Zunächst wirkt es paradox: Elf Außendienstmitarbeiter der Weinheimer Firma Nora Systems lernen am Hockenheimring wirtschaftliches Fahren. Ab neun Uhr morgens diskutieren sie im futuristisch anmutenden Baden-Württemberg-Center direkt im Fahrerlager der Rennstrecke über vorausschauendes Fahren, Abstand halten und frühes Hochschalten. Unter ihnen dröhnen die Motoren der Rennwagen, die vermutlich in wenigen Wochen mehr Benzin verbrennen, als das Team des Unternehmens in einem Jahr. Aber: "Es gibt jede Menge Parallelen zwischen dem Rennsport und Eco-Fahren", sagt Ulrich Pfeiffer, Seminarleiter und Geschäftsführer der Eco-Consult GmbH.
Pfeiffer schult zusammen mit 70 anderen Trainern seit 1997 Außendienstmitarbeiter und Vertriebler zahlreicher Unternehmen, aber auch Polizisten, Krankenpfleger und andere, die beruflich viel mit dem Auto unterwegs sind. Auch den Beamten in diversen Bundesministerien haben er und sein Team die wirtschaftliche Fahrweise schon näher gebracht. Dabei geht es jedoch nicht darum, möglichst langsam zu fahren. Gas und Verbrauch haben nichts miteinander zu tun, erklärt Pfeiffer. "Wir haben das Motto vom Hockenheimring übernommen: Wer bremst, verliert."
Außerdem gilt die Devise: Wer Vollgas gibt, spart Sprit. Mit viel Gas ist frühes hochschalten problemlos möglich - und das spart Kraftstoff.
Passend zu den Formel 1-Gebaren kommen rund ein Drittel der Eco-Trainer selber aus dem Rennsport, wie Pfeiffer erzählt. Und die haben einige Erfolge zu verbuchen, nicht nur auf der Rennstrecke: Rund 95.000 Vielfahrer hat das Unternehmen bereits geschult, alle sind nach dem Training im Schnitt schneller unterwegs und verbrauchen dennoch weniger Kraftstoff.
So war auch das Team von Nora Systems nach Ende des Trainings im Schnitt um 10,1 Prozent schneller, verbrauchte aber 14,4 Prozent weniger Benzin. Auf das Jahr hochgerechnet spart das Unternehmen so 468 Liter Kraftstoff beziehungsweise rund 700 Euro pro Fahrer bei einem angenommenen Benzinpreis von 1,50 Euro. Die Kosten von rund 180 Euro pro Nase für das Training amortisieren sich dadurch in ein paar Monaten, so Pfeiffer.
Zuschüsse von der Landesregierung
Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur in Baden-Württemberg bezuschusst solche Fahrtrainings, die unter anderem auch vom ADAC angeboten werden, zusätzlich mit 30 Euro pro Teilnehmer. Mit anderen Ministerien sei man bereits im Gespräch, so Pfeiffer. Für ihn ist es unverständlich, dass zwar Politik und Unternehmen auf spritsparende Autos und Elektromobilität setzen, das Thema Eco-Training aber immer noch vernachlässigt werde. Das grünste Auto nutzt nichts, wenn es unvernünftig gefahren wird.
Mit welchen Materialien Autos leichter werden
Audi A8, Jaguar XJ und Range Rover haben eine Karosserie aus Alu. Andere verwenden das Material für Motorhauben, Heckklappen und Türen.
BMW macht aus dem Werkstoff der Luft- und Raumfahrtindustrie eine komplette Fahrgastzelle, andere Hersteller produzieren Dächer und Türen aus dem leichten, nicht rostenden und stabilen Material.
Es ist leichter als Aluminium und schmilzt bei niedrigeren Temperaturen. Bisher gab es Lenkräder, Felgen und Getriebegehäuse aus Magnesium, jetzt auch Türen und Motorhauben.
Ist immer noch das am weitesten verbreitete Material. Neu sind – etwa beim VW Golf 7 – sogenannte hochfeste Stähle, denen andere Metalle für höhere Stabilität und weniger Gewicht beigemischt werden.
Weil es bis zu 50 Mal teurer ist als Stahl, kommt es vor allem in Supersportwagen wie McLaren oder Bugatti Veyron vor.
Forscher wollen zeigen, dass Holz genauso gut ist wie Stahl oder Aluminium.
Türen aus Alu, Heckklappen aus Kunststoff, die Fahrgastzelle aus hochfestem Stahl: In Autos wie dem Porsche 911 finden sich verschiedene Werkstoffe.
Allerdings müssen auch die Führungskräfte mitziehen und die "neue Fahrkultur", wie Pfeiffer das bewusstere Gasgeben nennt, vorleben. Sonst seien die langfristigen Erfolge eher gering. Dementsprechend sitzt beim Team von Nora Systems auch der Chef mit am Tisch.
Testfahrten unter Alltagsbedingungen
"Kontrollen vom Fuhrparkmanager bringen wenig, die Mitarbeiter müssen das für sich verinnerlichen", betont Pfeiffer. "Wenn sich alle darauf einlassen, heißt es nachher nicht mehr: 'Wie schnell fährst du von Düsseldorf nach München?' Sondern: 'Ich fahre 5,9 Liter.' Und: 'Ich verbrauche nur 5,5 Liter!'", freut sich der Trainer.
Damit das Eco-Training keine bloße Theorieveranstaltung wird, geht es nach einem kurzen ersten Gespräch ab in die Dienstwagen, in denen die Schulungsteilnehmer über das Jahr rund 50.000 Autobahnkilometer abreißen. In Zweier- und Dreier-Gruppen fahren die Außendienstmitarbeiter zwar nicht über den Hockenheimring selber, aber über einen speziell für sie konzipierten Kurs in und um das Städtchen Hockenheim. 30er-Zone, Kreisverkehr, Schnellstraße, Bundesstraße - der Parcours ist an die Fahrten im Alltag angelehnt. Es gibt rote Ampeln und rechts vor links statt einer unrealistischen Teststrecke. .
Im fünften Gang durch Hockenheim
Die Teilnahme am Seminar war für die Außendienstmitarbeiter freiwillig. "Wir hatten eher das Problem, jemanden zu finden, der in der Abteilung bleibt", sagt einer der Teilnehmer. Drei Kollegen habe man im Unternehmen zurück gelassen, während der Rest zum Fahrtraining gefahren ist. "Wir konnten ja heute schlecht dicht machen."
Nach rund einer Stunde ist jeder einmal die Trainingsstrecke gefahren, die Werte jedes Einzelnen hat der Boardcomputer gespeichert. Der durchschnittliche Verbrauch des Teams liegt - hochgerechnet auf 100 Kilometer - bei 6,5 Liter, die durchschnittliche Geschwindigkeit betrug 43 Stundenkilometer.
Zurück im Baden-Württemberg-Center gibt es anschließend Tipps von den Profis, mit welchen Tricks die Fahrer schneller, wirtschaftlicher und entspannter ans Ziel kommen. Wichtig hierbei ist, so Pfeiffer, niemanden zu schulmeistern. "Das sind alles Führungskräfte und gut bezahlte Vertriebsmitarbeiter, die können Auto fahren." Er und sein Team wollen lediglich Tipps geben. Am besten solle man so Auto fahren, wie man Fahrrad fährt: bergab rollen lassen, gleichmäßig fahren, nicht immer wieder bremsen und beschleunigen, den Schwung nutzen. "Sie können ruhig auch bei 50 Stundenkilometern in den fünften Gang schalten."
So sparen Sie bis zu 20 Prozent Kraftstoff
Ein Kaltstart bedeutet Stress für den Motor und führt zu erhöhtem Verschleiß. Hohe Drehzahlen in dieser Phase steigern den Effekt zusätzlich. Durch die Kaltstartanreicherung liegt der Verbrauch bei bis zu 50 Litern je 100 Kilometer. Die Verbrennung läuft nicht optimal ab und im Abgas entstehen besonders viele Schadstoffe. Prinzipiell zählt jeder Anlassvorgang als Kaltstart, der bei einer Öltemperatur von weniger als etwa 50 Grad stattfindet.
Deshalb den Motor starten ohne Gas zu geben, ein paar Sekunden im Leerlauf bleiben und dann ganz normal losfahren.
Wer mit dem Rad unterwegs ist, fährt beim Losradeln nicht möglichst weit in möglichst kleinen Gängen und tritt auch nicht vor einer roten Ampel im Leerlauf oder mit wenig Luft in den Reifen. bergab tritt er nicht kräftig in die Pedale, sondern lässt sich rollen. Alles andere wäre zu anstrengend. Und alles, was beim Radfahren kräftig in die Beine geht, verbraucht beim Auto fahren unnötig Sprit.
Gerade die kleinen Gänge sollte man schnell durchschalten, im ersten Gang maximal bis zehn Kilometer pro Stunde fahren. 1500 bis 2000 Umdrehungen reichen schon, um in einen höheren Gang zu schalten, bei Dieselmotoren auch noch etwas früher. Je nach Geschwindigkeit können auch Gänge übersprungen werden.
Ein Blick in die Papiere des Wagens kann beim Spritsparen helfen: Wer weiß, wo das maximale Drehmoment des eigenen Wagens liegt, kann sich entsprechend verhalten.
Konkret heißt das: Moderne Motoren haben ihr maximales Drehmoment bei rund 1750 Umdrehungen. Ab dieser Drehzahl kann hochgeschaltet werden, ohne dass Motor und Leistung leiden.
Fahren sie im höchstmöglichen Gang mit etwas Gas, also niedertourig (nicht untertourig). Dadurch fahren sie gleichmäßig und verbrauchen nicht so viel Energie, wie beim andauernden Beschleunigen und Abbremsen.
So paradox es klingt: Wer Vollgas gibt, spart Sprit. Treten Sie das Gaspedal - außer im ersten Gang - zu etwa 90 Prozent durch, dann erkennt die Elektronik, dass die volle Motorleistung benötigt wird. Mit viel Gas ist frühes hochschalten problemlos möglich.
Wer Automatik fährt, kann dafür den Energiesparmodus einstellen. Bei alten Automatikgetrieben wird erst das Gas zurückgenommen, damit die Automatik früher hochschaltet. Danach das Gaspedal so weit drücken, dass das Auto im höheren Gang dahin rollt, ohne wieder automatisch herunterzuschalten.
Wahrscheinlich hat es auch schon der Fahrlehrer gepredigt: Vorausschauendes Fahren ist wichtig. Wer Hindernisse schon in großer Entfernung erkennt, kann sie in den Fahrrhythmus einplanen. Wenn 400 Meter vor Ihnen ein Müllauto auf Ihre Straße einbiegt, ist Gas geben unnötig.
Wer zum Sicherheitsabstand noch einen zusätzlichen Reserveabstand einkalkuliert, kann Schwankungen im Verkehrsfluss ausgleichen, ohne sofort auf die Bremse treten zu müssen. So lässt sich auch in der Kolonne gleichmäßig rollen.
Wer einen Tempomaten hat, sollte ihn außerorts und auf der Autobahn auch einsetzen: Er hilft Sprit zu sparen und der Fahrer kommt entspannter an.
Wenn Sie vor einer Steigung in den dritten Gang herunterschalten, um mit der Gaspedalstellung "1/4 Gas" und hohen Drehzahlen den Anstieg zu überwinden, liegt der Verbrauch deutlich höher, als wenn Sie den gleichen Berg bei gleicher Geschwindigkeit im fünften Gang mit der Gaspedalstellung "3/4 Gas" bewältigen. Der Unterschied kann mehr als drei Liter pro 100 Kilometer betragen.
Die Motorelektronik von Benzinern und der Einspritzpumpenregler bei Dieselmotoren sorgen dafür, dass bei eingelegtem Gang und rollendem Auto kein Kraftstoff in die Zylinder eingespritzt wird, solange kein Gas gegeben wird. Erst kurz vor Erreichen der Leerlaufdrehzahl wird wieder Kraftstoff zugeführt. Wer also ohne Gas zu geben, dafür mit eingelegtem Gang bergab oder auf eine Ampel zurollt, spart jede Menge Sprit.
Wer keine Start-Stopp-Automatik hat, sollte den Motor immer dann ausschalten, wenn das Auto voraussichtlich länger als 30 Sekunden irgendwo steht, beispielsweise vor Bahnübergängen oder im Stau. Ein Motor verbraucht nämlich nie so viel Kraftstoff wie im Stand.
Ein zu geringer Reifendruck führt zu höherem Verschleiß und erhöht den Rollwiederstand. Deshalb den Reifendruck vierteljährlich prüfen und lieber etwas mehr als etwas weniger Luft auf die Pneus geben. Als Basis am Besten die Werte für das vollbeladene Fahrzeug verwenden.
Eine eingeschaltete Klimaanlage kann den Spritverbrauch im Stadtverkehr um bis zu 30 Prozent steigern. Deshalb bei kurzen Strecken besser nur das Fenster öffnen.
Pfeiffer rechnet vor: Wer im zweiten Gang 50 fährt, verbraucht auf 100 Kilometer 16 bis 17 Liter Kraftstoff, im dritten Gang sind es nur noch zwölf Liter, im vierten Gang acht bis neun und im fünften Gang fünf Liter. "Ich nenne das legale Steuerhinterziehung", scherzt er. Auch über die Klimaanlage solle man - zumindest bei kürzeren Fahrten - zweimal nachdenken. Sie erhöhe den Kraftstoffverbrauch um den Faktor 0,7.
"Gesunden Kompromiss finden"
Pfeiffer empfiehlt außerdem, zusätzlich zum normalen Sicherheitsabstand noch einen kleinen Pufferabstand einzuhalten. Dann reicht es in den meisten Fällen, vom Gas zu gehen, wenn der Vordermann bremst. "Wenn ich in Wien so fahre, werde ich erschossen", wirft einer der Teilnehmer ein. Und eine Kollegin fügt hinzu: "Und wenn ich das auf der Autobahn mache, fährt mir jemand in die Lücke rein." Die Antwort des Fahrtrainers klingt dann schon weniger absolut: "Natürlich können Sie in der Rushhour keine fünf Autolängen Abstand halten", räumt er ein. In solchen Situationen gehe es darum, einen gesunden Kompromiss zu finden.
So empfiehlt er auch bei Stau, anstatt immer wieder eine halbe Wagenlänge vorzurollen, ein bisschen abzuwarten und lieber vier Wagenlängen auf einmal zu fahren. Das reduziere den Spritverbrauch von 50 Litern auf 100 Kilometer auf nur noch zehn Liter. "Keine Angst, der hinter Ihnen hupt nur einmal, dann begreift der das auch", zerstreut er die Bedenken der Kursteilnehmer.
Dann geht es für alle wieder auf die Piste. Zunächst fahren die Trainer und erklären, wann sie schalten, wann sie vom Gas gehen und wo sie beschleunigen. Anschließend sind die Teilnehmer dran. Im Vergleich zur ersten Runde fahren alle deutlich gleichmäßiger. "Das ist fast wie segeln", sagt einer der Mitarbeiter.
Bei der anschließenden Auswertung staunen die Fahrer nicht schlecht, wie viel schneller und zeitgleich sparsamer sie dieselbe Strecke gefahren sind. Man müsse sich in den nächsten Wochen darauf konzentrieren, das Gelernte umzusetzen und sein Fahrverhalten anzupassen, sagt Pfeiffer. "Die nächsten acht Tage entscheiden, wie Sie die nächsten 40 Jahre fahren." Rechnet sich das Training für das Team von Nora Systems, sollen weitere Kollegen des Weinheimer Unternehmens zum Hockenheimring geschickt werden.
Demnächst sollen außerdem rund 1400 Mitarbeiter von Henkel gecoacht werden. Für das Düsseldorfer Unternehmen kommen die Trainer allerdings zum Firmensitz. So bietet Pfeiffer für jeden Kunden individuelle Lösungen an: Das Eco-Training in Kombination mit einem ADAC-Fahrsicherheitstraining für 180 Euro pro Person, reine Eco-Trainings für 80 Euro und für Eilige auch zwei- bis vierstündige Eco-Trainings vor Ort.
Nora Systems hat das volle Paket gebucht. Und so dürfen die Außendienstmitarbeiter nach all dem vernünftigen Fahren auch noch einmal auf den Hockenheimring, ein bisschen Gas geben.