Wetterexperte Sven Plöger "Im Klimawandel steckt eine Chance"

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Klima ist also quasi mehrere Wetter. Aber macht das die Vorhersage nicht schwieriger?

Zumindest komplexer, denn es geht um Wechselwirkungen der Atmosphäre mit dem gesamten Erdsystem – mit den Ozeanen, dem Gestein, den Eisflächen, der Vegetation und auch dem Menschen, der durch Landnutzung und die Emission von Treibhausgasen auf seine Umwelt einwirkt. Da wir heute nur abschätzen können, wie stark das weltweite Bevölkerungswachstum künftig ist, geben die Klimaforscher keine Prognosen ab, sondern errechnen Szenarien – die je nach Annahme stark variieren. So kommt der UN-Klimarat zu dem Schluss, dass sich die Temperatur bis Ende des Jahrhunderts um 1,1 bis 6,4 Grad Celsius erhöhen wird, wenn der Mensch keinen Klimaschutz betreibt. Das ist eine große Spannweite.

Die Grönländer freuen sich bereits, dass ihr Land wieder grün wird. Hat der Klimawandel also auch Vorteile?

Sicher, wenn die Temperaturen in Europa langsam steigen, dann wächst in England Rotwein, die Skandinavier können auf ihre Saunen verzichten und die Spanier fahren in den Sommerferien an die Ostsee-Küste – weil es bei ihnen zu heiß ist. Afrika und Asien könnten allerdings in Not geraten, wenn sich Wüsten ausbreiten und Kriege um die Ressource Wasser ausbrechen. Der ungezügelte Klimawandel schadet unterm Strich also mehr als er nutzt – es sei denn, wir begrenzen das Ausmaß und gehen mit den Folgen sinnvoll um.

Müssen wir auf Fleisch und Fernreisen verzichten, damit wir weniger CO2 produzieren?

Verbote bringen nichts – das schreckt die Leute nur ab und führt nicht zum Ziel. Stattdessen braucht es viel Information und einen Alltag, der das Klima automatisch schützt. Dabei geht es nicht darum, weniger zu heizen und dann im Kalten zu sitzen – sondern darum, die Häuser besser zu dämmen. Oder darum, die Wohnungen mit Solarstrom zu kühlen. Ein tolles Beispiel dafür ist Masdar-City, die erste CO2-freie Stadt, die bei Abu Dhabi in den Vereinigten Arabischen Emiraten entsteht. Dort bauen die Ölscheichs ein Bollwerk erneuerbarer Energien in die Wüste – und zeigen, dass sie die Zeichen der Zeit erkannt haben.

Leben Sie denn auch vorbildlich – wie groß ist Ihr persönlicher CO2-Fußabdruck?

Das weiß ich zwar nicht genau, aber so schlecht kann er nicht sein: Ich fahre nämlich sehr gern Fahrrad und mein Hobby ist das Segelfliegen. Aber wenn es demnächst nach China geht, fliege ich natürlich Linie. Allerdings will ich künftig für die von mir erzeugten Treibhausgase zahlen und damit Klimaschutz-Projekte unterstützen. Das ist sinnvoll – und tut nicht weh.

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