Anwälte Wirtschaftsanwälte profitieren vom Boom der Rechtsberatung

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Linklaters-Senior-Partner Lappe: Tiefe Spuren der Finanzkrise Quelle: Robert Brembeck für WirtschaftsWoche

Der Grund: „Getrübte Stimmung bei den Investmentbankern wirkt sich auch auf unser Geschäft aus. Aber der Kamm der Welle ist durch. Ab dem dritten Quartal 2008 könnte es bereits wieder aufwärts gehen“, zeigt sich Lappe dennoch optimistisch. Da die Preise für Unternehmenskäufe heruntergingen, seien es gute Zeiten für strategische Käufer, die über hohe liquide Mittel verfügten. Als Beispiel nennt Lappe den Wiedereinstieg von Daimler beim Motorenhersteller Tognum. Linklaters beriet dabei den Stuttgarter Autokonzern.

Auch Managing-Partner Hans-Josef Schneider von Clifford Chance sieht keinen Grund für Pessimismus: „Frankfurt ist zu einer Art Knotenpunkt geworden. Von hier aus betreuen wir hochkarätige Deals in Mittel- und Osteuropa, in Russland, der Türkei und im Mittleren Osten.“ Jüngstes Beispiel: Clifford-Advokaten haben die Unternehmen Sabic und Saudi Kayan bei einem Finanzierungspaket mit einem Volumen von sechs Milliarden Dollar zur Planung und Errichtung der weltgrößten integrierten petrochemischen Anlage beraten. Die Anlage im Gesamtwert von zehn Milliarden US-Dollar wird in Jubail Industrial City, Saudi-Arabien, errichtet.

Den Ausbau des internationalen Netzwerkes hat sich auch die deutsche Wirtschaftskanzlei Hengeler Mueller auf die Fahnen geschrieben, die zwar in London und Brüssel über Auslandsbüros verfügt, ansonsten aber bei internationalen Transaktionen Beraterteams zusammenstellt. Neben China und Indien nimmt der gerade neu gewählte Co-Managing Partner Andreas Austmann vor allem die arabischen Emirate und Russland ins Visier: „Dort ist sehr viel Geld vorhanden.“ Mittelfristig bleibe aber auch das Geschäft mit Unternehmenskäufen und » Fusionen stabil. „Im Private-Equity-Boom waren weniger strategische Käufer im Markt, die kommen jetzt wieder im Zuge gesunkener Preise“, sagt Austmann. Allerdings habe sich etwas geändert: Die Interessenten schauen bei den Bilanzen genau hin, bis sie vielleicht doch noch das Haar in der Suppe finden, sagt Austmann: „Das führt dazu, dass die Erfolgsquote bei den Abschlüssen heute niedriger ist als noch vor einem Jahr. Aber die sieben fetten Jahre sind in Deutschland noch nicht vorbei.“

Hoher Wettbewerbsdruck herrscht bei der Aquise großer Industrie-Mandate

Hoher Wettbewerbsdruck herrscht vor allem bei der Akquise großer Industrie-Mandate. Denn Sozietäten, die eines oder mehrere Dax-30-Unternehmen beraten, steigern ihren Markenwert. Eine Kanzlei, die hier besonders viel Renommee aufgebaut hat, was ihr auch beim Gewinn neuer Mandate hilft, ist Hengeler Mueller. Zu den Mandanten gehörten in den letzten Jahren 22 der 30 im Dax (darunter Bayer und Deutsche Bank), 31 der im Euro Stoxx 50 (unter anderem Allianz) und 14 der 30 im Dow Jones geführten Unternehmen (etwa General Electric). Auch der auf das nationale und internationale Unternehmenssteuerrecht spezialisierten deutschen Kanzlei Flick Gocke Schaumburg mit Kunden wie Beiersdorf und Lufthansa wird nachgesagt, in den Vorstands- und Aufsichtsratsgremien besonders gut vernetzt zu sein.

Doch der Kampf um die prestigeträchtigen Mandate ist beinhart. Meist werden die Beratungsaufträge erst nach mehreren Anläufen vergeben. Bei den großen amerikanischen Unternehmen sind solche Pitches an der Tagesordnung. Hier ist der Konkurrenzkampf besonders hart. „Die Partner verbringen 20 bis 30 Prozent ihrer Arbeitszeit mit der Akquise neuer Mandate“, beschreibt Wolfgang Rehmann von Taylor Wessing die Situation. Michael Lappe von Linklaters sagt: „Bei der Bewertung für kleine und mittlere Standardtransaktionen spielt häufig der Preis die entscheidende Rolle. Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, langfristige Mandantenbeziehungen auszubauen und sich auf besonders komplexe und herausfordernde Aufgaben zu konzentrieren.“ Das können etwa komplizierte Infrastrukturprojekte wie ein Flughafenausbau im Rahmen einer Public Private Partnership sein.

Branchenbeobachtern zufolge soll es in den Jahren 2001 und 2002 über Pitches zu regelrechten Dumpingpreisen bei der Transaktionsberatung gekommen sein. Der Grund: Einige Großkanzleien mussten ihre vielköpfigen M&A-Truppen weiter beschäftigen, obwohl der Markt für Unternehmensfusionen brachlag. „Auf derartige Preiskämpfe darf man sich erst gar nicht einlassen, sondern muss in innovativere Bereiche vordringen“, kritisiert Austmann von Hengeler Mueller, „Verlierer sind diejenigen, die im Boom nur mitschwimmen.“ Folge davon ist, dass Anwälte Trends in der Wirtschaft immer schneller aufgreifen und die nötigen juristischen Produkte maßschneidern müssen. So ist absehbar, dass zahlreiche von Private-Equity-Firmen übernommene Mittelständler Probleme mit der Bedienung des Schuldendienstes bekommen werden und Hilfe in Form neuer Finanzierungsmodelle brauchen – ein weites Feld für Anwälte. Hans-Josef Schneider von Clifford Chance prognostiziert denn auch, dass sich die Rolle des Wirtschaftsanwalts „noch mehr als bisher vom reinen Rechtsberater zum Unternehmensberater wandelt“.

Deshalb konzentrieren sich die Kanzleien in erster Linie auf das Rechtsberatungsgeschäft und setzen auf das Antizipieren von Trends. „Natürlich beobachten wir die einzelnen Industriesektoren und Branchen“, sagt Wolfgang Rehmann von Taylor Wessing. Im Gesundheitsmarkt habe sich zum Beispiel gezeigt, dass vor allem die Sparte Medizinprodukttechnik eine rasante Entwicklung genommen hat – Kanzleien profitieren davon nicht nur dank vermehrter Patenteintragungen, sondern auch, indem sie Unternehmen in boomenden Marktsegmenten begleiten, wenn sie andere Player übernehmen, die Vertriebsnetze ausbauen oder sich via Börse oder Banken Kapital besorgen. Weiterer Wachstumstreiber könnten Unternehmen aus Asien werden, die in Deutschland ein Zweitlisting an der Börse versuchen. „Wir haben bereits zwei chinesische Börsengänge begleitet“, sagt Cornelius Brandi, Managing Partner der Kanzlei CMS Hasche Sigle, die ZhongDe Group und den Bambusplantagen-Betreiber Asian Bamboo. Auch den Private-Equity-Sektor hat er keineswegs abgeschrieben. Beim Thema Unternehmenskäufe erwartet er zunehmend Transaktionen im mittleren Marktsegment mit Volumen bis 500 Millionen Euro. „Institutionelle Anleger wie auch die internationale Wirtschaft blicken mit großem Interesse auch auf den deutschen Mittelstand“, sagt Brandi.

Der braucht allerdings nicht immer gleich die Hilfe der Kanzleien – auch mittelständische Unternehmen verfügen häufig über eigene Rechtsabteilungen. Das lohnt sich durchaus, denn die Kosten für externe Rechtsberater sind nicht eben niedrig. Bis zu 400 Euro stellen Partner großer Wirtschaftskanzleien je Arbeitsstunde in Rechnung. Selbst die Beratung der Associates, also der angestellten Anwälte ohne Partnerstatus, schlägt mit 250 Euro je Stunde zu Buche. In England dürften die Anwaltshonorare derzeit sogar noch 10 bis 20 Prozent über dem deutschen Niveau liegen. Und in den USA sind Stundensätze von 1000 Dollar für gestandene Partner gang und gäbe. Auch deshalb kann sich der Aufbau einer eigenen Rechtsabteilung in den Unternehmen lohnen.

Rechtsanwalt Rainer Kuhn, Leiter der Rechtsabteilung bei Villeroy & Boch, bestätigt: „Wir haben einen gigantischen Kostenvorteil. Für das klassische Vertragsdrafting wie den Einkauf von Designer- oder Lizenzrechten brauchen wir keine externe Expertise.“ Bei der Auswahl externer Anwälte sei es aus Unternehmenssicht vor allem wichtig, dass die Chemie stimmt. Sonst könne es passieren, dass Verhandlungspartner kurzerhand abspringen. „Mir hat mal ein Geschäftspartner gesagt: Sie sind ja ganz nett“, erinnert sich Kuhn. Aber sein Anwalt aus Frankfurt, der sei leider „unerträglich“.

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