzielende Wirkung ist also begrenzt.“ Im Gegenzug, so ein weiteres Ergebnis seiner Studie, handeln sich viele Unternehmen Qualitätsprobleme und einen Verlust an Lieferfähigkeit ein.

Von September an ist wieder Gelegenheit, sich mit den Besten zu messen. Dann startet die nächste Runde im Wettbewerb „Die Beste Fabrik“. Aufgerufen sind Unternehmen aller Größen und Branchen – auch Dienstleister. Die Fragebögen stehen unter www.bestefabrik.de. Mitmachen, versichert Huchzermeier, lohnt auf jeden Fall. „Die Managementgrundsätze haben sich als ein Modell für Wachstum erwiesen.“

BMW-Manager Bauer bestätigt den positiven Effekt. „Die Teilnahme und die damit verbundenen Diskussionen haben unseren Blick für die richtigen Strategien und Instrumente noch einmal geschärft.“ Und er spornt seine Leute zu neuen Taten an. „Wer vorn bleiben will, muss seine Strukturen jeden Tag aufs Neue infrage stellen.“

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