Schwellenländer Deutsche Autobauer lagern Ingenieursdienstleistungen aus

Deutsche Ingenieurskunst hat Weltruf. Doch ausgerechnet in der Forschung und Entwicklung (F&E) der prestigeträchtigen Autobranche gibt es jetzt einen Trend zum Auslagern in Schwellenländer.

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Bei Forschung und Entwicklung greifen deutsche Autobauer verstärkt auf Dienstleister in den Schwellenländern zurück. Das bietet sich besonders bei alternativen Antrieben an. Quelle: dpa

DÜSSELDORF. Die Unternehmensberatung Roland Berger Strategy Consultants erwartet bis 2013 ein jährliches Wachstum von vier bis fünf Prozent bei F&E, die Autobauer an externe Dienstleister vergeben. Das geht aus einer Studie hervor, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt und für die führende Manager der Automobilindustrie befragt wurden.

Durch das Auslagern von Ingenieursdienstleistungen können die Hersteller demnach ihre Kosten senken und flexibler werden. Besonders attraktiv sei diese Option in Zusammenspiel mit den "sehr erfolgreichen" Akteuren in Schwellenländern. Sie arbeiten der Unternehmensberatung zufolge mit hochqualifizierten Technikern auf niedrigerem Gehaltsniveau und haben umfassende Kompetenz bei Designkonzepten für Billigfahrzeuge. "Da sie eine sehr steile Lernkurve durchlaufen, dringen sie oft auch schon in die oberen Marktsegmente vor." Unter Berücksichtigung der Prozess- und Koordinationskosten, könnten die Einsparungen bis zu 35 Prozent der vergleichbaren internen F&E-Kosten betragen.

Zuletzt hatten viele Autobauer infolge des Markteinbruchs Forschungs- und Entwicklungskompetenz zurück ins Unternehmen geholt, um die eigene Belegschaft auszulasten. "In Zukunft brauchen sie aber externe Engineering-Kompetenz und-Ressourcen, um die steigende Zahl an Modellen und Varianten abdecken zu können und die komplexen neuen Technologien zu bewältigen", sagt Wolfgang Bernhart, Studienautor und Partner bei Roland Berger. Die Automobilhersteller müssten sich bei den Basistechnologien zunehmend auf eine engere Zusammenarbeit einstellen und auf Industriestandards verständigen, um die steigenden Entwicklungskosten einzudämmen.

Das Auslagern steigere zudem die Flexibilität der Autobauer. "Das ermöglicht es ihnen, ihre F&E-Kapazitäten je nach Bedarf rasch aufzustocken, abzubauen oder neu auszurichten. Auch erschließt die Zusammenarbeit mit einem Engineering-Services-Anbieter Herstellern und Zulieferern zusätzliche Kompetenzen." Das werde Folgen für die gesamte Autobranche haben: "Das Thema Technologie wird mittel- und langfristig als Unterscheidungsmerkmal an Bedeutung verlieren."

Am geeignetsten für Auslagerungen hält Norbert Dressler, Partner im Kompetenzzentrum Automotive von Roland Berger, die Elektrifizierung des Antriebsstranges. "Die Kompetenz für Elektro- und Hybridantriebe könnte sich in den Billiglohnländern ansiedeln." Das begründet er auch damit, dass bei den Autobauern intern nicht ausreichend Ressourcen und Kompetenzen für alternative Antriebe wie Brennstoffzelle, Elektro oder Hybrid vorhanden seien. Denn die internen Ingenieure müssen F&E-Aufgaben im Zusammenhang mit der Elektrifizierung zusätzlich zu ihrem Arbeitspensum im Rahmen der normalen Programmentwicklung leisten. In anderen Bereichen, etwa Karosserie und Interieur, dürften der Studie zufolge kaum Entwicklungsaufgaben nach außen verlagert werden

Dressler sieht keine Gefahr für Komponentenzulieferer, wohl aber für Entwicklungsdienstleister, die jedoch schon reagierten: "Die bauen beispielsweise in Indien Standorte auf." Einen Zielkonflikt mit der Beschäftigungssicherung, an die viele deutsche Autobauer langfristig gebunden sind, gebe es nicht. "Schon seit Jahren lagern die Hersteller ja einen Teil der Forschung und Entwicklung an Entwicklungsdienstleister (EDLs) aus - je nach Hersteller und Entwicklungszyklus schwankt der extern zugelieferte Anteil zwischen 10 und 15 Prozent."

Die Autobauer müssen Dressler zufolge ihre Kernkompetenzen in der Entwicklung definieren und sich dabei verglichen mit heute einschränken. Er warnt: "Vor allem müssen Fahrzeughersteller und-zulieferer die für sie richtige Antwort darauf finden, was ausgelagert werden soll und wohin, mit welchen Anbietern sie zusammenarbeiten und welchen greifbaren Nutzen sie erzielen wollen." Der Unternehmensberater räumt ein, dass auch Risiken bestehen, etwa hinsichtlich der Qualität. Zudem drohe der Verlust von Know-how. "Um diese Gefahr zu minimieren, ist es wichtig, bei Auslagerungen und bei der Partnerwahl sehr selektiv zu sein, EDLs zu qualifizieren und auf fachlich spezialisierte Anbieter zu setzen." Außerdem können Kostenvorteile durch eine Doppelung der F&E-Aufgaben und versteckte Kosten neutralisiert werden.

Die Anbieter von Ingenieursdienstleistungen sind laut der Studie gut beraten, einen klaren Wettbewerbsvorteil herauszuarbeiten, indem sie modernstes Technologie-Know-how in den Bereichen vorantreiben, die Autobauer nachfragen. Angeblich umfassende Fahrzeugkompetenz ohne eindeutigen Kompetenzschwerpunkt wirke auf die meisten Hersteller nicht gerade überzeugend, sondern wecke vielmehr Misstrauen.

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