Ulrich Reinhardt „Die Deutschen ändern ihr Verhalten nur sehr langsam“

Ulrich Reinhardt ist Wissenschaftlicher Leiter der Stiftung für Zukunftsfragen und beschäftigt sich damit Tag für Tag mit dem Wandel unserer Welt. Eine regelmäßige Erkenntnis: Die Deutschen bleiben sich selbst stets treu.

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Prof. Dr. Ulrich Reinhardt: Für ihn ist Disney der größte Visionär.

Welche Innovation hat die Welt am nachhaltigsten verändert?
Die Uhr. Diese hat spätestens seit dem Altertum die Entwicklung der Menschheit stark beeinflusst. Und auch heute prägt sie unser Leben, bestimmt unseren Tag- und unseren Nachtrhythmus, unsere Arbeits- und Freizeit. Beim Blick auf die Uhr sehen wir wie viel Zeit uns noch für etwas bleibt, aber auch wie viel wir bereits vertan haben.

Wer ist für Sie der größte Visionär?
Walter Elias Disney, der es geschafft hat Freude und Glück zu verbreiten (und dabei auch noch reich zu werden). Sein Arbeitsansatz war dabei zunächst eine Idee zu entwickeln, dann an ihrer Umsetzung zu arbeiten und erst ganz zum Schluss die Kritiker – heute wären es wahrscheinlich die Controller – zu Wort kommen zu lassen. Solch eine Herangehensweise würde ich zukünftig gerne wieder häufiger sehen.


In welchen Momenten kommen Ihnen die besten Ideen?
Beim Spielen mit meinen Kindern. Die Kreativität und Naivität, die Offenheit und die Phantasie von Kindern sind einzigartig. Beim Betrachten von Zusammenhängen aus dieser völlig anderen Perspektive hinterfrage ich Dinge. Dadurch entstehen bei mir Fragen für neue Forschungsprojekte.  Ein Beispiel: Fragen wir uns, wann wir das letzte Mal etwas zum ersten Mal gemacht haben. Die meisten müssen für die Antwort wahrscheinlich recht lange überlegen und sich weit in die Vergangenheit zurück denken. Kinder hingegen erleben fast jeden Tag etwas zum ersten Mal. Allein die Reaktion meiner Kinder auf etwas völlig Neues setzt bei mir neue Impulse.


Sollte der, der Visionen hat, wirklich zum Arzt gehen?
Helmut Schmid hat diesen Satz ein einziges Mal gesagt, ihn danach aber mehrfach bedauert und betont, wie wichtig es ist Visionen zu haben. Vielleicht sollten wir den Satz einmal umdrehen und fragen, ob derjenige, der keine Visionen hat, nicht zum Arzt gehen sollte.

„Zukunft ist Herkunft“ lautet der Grundsatz der Stiftung für Zukunftsfragen: Inwiefern muss man auch zurückschauen, um die Fragen von Morgen zu beantworten?
Ein Großteil unserer Forschung beruht auf Zeitreihen und Vergleichswerten. Das heißt, wir stellen einem repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung immer wieder die gleichen Fragen und können so Entwicklungen nachvollziehen und zuverlässige Prognosen für die Zukunft erstellen. Ein Ergebnis wiederholt sich dabei fast immer: Wir Deutschen ändern unser Verhalten und unsere Einstellungen nur sehr langsam und bleiben uns selbst stets treu. Weder neue Möglichkeiten (z.B. technologische) noch unvorhersehbare Ereignisse (z.B. Finanzkrisen) führen also automatisch zu einer Verhaltungsänderung. Und noch eines können wir aus der Geschichte lernen: Die Zukunft wird besser sein als die Vergangenheit – denn auch dieses war schon immer so. 

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