Anhörung vor US-Kongress Akio Toyodas Gang nach Canossa

Noch nie musste ein ausländischer Spitzenmanager sich so tief in Washington verbeugen wie Toyota-Chef Akio Toyoda. Am Mittwoch gestand er vor dem US-Kongress gravierende Fehler ein, zeigte sich angesichts harscher Kritik reumütig. Doch Häme ist fehl am Platz, denn der Konzern wird die Nummer eins bleiben. Das weiß auch die Konkurrenz.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Toyodas schwerer Gang. Quelle: ap

KÖLN/NEW YORK/HAMBURG. Demütig räumt die Nummer eins des mächtigsten Autoherstellers der Welt gravierende Fehler ein. Dankbar sei er, vor dem Kongress sprechen zu dürfen, sagte der aus Tokio herbeizitierte Toyota-Chef Akio Toyoda gestern in den USA. Den Gründerenkel, den sie in Japan respektvoll "Prince" nennen, hat eine einzigartige Pannenserie zum Kotau gezwungen. Mehr als 8,5 Mio. Fahrzeuge des jahrzehntelang für seine Qualität gerühmten Branchenprimus muss der Konzern in die Werkstätten zurückrufen. Viele der Wagen drohen ungewollt zu beschleunigen. Bei einigen Hybridmodellen können die Bremsen zeitweise aussetzen.

Noch nie musste ein ausländischer Spitzenmanager sich so tief in Washington verbeugen. Lange hatte Toyoda gezögert, sich zu der Pannenserie öffentlich zu äußern. Erst auf Druck von US-Behörden und der japanischen Regierung fand er sich bereit, den Abgeordneten Rede und Antwort zu stehen.

Der von den Politikern geschürte Volkszorn schlägt hohe Wellen, nicht nur in Amerika. Toyoda vertritt nicht nur den mächtigsten japanischen Konzern, er steht für seine gesamte Nation und die "Japan Inc." am Pranger. Der Konzern sei zu schnell gewachsen und habe Sicherheit und Qualität vernachlässigt, räumte Toyoda ein.

Nur sein vorbereitetes Redemanuskript verlas er am Mittwoch in Englisch, den Rest der Sitzung sprach er Japanisch. Dabei wandte er sich auch an die Zuhörer zu Hause und sandte Botschaften an eine verunsicherte Mannschaft. "Wir sind überzeugt, dass der Schlüssel für Qualitätsprodukte in der Entwicklung von hochqualifizierten Mitarbeitern liegt. Jeder einzelne macht kontinuierliche Fortschritte - und das führt zu immer besseren Autos", sagte Toyoda.

Die Kongressmitglieder wollten sich damit nicht zufriedengeben. Sie legten belastende Dokumente vor, griffen Toyoda und seinen US-Chef Yashimi Inaba mehrfach direkt an, doch selten passten die Antworten der Japaner zu den Fragen der US-Politiker. Regelmäßig verwies Toyoda darauf, dass er erst Ende 2009 von den Sicherheitsproblemen gehört habe, bisweilen stieß er auch auf Hindernisse bei der Übersetzung.

Längst erweist sich die größte Rückrufserie der Autogeschichte als Pulverfass für das Verhältnis zwischen Nordamerika und Japan. Doch allen Widerständen zum Trotz: Toyota wird absehbar der stärkste Autokonzern der Welt bleiben. 1999 produzierte Toyota 4,7 Mio. Autos, 2008 waren es bereits 8,4 Mio. Einheiten. Für den jahrzehntelang ungebrochen wachsenden Konzern kann sich der Misserfolg als heilsamer Schock erweisen.

Selbst der ärgste Rivale Volkswagen sieht die über die Pannenserie ausgebrochene Hysterie als überzogen an. "Das ist nicht der Niedergang des Konzerns. Toyota kommt wieder, allerdings auf viel niedrigerem Niveau als vorher", sagt Branchenexperte Helmut Becker. Der Absatz des Marktführers schrumpft im laufenden Geschäftsjahr auf etwas mehr als sieben Mio. Autos. "Toyota wird jetzt zwei Schritte zurückgehen und sämtliche Prozesse überprüfen, um wieder das hohe Qualitätsniveau zu erreichen, das der Konzern zuvor hatte", ist Becker überzeugt.

Um Kosten zu minimieren, waren die Japaner zu hohe Risiken eingegangen. Die Pannenserie legt das brutal offen. Für das Geschäftsjahr 2010 will Toyota aber wieder einen Gewinn von knapp 650 Mio. Euro erwirtschaften. Im vorigen Geschäftsjahr hatte der Konzern mit einem Minus von mehr als drei Mrd. Euro den ersten Verlust seit Jahrzehnten gemacht. "Toyota kann es innerhalb von vier oder fünf Jahren schaffen, das durch die Pannenserie angekratzte Image wiederherzustellen - wenn es gelingt, sich erneut an die Spitze der Qualitätsstatistiken vorzuarbeiten", sagt Becker.

Toyoda tut alles dafür. Vor dem Kongress schloss er gestern mit einem Versprechen: "Mein Name steht auf jedem Auto. Ich versichere Ihnen persönlich, dass Toyota hartnäckig und unaufhörlich daran arbeiten wird, das Vertrauen der Kunden wiederzugewinnen."

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%