Apple in China 120 iPhones auf einen Streich

Skurrile Apple-Fälschungen in China sorgen immer wieder für Schlagzeilen. Dabei reißen sich junge Chinesen so sehr um Original-iPhones, dass Apple mit dem Nachschub kaum nachkommt. Der Kult treibt inzwischen bizarre Blüten.

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Nicht lizenzierte Apple-Geschäfte im Elektronikmarkt Bainaohui in Peking Quelle: Liu Liechin für WirtschaftsWoche

Das Sanlitun-Viertel im Herzen Pekings gehört zu den beliebtesten Bezirken der Stadt. Luxusboutiquen gibt es hier, schicke Bars, Restaurants und Coffee Shops. Am Wochenende und abends findet man kaum einen freien Platz. Morgens dagegen sind große Teile des Stadtviertels wie ausgestorben. So wie kürzlich an einem frühen Mittwochvormittag. Nur vor einem mächtigen Bau aus viel Glas, genau zwischen dem fast menschenleeren Starbucks und einer Calvin-Klein-Boutique, herrscht Volksfeststimmung – Apples Flagship-Store hat Nachschub bekommen.

Zu großen Würfeln aufgeschichtet liegen die weißen Smartphones, Typ iPhone 4 mit 16 Gigabyte, zu Hunderten hinter dem Tresen mit den Kassen. Davor schubsen und schieben sich die Kunden, es gibt kein Durchkommen. Vor der Tür stehen etwa 30 junge Leute Schlange, bewacht von Sicherheitsleuten in schwarzen Kampfanzügen und Springerstiefeln. Erst wenn ein Kunde das überfüllte Geschäft verlässt, wird der nächste eingelassen.

Schlangestehen fürs iPhone

Apple-Fan in China. Quelle: Liu Liechin für WirtschaftsWoche

So wie in Peking sieht es in vielen anderen Teilen Chinas auch aus. Sobald einer der fünf Flagship-Stores oder einer der vielen autorisierten Händler Nachschub bekommt, gibt es Menschenaufläufe. Die Chinesen sind begeisterte Fans der Gadgets mit dem Apfel-Logo. In den drei Monaten bis zum 25. Juni hat Apple in Greater China, zu dem Hongkong und Taiwan zählen, Produkte im Gesamtwert von 3,8 Milliarden US-Dollar verkauft – im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sechsmal so viel.

Der Kult-Konzern aus Kalifornien kommt im Reich der Mitte mit den Lieferungen kaum nach. Darum blüht der Schwarzmarkt. In fast allen der oftmals unübersichtlichen Elektronik-Kaufhäuser mit ihren oft Hunderten von Mini-Geschäften gibt es geschmuggelte iPhones. Meist kommen die Geräte aus Hongkong oder Taiwan, manchmal aber auch aus Amerika. Raubkopien – oftmals schlechte – liegen in den Läden sowieso aus. Auch sind viele der Händler nicht lizenziert, bisweilen wird ein ganzer Flagship-Store einfach kopiert.

Der Schwarzmarkt blüht

Der Manager im offiziellen Flagship-Store im Pekinger Stadtteil Sanlitun nennt sich mit englischem Namen Joe. Er trägt das obligatorische blaue T-Shirt, eine schmale Brille und schwarze Jeans. Und er ist wortkarg. Zu den regelmäßigen Lieferengpässen will Joe nichts sagen. Die Frage, ob die Kunden, die sich vor den Kassen drängen, die iPhones für den Eigenbedarf kaufen, beantwortet der Manager mit einem breiten Grinsen.

Schwarzhändler vor dem Apple-Flagship-Store in Sanlitun in Peking Quelle: Liu Liechin für WirtschaftsWoche

Keiner der Apple-Kunden kauft weniger als fünf iPhones. Das sei in Peking das Limit für einen einzelnen Kauf, erklärt Joe. Viele stellen sich aber mehrmals an. Sun Weiying* trägt ein grünes Nike-T-Shirt und den Kopf kahl geschoren. Der übergewichtige Mittdreißiger steht schon zum sechsten Mal in der Schlange. Jedesmal kauft er fünf Smartphones. Jedesmal benutzt er die gleiche Kreditkarte. Jedesmal zahlt er 4548 Yuan für ein iPhone, beim Kurs von Mitte Oktober umgerechnet etwa 516 Euro. Das ist Apples offizieller Preis in China. Doch die 30 iPhones reichen Sun nicht. Er reicht seine Kreditkarte einer Freundin, die weiter hinten in der Schlange steht. Die kauft in fünf Anläufen insgesamt 25 Geräte. Das Spiel wiederholt sich mit anderen Freunden noch einige Male.

Am Ende tragen Sun und seine Freunde sechs Plastiktüten mit je 20 iPhones aus dem Geschäft. Draußen hocken sie sich erstmal hin. Zigarettenschachteln werden gezückt, allgemeines Durchatmen, Sun lacht zufrieden. „Die meisten der Handys verkaufen wir außerhalb Pekings“, erzählt er.

Sie fahren in kleinere Städte, aufs Land, überall dorthin, wo es keine offiziellen Apple-Geschäfte gibt, die Nachfrage nach den Gadgets aber groß ist. Bis zu 1000 Yuan mehr verlangen Sun und seine Freunde für ein iPhone – ein einträgliches Geschäft. Manchmal, wenn die Kunden den Flagship-Store in Peking mal wieder leer gekauft haben, stellen sie sich aber auch  direkt vor den Laden und bieten ihre iPhones und iPads dort an. Einige der Straßenhändler behaupten, sie hätten einen Deal mit einer der Verkäuferinnen. Die verkaufe ihnen die Smartphones dann billiger. Manager Joe will sich auch dazu nicht äußern.

Apple ist überall

iPhone 4 Quelle: Liu Liechin für WirtschaftsWoche

Der Elektronikmarkt Bainaohui liegt in Pekings Innenstadt, nicht weit von der zweiten Ringstraße. Auf fünf Etagen beherbergt der unansehnliche ockerfarbene Bau kleine und kleinste Läden. Überall begegnet einem das Apple-Logo. Längst nicht alle der Geschäfte sind lizenziert. Manche der Händler haben mit einfachem Klebeband die Wörter „Authorised Reseller“ an ihrem Stand angebracht. Eine Verkäuferin bietet ein iPhone 4 mit 16 Gigabyte für 4800 Yuan an. Aus Hongkong geschmuggelt soll das gleiche Gerät 4500 Yuan kosten, aus Amerika 3700 Yuan. Manche der Geschäfte hier beziehen ihre Apple-Produkte bei Händlern wie Sun.

Am billigsten sind aber die gefälschten iPhones. Eine Händlerin führt einen Kunden durch einen der langen neonbeleuchteten Gänge des Bainaohui-Marktes. Vorbei geht es an Läden mit Spielkonsolen, Laptops und Fernsehern. Am Ende noch mal links, dann taucht ein kleiner Stand mit großer Apple-Leuchtreklame auf. Der Händler holt eine weiße Box aus der Vitrine. Die Kopie ist leicht zu erkennen. Das schwarze iPhone ist viel leichter als das Original. Die Icons sind ein wenig unscharf, und der Touchscreen reagiert mit Verzögerung. Das Handy arbeite auf Android-Basis, versichert der Verkäufer. Hergestellt worden sei es in einer Fabrik im südchinesischen Shenzhen. Viele verkauft er aber nicht. „Ab und zu kommen Ausländer vorbei“, sagt der Verkäufer. Die Chinesen dagegen wollen Originalware. Wer sich ein iPhone kauft, will ein echtes. Es ist ein bisschen wie bei den Autos. Wer sich in China einen Mercedes kauft, will ein Importfahrzeug – auch um sich bei Freunden und Bekannten damit zu brüsten.

Chinesische Fälschung des iPhone 4 Quelle: Liu Liechin für WirtschaftsWoche

Deshalb fälschen die Chinesen weniger die Apple-Gadgets, sondern viel häufiger die Geschäfte und verkaufen dort Originalware vom Graumarkt. Statt der Produkte werden einfach die Vertriebswege kopiert. Im Juli etwa gingen die Behörden in Kunming, der Hauptstadt der Provinz Yunnan in Südchina, gegen einen gefälschten Flagship-Store vor. Schlichte, beigefarbene Holztische für die Produkte, die Fassade ganz aus Glas, die markante Stahltreppe in den zweiten Stock und der beleuchtete angebissene Apfel: Das Geschäft ist vom Original nicht zu unterscheiden. Die Verkäufer in ihren blauen T-Shirts, den auffälligen Mitarbeiterausweis um den Hals gehängt, dachten sogar, sie arbeiten für ein lizenziertes Apple-Geschäft. Apple-Sprecher in China wollen sich zu gefälschten Produkten und Geschäften nicht äußern. Der Handel in dem Laden geht offenbar weiter, die Apple-Logos an der Fassade sind aber verschwunden.

Der Konzern aus Kalifornien will in China kräftig expandieren. Bei Smartphones hat Apple in China gerade Mal einen Marktanteil von 13 Prozent, beim gesamten Handymarkt von zwei Prozent. Bei den China-Aktivitäten habe Apple bislang „nur etwas an der Oberfläche gekratzt“, sagt CEO Tim Cook kürzlich. Drei Flagship-Stores gibt es in Shanghai, zwei in Peking und einen in Hongkong. Bis zum Jahresende sollen 25 hinzukommen. Doch Probleme bei der Expansion bereiten Apple die immer neuen gefälschten Läden.

*Name von der Redaktion geändert.

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