Hinrichtung US-Giftspritze zukünftig ohne deutsche Unterstützung

Deutsche Firmen wollen keine Mittel mehr zur Herstellung von Giftspritzen in den USA liefern. Amerika muss nun schleunigst neue Lieferquellen für ihre Giftcocktails suchen.

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Ein Hinrichtungsraum in den USA. Quelle: ap

HB FRANKFURT. Narkosemittel aus Deutschland sollen nicht bei Hinrichtungen in den USA zum Einsatz kommen. Mehrere Firmen, die den häufig in Todesspritzen enthaltenen Wirkstoff Thiopental produzieren, sagten am Montag der Nachrichtenagentur Reuters, das Mittel nicht nach Amerika liefern zu wollen. Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler ruft Herstellerfirmen und den deutschen Pharma-Großhandel dazu auf, "solchen Lieferersuchen" weiter nicht zu entsprechen.

Thiopental ist ein Bestandteil des Giftcocktails, der bei Hinrichtungen in vielen US-Bundesstaaten verabreicht wird. Da es seit längerem Lieferprobleme mit Thiopental gibt und der größte Lieferant, der US-Konzern Hospira, das Präparat nicht mehr herstellen will, wollen sich einige US-Staaten das Mittel auch in Europa beschaffen. In Großbritannien gab es bereits Anfragen, was Rösler alarmierte.

Zu den Produzenten in Deutschland gehört Rotexmedica aus Trittau bei Hamburg, eine Tochter der französischen Panpharma-Gruppe. Laut Vertriebsleiter Andreas Wendt hat Rotexmedica bislang nie in die Vereinigten Staaten geliefert und will das auch in Zukunft nicht tun. Ähnlich äußerte sich die deutsche Tochter der Schweizer Pharmafirma Nycomed sowie die Firma Inresa aus Freiburg, die das Mittel ebenfalls produzieren. Nycomed unterstütze den Vorstoß von Rösler, sagte ein Sprecher.

Inresa-Geschäftsführer Henric Wassmer weist jedoch darauf hin, dass es schwer zu kontrollieren ist, wohin Apotheken, die das Mittel über den Pharmagroßhandel beziehen, Thiopental liefern.Zudem könnten die Hersteller Todesstrafen in den USA durch einen Lieferboykott nur verzögern und nicht verhindern.

"Sie können Menschen mit 1000 verschiedenen Mitteln umbringen, unter anderem wenn die Dosierung von Narkosemitteln zu hoch ist", erklärte Wassmer. "Das hat sich ja auch der Fall Michael Jackson gezeigt." Der Popstar hatte vor seinem Tod im Sommer 2009 zu viel von dem Narkosemittel Propofol eingenommen.

Große Konzerne wie Fresenius, Stada oder die deutsche Teva-Tochter Ratiopharm produzieren nach eigenen Angaben kein Thiopental und vertreiben es auch nicht. Thiopental ist ein älteres Narkosemittel, das schon seit längerem den Patentschutz verloren hat. Es wird vor allem bei kürzeren Eingriffen eingesetzt, wurde jedoch mittlerweile von neueren Narkose-Mitteln weitgehend vom Markt verdrängt.

Hospira wollte Thiopental nach Produktionsproblemen in den USA zunächst in Italien herstellen. Da das Unternehmen nicht garantieren konnte, dass die Substanz nicht in Todesspritzen verwendet wird, legten die italienischen Behörden jedoch ein Veto ein. Der US-Konzern beschloss deshalb, die Produktion ganz einzustellen. Das spürt nun auch die Schweizer Handelsfirma Ospedalia, die das Mittel bislang aus Italien importierte.

Laut Geschäftsführer Christoph Baerlocher hat Ospedalia nur noch Restbestände von Thiopental und will diese ebenfalls nicht in die USA liefern. Ob Ospedalia auf einen anderen Lieferanten wie Nycomed oder Inresa umsteige, sei noch nicht entschieden.

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