Totgesagte leben länger. Als der indische Großunternehmer Ratan Tata 2008 die Marken Jaguar und Land Rover von Ford übernahm, waren die beiden britischen Edelmarken akut in ihrer Existenz bedroht. Die ungeliebten Ford-Töchter verkauften gerade Mal 120.000 Autos – viel zu wenig zum Überleben.
Doch es kam anders. Deutsche Chefs wie Ralf Speth (Vorstandsvorsitzender), Wolfgang Epple (Entwicklungschef) und Wolfgang Stadler (Produktionschef), alles ehemalige BMW-Manager, haben den Pleitekandidaten entstaubt und daraus ein Erfolgsunternehmen gemacht. Die Briten steigerten ihre weltweiten Verkaufszahlen innerhalb von sechs Jahren von weltweit 232.839 Fahrzeugen auf die Rekordzahl von 487.665 Autos in 2015. Das ist ein Plus von fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Damit haben sie zwar die magische Marke der halben Million Fahrzeuge knapp verfehlt, doch die soll im laufenden Jahr mit zwei neuen Modellen, dem ersten Jaguar-SUV namens F-Pace und dem Range Rover Evoque Cabrio geknackt werden.
Auch in Deutschland legen die exklusiven Nischenmarken zu: Jaguars Zulassungszahlen wuchsen 2015 um 17,9 Prozent im Vergleich zu 2014. Die auf geländetaugliche Modelle spezialisierte Schwester Land Rover gar um 24,1 Prozent. Der deutsche Gesamtmarkt wuchs lediglich 5,6 Prozent. Allerdings sind die absoluten Zulassungszahlen mit Blick auf die große Konkurrenz Audi, BMW und Mercedes noch eher klein: Es waren 2015 gerade Mal etwas mehr als 26.000 Fahrzeuge. Trotzdem dürfte das britische Unternehmen auch in dem Geschäftsjahr 2015/2016, das am 31. März endet, wieder einen soliden Gewinn an die indische Mutter Tata Motors überweisen: Im Geschäftsjahr 2014/15 lag der Umsatz bei rund 30,9 Milliarden Euro, der Vorsteuergewinn bei etwa 3,7 Milliarden Euro.
Den Gewinn kann Indiens größter Automobilkonzern gut gebrauchen, denn von den vergangenen sieben Quartalen schloss Tata Motors fünf mit einem Verlust ab. Tata gilt selbst in Indien als Billigmarke und wird von der aufstrebenden Mittelschicht zunehmend gemieden.
Jaguar Land Rover-Chef Speth will die Erfolgsgeschichte fortführen: Jaguar bedient im Frühjahr 2016 auch den boomenden SUV-Markt mit einem Wagen namens F-Pace und erweitert sein Modellangebot auf fünf Baureihen Der soll nicht wirklich in den Matsch, sondern den Stadt-Schönlingen wie Porsche Macan, BMW X5 oder Audi Q5 Konkurrenz machen. Gleichzeitig besetzt die Schwestermarke Range Rover mit dem Evoque Cabrio die Nische des offenen Gefährts im SUV-Bereich – eine Lücke, die bisher kaum jemand verspürt haben dürfte.
Jaguar-Comeback im Motorsport
All die schweren und leistungsstarken Autos erhöhen aber auch bei Jaguar Land Rover den Druck, die Schwergewichte zu elektrifizieren, um so die Flottenverbräuche zu senken.
Den Range Rover gibt es zwar bereits als Dieselhybrid, ein rein elektrisch angetriebenes Elektro-Auto ist bislang nicht in Sicht. Das hat Gründe: Trotz sinkender Akkupreise wären die solch große Elektrowagen mit einer akzeptablen Reichweite derzeit nicht bezahlbar.
Doch Jaguar will zeigen, dass es der britischen Marke ernst ist mit dem Thema Leichtbau und elektrische Antriebe: Nach rund zwölfjähriger Abstinenz vom Motorsport startet Jaguar im Herbst 2016 sein Comeback.
Mit einem eigenen Team werden sie in der dritten Saison der sogenannten Formel-E-Meisterschaft antreten. Es ist die weltweit erste Rennserie für Rennwagen mit einem reinen elektrischen Antrieb. „Wir profitieren von den Erfahrungen der Formel-E-Meisterschaft direkt für die Serie“, ist sich Jaguars Technik-Chef Andreas Latt sicher. Mit weniger weiter zu kommen ist das Ziel.
Für die Traditionalisten unter den Land Rover Fans war 2015 ein trauriges Jahr: Es war das letzte vollständige Produktionsjahr des wohl kultigsten aller Geländewagen, des Defender. Seit rund 68 Jahren gibt es ihn, am 19. Februar war Schluss. Immerhin 3100 Stück hat Land Rover im vergangenen Jahr noch einmal verkauft. Schließlich haben ihn Abgas- und Crash-Vorschriften dahin gerafft. „Dieses sehr lineare und gradlinige ist fast nicht mehr möglich zu bauen“, bedauert Speth.
Für die Liebhaber der so simplen wie praktischen Kastenform verheißt das nichts Gutes. Wann kommt der Nachfolger? Wie sieht er aus? Vermutlich bis 2018 müssen sie sich gedulden. Offiziell sagt Land Rover dazu nichts. Neben der Frage, wieviel Neuerungen man den Fans des Defender zumuten kann, ist eine andere Frage wichtig: Land Rover brauche für den Defender Produktionskapazitäten, die „wir in England nicht mehr haben“. Möglich, dass das urenglische Gefährt Defender deshalb bald in der Slowakei vom Band läuft. Und zwar in Nitra, das liegt etwa eine Dreiviertelstunde entfernt von Bratislava.