TV-Duell Nur das Wort reicht nicht

Merkel ist die Gewinnerin des TV-Duells – zumindest bei der Körpersprache. Ohne aggressiv aufzutreten, behält sie die Oberhand, Steinbrück patzt. Ein Kommunikationscoach analysiert die Auftritte der Kontrahenten.

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Wenn Blicke töten könnten: Merkel missfällt Steinbrücks Statement. Das zeigt sie deutlich. Quelle: dpa

Worte sind schnell vergessen. Sogar solche, die eine Kanzlerin und ihr Herausforderer während des großen TV-Duells sagen. Das wissen Angela Merkel und Peer Steinbrück. Sie kennen auch den Einfluss von Persönlichkeit, Körpersprache und Stimme. Sie sind gut vorbereitet auf dieses einzige große Aufeinandertreffen in diesem Wahlkampf.

Die Kanzlerin hat einmal gesagt, es gehe vor allem um das Vertrauen in ihre Person. Recht hat sie. Denn die Wirkung eines Menschen nehmen wir immer und unbewusst wahr. Sie ist es, die ganz ohne Worte über Sympathie und Vertrauen entscheidet – und damit letztlich die Wahl.

Merkel hat das verinnerlicht und ihren ganzen Wahlkampf darauf ausgerichtet. Sie macht zwar täglich zwei Wahlkampfauftritte, doch wünscht sie keine Berichterstattung. Welch Strategie! Denn sie weiß, dass sie es schafft, als Mensch das Vertrauen auf sich zu konzentrieren. Dazu zeigt sie sich nicht nur im Internet und der Werbung von der menschlichen Seite, sondern vermeidet Angriffe oder aggressiv wirkende Körpersprache.

Vereinfacht gesagt setzt sie auf Humor, Süffisanz und Gelassenheit. Denn so demonstriert sie die ruhige Hand, der der Wähler einen kühlen Kopf beim Weg durch Krisen zutraut. Ein Duell passt da nicht ins Konzept, hat doch schon der Name etwas Kämpferisches. Wer jetzt allerdings geglaubt hatte, Merkel würde sich bei Angriffen geschlagen geben und Schwächen zeigen, der hatte sich geirrt.

Schon wenn sie angegriffen wurde, wendete sie sich dem Herausforderer – und auch den Journalisten – zu und blickte sie selbstbewusst an. Selbst dann, wenn sie selbst ausgeteilte. Wie sie das getan hat, war typisch Merkel. Nicht aggressiv, sondern zynisch und immer nur auf entsprechende Steilvorlagen Steinbrücks. Dieser ist deshalb selbst an den drei Dolchstößen schuld, die sie ihm verpasst hat. 3:0 für die Amtsinhaberin.

Merkels Körpersprache am Sonntagabend war betont vorsichtig. Die Kameraführung vermied es, Gestik zu zeigen. Allein die Mimik blieb also den Kandidaten für die nonverbale Kommunikation. Merkels Lächeln war manchmal zwar freundlich, aber doch aufgesetzt. Dann wieder echt und herzlich, sympathisch oder aber sie war amüsiert über das, was sie hörte.

Doch beide Kandidaten geben über die Körpersprache mehr preis, als sie es vermutlich beabsichtigen. An Merkels Reaktion auf die Frage, ob sie den Atomausstieg nicht doch zu plötzlich und unüberlegt entschieden habe, war deutlich abzulesen, dass ihr die Frage im wahrsten Sinne des Wortes nicht schmeckte. Sie spitzte sie Lippen und versuchte die Frage mit der Zunge aus dem Mund zu schieben, für einen kurzen Moment war sogar ihre Zungenspitze zu sehen. Deutlicher drückt Merkel ihr Missfallen selten aus. Das war eindeutig.


„Wir nicken innerlich mit Merkel mit“

Und sie tat es nochmals. Kurz vor neun Uhr war das, bei einer Aussage Steinbrücks, die sie so gar nicht gut heißen konnte. Ihre Mimik sprach deutlich. Erst ein kurzes Entsetzen, dann einen Blick, dem man tödliche Wirkung zutrauen könnte. Merkels Mimik ist zu ihrem dritten Markenzeichen geworden – neben den farbigen Jacketts und der zur Raute geformten Hände.

Ob es Absicht war, dass sie bei einigen ihrer Ausführungen permanent nickte? Vermutlich nicht. Doch die Wirkung ist interessant: Denn empathisch nicken wir innerlich oder sogar tatsächlich mit ihr mit. Wir stimmen in den Rhythmus ein. So stimmen wir ihr zu, ob wir wollen oder nicht.

Peer Steinbrück dagegen macht den Eindruck, als hielte er die Wirkung seines Auftrittes für irrelevant, komme es doch nur auf die Inhalte an. Genauso war es am Abend auch beim Duell. Rhetorisch gut vorbereitet, war seine Mimik kühl wie immer. Selbst wenn er lachte, wirkte es manchmal als wäre er kurz davor zuzubeißen. Das Lachen wirkte stets gequält. Sein Mund steht entweder offen oder wird zugepresst. Nichts davon wirkt freundlich.

Das überhaupt Typischste an Steinbrück: Wenn er zuhört, steht der Mund halb offen. Das wirkt konzentriert – und das ist es wohl auch. Die zweite Variante sind seine fest aufeinander gepressten Lippen. Diese verschwinden dann ganz nach innen. Sein Mund bildet so ein umgekehrtes Lächeln. Die Winkel weit nach unten gezogen zu einem fast perfekten Halbkreis. Das setzt er unbewusst beim Zuhören, beim Nachdenken und in Sprechpausen ein.

Beim Duell allerdings war dies erstaunlicherweise selten zu sehen. Hat er etwa trainiert? Er lehnt doch – nach eigener Aussage – Coaching ab, weil er es (irrtümlich!) für Schauspielerei hält. Dagegen scheint der Rat seiner Frau gewirkt zu haben. Sie hat ihm erklärt, dass der Angreifer den Kürzeren zieht. Natürlich konnte er es nicht lassen und musste es als Herausforderer auch. Doch es war von weit weniger Aggression geprägt, als er es sonst macht. Prompt konnte er bei den Zuschauern ein paar Punkte gut machen.

Als er allerdings einmal versucht, die Wähler direkt anzusprechen – wohl in der Hoffnung dadurch zu punkten – wirkt dies gewollt und er vermasselt es auch. Denn er sucht die richtige Kamera, findet sie nicht und erzeugt so nicht den nötigen Blickkontakt mit den Menschen.

Zeigt die Kamera mal beide während Merkel spricht, macht Steinbrück den Eindruck, als höre er nicht zu, sondern ist nur voller Ungeduld, endlich selbst wieder zu Wort zu kommen. Merkel hörte dagegen stets zugewandt zu. Auch wenn man nicht spricht, erzeugt man Wirkung.

Steinbrück hat allerdings eine Fähigkeit, die er viel zu wenig einsetzt – und wenn, dann immer nur, um Negatives zu verstärken. Das sind seine Metaphern. So spricht er von den leeren Schachteln der Bundesregierung, da wird in die Röhre geguckt oder jemand ist der Gelackmeierte. Das erzeugt Bilder und Emotionen. Davon könnte er mehr – und positivere – einsetzen. Damit würde er punkten.

Merkel hat nicht dazu gewonnen, aber auch nicht verloren. Sie wäre gut ohne das Duell ausgekommen. Steinbrück war dagegen besser als sonst. Für ihn war das Duell eine Chance, die er wenigstens zum Teil genutzt hat. Trotzdem wird er es 20 Tage vor der Wahl nicht mehr schaffen, sich in die Herzen zu reden. Dazu ist und bleibt er zu kühl, distanziert und aggressiv. Die Worte alleine reichen eben nicht.

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