Glücksspiel Wettmonopol treibt Zocker ins Ausland

Mehr als sieben Milliarden Euro Wetteinsatz fließen jährlich am Staat vorbei - wegen zu strenger Regulierung, wie eine Studie feststellt. Ausländische Gambling-Portale profitieren indes von Deutschlands restriktiver Haltung zu Glücksspielen.

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Seit zwei Jahren sind private Wettangebote in Deutschland verboten. Quelle: dpa

MÜNCHEN. Es gibt eine Überweisung, die der Kassenwart des AC Mailand wohl nie vergessen wird: 100 000 Euro Zwangsgeld plus 239,96 Euro Bearbeitungsgebühr musste der Club vergangenes Jahr aufs Konto der Landeshauptstadt München einzahlen. Es war die Strafe dafür, dass der Fußballverein beim Auswärtsspiel gegen den FC Bayern am 11. April 2007 mit Trikots aufgelaufen war, die Werbung für den privaten Sportwetten-Anbieter Bwin zeigten.

Der kuriose Vorfall beweist: Wenn es um das staatlich verordnete Wettmonopol geht, verstehen die deutschen Behörden keinen Spaß. "Der AC Mailand muss seine gerechte Strafe bezahlen", freute sich Münchens Stadtkämmerer Ernst Wolowicz. Ob sich die restriktive Haltung für Deutschland aber wirklich auszahlt, ist zweifelhaft. Eine neue Studie des Beratungsunternehmens Goldmedia, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt, zeigt: Die Zocker lassen sich nicht stoppen. "Die Spieler weichen gegenwärtig offenbar vollständig auf ausländische Gambling-Portale aus", sagt der Autor der Untersuchung, Michael Schmid.

Goldmedia hat in den vergangenen zwei Jahren "massive Umsatzeinbrüche der staatlichen Glücksspielanbieter" registriert. Stattdessen floriere der Online-Sektor, der aber "inzwischen vollständig im rechtsgrauen Raum" arbeite. Es geht um hohe Steuereinnahmen, die dem deutschen Staat verloren gehen: Vergangenes Jahr haben die Deutschen laut Studie 7,8 Mrd. Euro für Wetten eingesetzt. Nur ein Bruchteil davon entfiel auf die legalen Angebote von Oddset oder auf Pferderennbahnen. Allein den Schwarzmarkt in Hinterzimmern schätzt Goldmedia auf eine Mrd. Euro. Online-Anbieter kamen 2009 auf knapp vier Mrd. Euro, in Wettbüros wurden 2,4 Mrd. Euro umgesetzt. 94 Prozent der Wettumsätze fließen demnach in private Dienste, die es eigentlich gar nicht geben dürfte.

Seit zwei Jahren gibt es hierzulande strenge Regeln, mit denen die Länder ihre Lotto- und Sportwettenangebote vor den privaten Wettbewerbern schützen wollen. Gleichzeitig sollen die Menschen damit vor der Spielsucht bewahrt werden. Private Wettangebote sind verboten, die Werbung ist selbst für die staatlichen Anbieter eingeschränkt, Glücksspiele im Internet sind gar tabu. Viele Politiker werten den seit 1. Januar 2008 geltenden Glücksspiel-Staatsvertrag dagegen als Erfolg. "Die Erträge aus Lotterien und Wetten kommen stets der Allgemeinheit zugute und dienen nicht dem Gewinnstreben einzelner Privater", sagte zu Jahresbeginn Bayerns Finanzminister Georg Fahrenschon.

Die Wettanbieter wettern seit Jahren gegen den Staatsvertrag. Doch auch Sportvereine, die großen Profiligen und TV-Sender setzen sich für größere Freiheiten ein, weil sie die Wettanbieter gerne als Sponsoren oder Werbekunden hätten. "Das bestehende System fördert den Gang in die illegalen Weiten des Netzes", klagt Jan Pommer, Geschäftsführer der Deutschen Basketball-Liga (BBL). "Illegale Wettanbieter schießen wie Pilze aus dem Boden, ohne dass der Breitensport und die öffentliche Hand davon profitieren."

Die TV-Branche sieht sich durch das Werbeverbot der Wettfirmen um eine wichtige Einnahmequelle gebracht. "Die Spieleinsätze wandern in Deutschland in den Schwarzmarkt ab. Die Werbeeinahmen der Medienunternehmen sind komplett weggebrochen", klagt Thomas Deissenberger, Sprecher des Arbeitskreises Wetten des Verbands Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT). Der Manager fordert einen kontrollierten Markt mit privaten und staatlichen Anbietern.

Derzeit nimmt eine Arbeitsgruppe der Länder den Staatsvertrag unter die Lupe. Beobachter gehen davon aus, dass im Herbst eine Entscheidung fällt, wie es nun weiter geht. Inzwischen gibt es Unterstützung für die Position von privaten Wettanbietern, Ligen, Vereinen und Medienfirmen.

Die FDP-Landtagsfraktion in Niedersachsen will das staatliche Glücksspiel-Monopol kippen. Der Staatsvertrag habe das Land Niedersachsen rund 70 Millionen Euro jährlich gekostet und zur Bekämpfung der Spielsucht nichts gebracht, kritisiert Fraktionschef Christian Dürr. Er fordert, wieder private Sportwetten-Anbieter zuzulassen.

Wettmarkt

Keine Steuern Große Wettanbieter wie Bwin aus Österreich bedienen ihre deutschen Kunden derzeit vom Ausland aus. Der deutsche Staat bekommt keinen Cent Steuer. Bwin allerdings hat mehrfach angekündigt, alle Einnahmen hierzulande zu versteuern, sollte das Glücksspiel legalisiert werden.

Die Vorreiter Italien und Dänemark haben private Anbieter auf dem Wettmarkt zugelassen, kontrollieren das Geschäft aber strikt. Ein ähnliches Modell favorisieren Experten auch für Deutschland. Allerdings darf die Besteuerung nicht zu hoch sein, sonst weichen die Spieler wieder ins Ausland aus.

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