Bentley Cabriolet GTC Ausfahrt mit dem Bentley-Chef

Wolfgang Dürheimer ist zuständig für den Luxus im VW-Konzern, für Bentley, Bugatti und den Motorsport. Über seine Leidenschaft für schnelle Autos und innovative Antriebstechniken plauderte der Vollblut-Ingenieur während einer Ausfahrt mit dem brandneuen Bentley Cabriolet GTC.

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Amber und Bourbon, Breeze und Brunel, Silk White und Hotspur: Andere Autohersteller würden im Fahrzeugprospekt einfach Kupfer und Dunkelbraun schreiben, Hellgrau und Dunkelblau, Weiß und Rot. Aber Bentley beschäftigt offenbar einen Farbpoeten, der die Pigmente für eine bessere Verkaufe lautmalerisch zum Klingen bringen soll.
Wolfgang Dürheimer, im Oberallgäu geboren, bei BMW in München sozialisiert und bei Porsche in Stuttgart zum Vorstand gereift, steht zwar erst seit Februar 2011 an der Spitze von Bentley Motors. Doch das Farbvokabular der Briten ist ihm längst in Fleisch und Blut übergegangen. "Wir nehmen Silk White", ruft er einem Bentley-Mitarbeiter zu und greift sich den Autoschlüssel vom Tisch.

Draußen vor dem Hotel an der Küste Kroatiens haben dienstbare Geister sechs Exemplare des neuen Bentley Cabriolets Continental GTC in Reih und Glied aufgestellt, mit offenem Verdeck und zwei Flaschen Mineralwasser im Cupholder. Unser Testwagen - perlmuttweiße Außenlackierung zu tomatenrotem Interieur und einer Instrumententafel aus schwarzem Walnussholz - ist das auffälligste Exemplar. Dürheimer macht sich mit einer Sonnenbrille unkenntlich, als er sich hinter das Lenkrad schlängelt und mit einem kurzen Druck auf den roten Startknopf den Zwölfzylinder im Motorraum zum Leben erweckt. Er schiebt den Wahlhebel der Automatik auf D und lässt den 2,5-Tonner anrollen.

Technische Details

WirtschaftsWoche: Herr Dürheimer, wonach beurteilen Sie die Qualität eines Autos auf Testfahrten?
Dürheimer: Das fängt schon vor dem Einsteigen an: Stimmen Design und Ausführung? Wichtig ist auch der erste Eindruck im Auto: Stimmt die Ergonomie am Fahrerplatz? Und beim Fahren zählen Power und Performance sowie die Straßenlage. Im Kopf gehe ich jede Baugruppe durch: Motor, Getriebe, Fahrwerk, Karosserie und schließlich die Harmonie im Gesamtfahrzeug.

Dem Ingenieur, der bei Porsche den Supersportwagen Carrera GT und den Hybridflitzer 918 Spyder entwickelte, scheint zu gefallen, was seine britischen Kollegen gebaut haben. Der Continental mutiert vom Gleiter zum Renner, als Dürheimer das Gaspedal durchdrückt und dem Motor Leistung abverlangt: 700 Newtonmeter Drehmoment lassen den Wagen voranschießen und in knapp fünf Sekunden die Marke von 100 km/h erreichen. Im Wagen bleibt es erstaunlich ruhig.

Was schätzen Sie bei diesem Auto?
Der GTC war immer das leidenschaftlichste Modell in der Continental-Baureihe. Mir gefällt, dass der neue Bentley GTC geboren wurde, um gefahren zu werden.

Die Autoindustrie hat 2011 ordentliche Zuwachsraten erzielt. Aber wie lange geht die Party noch?

Bei uns sicher noch eine ganze Weile. Der Erfolg von Bentley basiert auf einer attraktiven, frischen Modellpalette, die gerade um den Continental GTC erweitert wird. Wir haben 2011 bis Jahresschluss mehr als 7.000 Autos ausgeliefert, 37 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit sind wir zwar noch nicht auf dem Niveau des Rekordjahres 2007, als Bentley mehr als 10 000 Fahrzeuge verkauft hat, aber auf gutem Weg dahin. Besonders erfreulich ist, dass alle Märkte zu dem positiven operativen Ergebnis 2011 beigetragen haben.

Obwohl die Sonne scheint, weht vom Meer ein kalter Wind herüber, der trotz aufgedrehter Heizung auch im Wageninnern zu spüren ist. Da hilft die Nackenheizung in der Kopfstütze, die den Hals auf Knopfdruck mit Warmluft einhüllt.

Steigender Absatz

Wolfgang Dürheimer am Steuer des Bentley Cabriolet GTC - Seit Februar 2011 ist Dürheimer Unternehmenschef. Quelle: Pressebild

Anzeichen für eine aufziehende neue Absatzkrise sehen Sie noch nicht?

Unser schwierigster Markt ist England, wo sich die Bankenkrise niederschlägt. Aber selbst in unserem Heimatmarkt verbuchten wir 2011 ein Plus von fünf Prozent.

Den stärksten Schub erlebt die Marke in China. Tickt der Markt da anders?

Ja. Während europäische Kunden ihre Fahrzeuge zum großen Teil mit viel Aufwand individualisieren und entsprechende Wartezeiten bis zur Fertigstellung in Kauf nehmen, sind die Chinesen viel ungeduldiger. Viele chinesische Kunden kommen in den Showroom des Händlers und wollen das Auto gleich mitnehmen.

Bei all den Zuwächsen: Arbeitet die Fabrik in Crewe schon bis zum Anschlag?

Keineswegs. Die Produktion ist noch deutlich steigerungsfähig. Derzeit arbeiten wir in Crewe an vier Tagen in der Woche in einer Schicht. Auf wachsenden Bedarf könnten wir jederzeit reagieren.

Was fehlt dazu denn noch?

Bentley muss bekannter werden. Die Marke zählt immer noch zu den Paradiesvögeln der Autowelt. In Deutschland etwa haben wir 2010 nur 230 Autos verkauft. 2011 waren es immerhin schon 433. Aber wir stehen schlichtweg nicht bei allen Kunden, die sich einen Bentley leisten könnten, auf der Einkaufsliste. Unsere Fahrzeuge müssen im Straßenbild und in den Medien sichtbarer werden.

Haben Sie kein Budget für Werbung?

Doch, aber ein sehr bescheidenes. Wir wollen unsere Medienpräsenz intensivieren und vermehrt auch in Anzeigenwerbung einsteigen, um unsere Marke international bekannter zu machen. Und wir steigen - was es in einigen Ländern noch nicht gab - in die Fahrzeugfinanzierung ein und bieten Leasingmodelle an. Heute werden die meisten Bentleys noch traditionell bezahlt.

Wohl dem, der fast 200.000 Euro für ein Auto bar bezahlen kann. Zum Basispreis des Continental GTC von 170.060 Euro kommt bei unserem Testwagen Zubehör im Wert von über 29 000 Euro - allein die Lackierung kostet 11.440 Euro. Und in der High Society orientiert man sich weiter nach oben: So pfeifen in Crewe die Spatzen von den Dächern, dass Bentley einen luxuriösen Geländewagen plant.

Wozu braucht es ein solches Auto?

Wir wissen, dass fast alle unsere Kunden in ihrer Garage auch einen SUV stehen haben. Es gibt also offenbar einen Transportbedarf, der mit einem derartigen Fahrzeug besonders gut abgedeckt werden kann. Zulegen können wir am besten, indem wir in wachstumsstarken Segmenten aktiv werden und nicht immer im gleichen Teich fischen. Außerdem sind SUVs in den traditionellen Bentley-Märkten wie USA und Großbritannien stark vertreten. In China gibt es wegen der schlechten Infrastruktur große Nachfrage. Deshalb sehen wir in dieser Fahrzeugkategorie die beste Möglichkeit, einen Treffer zu landen.

Wann kommt das Auto?

Wir arbeiten intensiv am technischen Konzept, am Design und am Geschäftsplan. All dies wird dann in den entsprechenden Gremien des VW-Konzerns präsentiert. Ich gehe davon aus, dass die Entscheidung schon bald fällt.

Hybrid oder Elektro?

Planen Sie auch einen Hybridantrieb?

Bei der Motorisierung bauen wir erst einmal auf die Bentley-Kernkompetenz mit einem in Crewe gefertigten Zwölf-Zylinder-Aggregat. Wir werden uns auch um den Verbrauch und die CO2-Emissionen unserer Motoren kümmern.

Das scheint auch nötig zu sein: Der Bordcomputer weist nach 50 Kilometern einen Durchschnittsverbrauch von 22 Litern auf. Dass der GTC auch mit 85 Prozent Biosprit gefahren werden kann, hilft dem Klima nur wenig.

Wie wollen Sie das denn schaffen? Ein sparsamer Zwölfzylinder ist doch ein Widerspruch in sich.

Zum Beispiel durch Zylinderabschaltung und Benzin-Einspritzung. Und wir arbeiten an Reibungs- und Gewichtsreduktion.

Aber auch an einem Hybridantrieb?

Aber die erste Entwicklungsstufe des Hybridantriebs überspringen wir: Wenn wir kommen, dann mit einem Plug-in-Hybrid.

Also ein Hybridauto, dessen Akku sich an der Steckdose aufladen lässt. Warum nicht gleich ein reines Elektroauto?

Rein elektrisches Fahren ist für Bentley nicht relevant. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es eine Zielgruppe dafür gibt.

Auch nicht für einen Kleinwagen?

Ich sehe da kein Geschäftsmodell: Ein Bentley ist kein Produkt für jedermann.

Erfolgreiche Luxus-Autobauer
Vor allem im Nahen Osten fand der Maybach seine wenigen Käufer Quelle: dpa
Lamborghinis neuestes und teuerstes Geschoss: Der Aventador. Quelle: Reuters
Maserati macht seit einigen Jahren wieder Gewinn Quelle: Reuters
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Ferrari baute 2010 knapp 6.7000 Autos Quelle: Reuters

Bentley hat eine lange Historie im Motorsport. Sollte es da nicht auch einen Supersportwagen geben?

Für eine solche Idee gibt es in Crewe zahlreiche Verfechter, und wir haben das als Alternative zum SUV geprüft. Aber derzeit hat das Priorität zwei nach dem SUV.

Wie wäre es mit einem Schwestermodell des Porsche 918 Spyder?

Das würde schon allein von der Preispositionierung her eher für Bugatti Sinn machen als für Bentley.

Dürheimer ist nicht nur Vorstandschef von Bentley Motors, sondern auch Präsident von Bugatti. Die VW-Tochter baut im elsässischen Molsheim den Supersportwagen Veyron, der mit 1001 PS zu den stärksten und mit einem Basispreis von 1,65 Millionen Euro auch zu den teuersten Autos der Welt zählt.

Dann reden wir über Bugatti. Der Veyron ist ausverkauft, der offene Grand Sport auf der Zielgeraden. Wann startet der viertürige Galibier?

Der Grand Sport hat noch 108 offene Bestellnummern. 42 der auf insgesamt 150 Fahrzeuge limitierten Stückzahl sind verkauft. Damit können wir die Zeit bis zum Start des Galibier gut füllen. Aber eine finale Entscheidung zu der viertürigen Luxuslimousine von Bugatti gibt es noch nicht. Mein Plan ist es, auch hier noch 2012 einen großen Schritt voranzukommen.

Woran hakt es? Das Konzept ist doch schon 2009 vorgestellt worden.

Das ist richtig. Aber seit meinem Amtsantritt bei Bugatti ist es noch einmal kräftig überarbeitet worden.

Bentley im Motorsport

Übersichtlich und komfortabel - Der Innenraum des GTC Quelle: Pressebild

In welchen Punkten?

Handlungsfeld Nummer eins waren die Komfortmaße im Fond: Kopf-, Bein- und Schulterfreiheit und damit auch das Design. Auch das Ein- und Aussteigen wird erleichtert. Handlungsfeld Nummer zwei war die Motorleistung.

Der Veyron hat 1000 PS. Wäre das zu viel für den Galibier?

Wir waren ursprünglich auch der Meinung, dass man bei einem Viersitzer etwas zurückhaltender in puncto Leistung sein könnte. Nach der Befragung potenzieller Kunden sind wir aber zur Überzeugung gelangt, dass es auch bei der Limousine etwas mehr sein darf. In Sachen PS wird der 16-Zylinder-Motor auf jeden Fall auf einen vierstelligen Wert kommen. Es gibt Tuner, die Wettbewerbsfahrzeuge auf 800 PS bringen. Und wir wollen unseren Kunden nicht zumuten, sich mit den Leistungsdaten dieser Autos messen zu müssen.

Was muss noch entschieden werden?

Es geht um Stückzahl und Verkaufspreis. Die Technik ist sehr präzise beschrieben.

Präzision schätzt Dürheimer auch am GTS, den er über die kurvenreiche Küstenstraße jagt und dabei zeitweise nur mit Daumen und Zeigfingern lenkt - um zu schauen, ob das Auto spurtreu ist. Aber auch in schnell gefahrenen Kurven liegt der 575 PS starke Wagen wie ein Brett auf der Piste.

Sie leiten auch die Motorsport-Aktivitäten des Konzerns. Was planen Sie da?

Ich werde dem Konzernvorstand bald Vorschläge machen, die nicht nur die Rennserien betreffen, die wir heute bedienen. Gemessen an den geplanten Verkäufen des Konzerns in Amerika, Asien und dem Mittleren Osten, sind wir dort im Motorsport nicht ausreichend repräsentiert. Das gilt es zu korrigieren.

Wie wollen Sie das machen?

International hat die Formel 1 die mit Abstand größte Bedeutung. Sie dominiert die Rennszene in Europa und Asien, in den USA wird sie aber kaum wahrgenommen. Dafür gibt es dort das Indianapolis 500 sowie die Nascar-Rennen. Diese Rennserien müssen im Zusammenhang mit einer künftigen Strategie untersucht werden.

Dürheimer würde sich nur zu gern mit Ferrari und Mercedes in der Königsklasse des Motorsports messen. Erst Motoren liefern, später ein Team kaufen. Aber passt das noch in die Zeit?

Im Vorprogramm der Formel 1 sollen künftig schnelle Elektroautos fahren. Wäre das nichts für VW? Man könnte auf einem Zukunftsfeld Kompetenz beweisen.

Ich finde es gut, dass der internationale Automobil-Dachverband FIA sich neuen Trends stellt. Aufgrund des Entwicklungsstandes halte ich die Attraktivität einer elektromobilen Rennserie aber nicht für hoch: Der Zuschauer, der kurz die Wurstbude aufsucht, kriegt akustisch nichts vom Rennen mit. Und wenn er zurück an die Strecke kommt, ist das Rennen möglicherweise schon vorbei, weil die Kapazität der Batterie nur für wenige Runden reicht.

Beim Continental GTC besteht die Gefahr nicht, obwohl der Durst des Zwölfzylinders groß ist: Der Bordcomputer weist am Ende der Testfahrt einen Verbrauch von 18,8 Litern aus. Mit dem Tankinhalt von 90 Litern käme man somit knapp 480 Kilometer weit - die Renndistanz der Formel 1 von 305 Kilometer zumindest wäre zu schaffen.

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