Wirtschaft von oben #140 – Häuser mit Meerblick Hier verschlingt die See millionenschwere Immobilien

27.10.2021: Das Wasser hat viele dieser Häuser in Vilano Beach in Florida bereits unterspült. Wie lange können sie sich noch halten? Quelle: LiveEO/Skywatch

Der Vulkanausbruch in Tonga treibt die Erosion an den Pazifikküsten voran. Doch auch anderswo auf der Welt fallen Jahr für Jahr große und kleine Häuser der See zum Opfer, wie Satellitenaufnahmen eindrücklich zeigen. Der Schaden ist gewaltig. Wirtschaft von oben ist eine Kooperation mit LiveEO.

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Die durch den Ausbruch des Vulkans im Südseestaat Tonga ausgelösten Tsunamis haben an vielen pazifischen Küstenabschnitten Spuren hinterlassen. Im australischen Bundesstaat New South Wales etwa haben die Wellen tonnenweise Sand von der Küste abgetragen. An einigen Stränden ist die Sandschicht der Western Sydney University zufolge jetzt rund zwei Meter niedriger.

Neben solchen Tsunamis tragen vor allem Stürme immer wieder zur Küstenerosion bei – nicht nur im Stillen Ozean. Neue Satellitenaufnahmen von LiveEO zeigen, wie sich die Weltmeere in den vergangenen Jahren Meter um Meter in Strandgrundstücke hineingefressen haben. Der Schwund vernichtet jedes Jahr Milliardenwerte. Mancherorts sind es einfache Wohnhäuser, an anderer Stelle teure Luxusimmobilien mit Meerblick. Einige Superreiche ließen ihre riesigen Villen den Aufnahmen zufolge sogar umsetzen, um sie zu retten.

Besonders unbarmherzig hat die Erosion zuletzt an der englischen Ostküste gewütet. Ein Damm aus Felsblöcken soll beispielsweise das Örtchen Happisburgh davor schützen, nach und nach ins Meer zu kippen. Bevor der Damm errichtet wurde, verlor die 1400-Einwohner-Gemeinde jedes Jahr mindestens ein Haus.

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Der Schutzwall hat den Vorgang zwar gebremst, kann ihn aber nicht aufhalten, wie die Aufnahmen zeigen. Fast zwei Dutzend Häuser mussten hier seit der Jahrtausendwende weichen. Bürgerinitiativen fordern nun von der Regierung in London, dass betroffene Häuser systematisch abgebaut und weiter im Inland wieder aufgebaut werden.

Auch wenn Happisburgh als die am schlimmsten von Erosion betroffene Gemeinde in Großbritannien gilt, sieht es ein paar Kilometer südlich, im Örtchen Newport in der Grafschaft Great Yarmouth, kaum besser aus. Hier verschwanden seit dem Jahr 2000 nahezu alle Häuser, die sich auf der Wasserseite der Küstenstraße befanden. Auf die hier verbliebenen wartet in absehbarer Zukunft ein ähnliches Schicksal.


In den USA, so schätzte die renommierte Woods Hole Oceographic Institution schon 2004, verlieren küstennahe Grundstücke und Häuser jedes Jahr still und leise drei bis fünf Milliarden Dollar an Wert, weil das Ende ihrer Lebenszeit immer näher rückt. Hinzu kommen jährliche 500 Millionen Dollar Schaden bei jenen Immobilien, die dem Meer zum Opfer fallen. Allein im US-Bundesstaat Louisiana werde der Immobilienschaden in den nächsten 50 Jahren 3,6 Milliarden Dollar betragen, schätzt eine Studie der Louisiana State University, sollte die Regierung nichts gegen die Küstenerosion unternehmen.

Die See macht dabei auch vor teuren Grundstücken der Superreichen nicht halt, beispielsweise auf der amerikanischen Ferieninsel Martha’s Vineyard, wo Präsidenten wie Barack Obama und John F. Kennedy ihre Sommerurlaube zu verbringen pflegten. Die Insel, die eine Art amerikanisches Sylt ist und zum Bundesstaat Massachusetts gehört, ist stark von der Küstenerosion betroffen.


Private-Equity-Fondsmanager Richard Schifter etwa war an der südwestlichen Spitze der Insel vor einigen Jahren gezwungen, seine 1200 Tonnen schwere Luxusvilla um knapp 100 Meter landeinwärts zu rücken.

Und mit ihr auch Pool, Garage und Gartenanlagen. Kritiker merken jedoch an, dass das Haus an dieser neuen Stelle wohl nur für ein paar Jahre sicher stehen werde.


Schifter ist nicht der einzige, der diesen aufwendigen Weg geht. Die Satellitenaufnahmen zeigen, dass auch an der Südküste der Nachbarinsel Nantucket Luxusimmobilien verrückt wurden, um sie vor der Erosion in Sicherheit zu bringen. Ganz in der Nähe hatten Anwohner außerdem einen gewaltigen rund 300 Meter langen mit Sand gefüllten Schlauch vor den Küstenböschungen installieren lassen, der nicht weggespült werden kann. Dieser Schlauch soll die darüber liegenden Häuser schützen.

Mitte 2021 aber ordneten die Behörden nach acht Jahren an, dass das Pilotbauwerk entfernt werden muss, weil es den Küstenschutzauflagen nicht entspreche. So muss es lokalen Medienberichten zufolge beispielsweise garantieren, dass dadurch an beiden Enden die Erosion nicht verstärkt wird. Die Anwohner haben gegen diese Entscheidung nun Widerspruch eingelegt.


Während auf den beiden nördlichen US-Inseln die Häuser notfalls Raum haben, um ins Landesinnere umzuziehen, ist das am dicht besiedelten Vilano Beach in Florida eher schwierig, wie die Bilder zeigen. Hier steht inzwischen die komplette erste Häuserlinie an der Küste kurz davor, ins Meer zu fallen. Einige Anwohner haben ihre Gebäude mit Stelzen abgestützt. So können sie das Unvermeidliche vielleicht ein paar Jahre hinauszögern. Am Ende wird der Ozean hier aber wohl den Kampf gewinnen.

Im australischen Küstenörtchen Wamberal kämpfen die Anwohner ebenfalls dagegen, dass ihre Häuser unterspült werden. Mitte 2020 sorgten Stürme für schwere Schäden. Die sind zwar in den meisten Fällen inzwischen geflickt, die Häuser teilweise mit provisorischen Steinbarrieren gesichert.


Vom Bundesstaat New South Wales engagierte Ingenieure untersuchen nun massive Eingriffe, um die Erosion dauerhaft zu stoppen. Dabei wird sogar über einen Betondeich nachgedacht. Kritiker jedoch befürchten, dass dieser den Strand und sein Flair zerstören würde.

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Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.

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