Insolvenzrecht Sanierung von Pleitefirmen fällt heute leichter

Warum die Insolvenzordnung von 1999 die Sanierung und den Erhalt zahlungsunfähiger Unternehmen erleichtert.

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Nachschlagewerk zur Quelle: dpa/dpaweb

Konkurs oder Vergleich mit den Gläubigern, diese beiden Alternativen gab es früher, wenn Unternehmen zahlungsunfähig waren. Der Gesetzgeber ersetzte sie nach jahrelanger Vorbereitung durch die Insolvenzordnung. Die Abwickler der Pleitefirmen, also die Insolvenzverwalter, hatten fortan ausdrücklich den Auftrag, Firmen am Leben zu erhalten, wenn es die wirtschaftliche Situation zulässt. Dazu stehen ihnen seitdem verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung.

Das Insolvenzplanverfahren gilt als Herz der Reform, denn es zielt auf die Sanierung des Unternehmens. Kern des Verfahrens ist ein Sanierungsplan, den der Insolvenzverwalter den Gläubigern vorlegt und über den diese abstimmen müssen. Dadurch wird der Insolvenzverwalter nicht selten zum Sanierer der Pleitefirma. Die Rechtsform des Unternehmens bleibt bestehen. Dies ist von Vorteil, wenn die zahlungsunfähige Firma etwa eine börsennotierte Aktiengesellschaft (AG) ist. Denn die Chance, dass die Aktien wieder an Wert gewinnen, besteht nur, wenn die AG weiterlebt. Außerdem ist das Verfahren sinnvoll, wenn ein Unternehmen viele Verträge mit Kunden oder Lieferanten unterhält, da diese weiterhin gelten. Würde eine neue Gesellschaft gegründet, wären die alten Verträge nicht mehr gültig. Und das kann dem insolventen Unternehmen mehr schaden als nutzen.

Voraussetzung für die Planinsolvenz ist allerdings, dass das insolvente Unternehmen grundsätzlich sanierungsfähig ist, also nach Abschluss des Verfahrens wieder profitabel sein kann. Außerdem müssen die wichtigsten Geschäftspartner, also beispielsweise Banken, Kunden oder Lieferanten, an der Sanierung Interesse haben – etwa, wenn für sie der Verkauf der Pleitefirma an einen Konkurrenten oder Finanzinvestor die schlechtere Alternative ist. Der Düsseldorfer Insolvenzverwalter Frank Kebekus warnt jedoch vor einem Missverständnis: „Viele denken, dass Unternehmen nur durch das Insolvenzplanverfahren gerettet werden können.“

Die übertragene Sanierung ist die Alternative zum Insolvenzplanverfahren. Dabei erhält das Unternehmen eine neue Gesellschaftsform. Alle alten Verträge gelten nicht mehr, das Unternehmen startet quasi von null. Die meisten Investoren, die das Pleiteunternehmen gerne übernehmen würden, bevorzugen diese Form der Sanierung, sagt Kebekus. Denn die neue Firma ist frei von vertraglichen Altlasten und der Umbau geht schneller über die Bühne. Anders als in der Planinsolvenz muss der Verwalter weniger Kompromisse mit den Gläubigern des Pleitiers schließen.

Der Schutz vor Plünderungen ist ebenfalls ein Kernstück des Insolvenzrechts von 1999. Früher hatten Gläubiger das Recht, die Lager und Büros leerzuräumen, solange das Gericht noch nicht über die Eröffnung des Konkursverfahrens entschieden hatte – was teilweise mehrere Wochen dauern konnte. Heute können Insolvenzverwalter solche Raubzüge verhindern, ebenso die Zwangsversteigerungen der Immobilien. Dadurch bleiben dem Unternehmen wichtige Gebäude und Anlagen erhalten.

Die drohende Zahlungsunfähigkeit reicht seit der Reform bereits aus, um ein Insolvenzverfahren zu eröffnen. Früher musste ein Unternehmen tatsächlich zahlungsunfähig sein. Je früher die Insolvenz angemeldet wird, desto besser sind meist die Sanierungschancen.

Die Überschuldung – wenn die Schulden das Betriebsvermögen und die Forderungen übersteigen – wurde im Finanzmarktstabilisierungsgesetz im Oktober 2008 neu definiert. Unternehmen, deren Überleben „überwiegend wahrscheinlich“ ist, müssen seitdem nicht mehr zwingend ein Insolvenzverfahren durchlaufen. Das kann ihnen gerade in der derzeitigen Finanzkrise wichtigen Spielraum verschaffen.

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