Werner knallhart

Wie mir DriveNow das Deutschland-Spiel versaute

Immer wieder gibt es beim BMW-Carsharer DriveNow Probleme bei der Abfahrt zu Beginn der Buchung. Nun hat mir die unzuverlässige Bord-Software sogar einen EM-Abend verdorben. Während andere Fußball guckten, saß ich genervt im knallheißen Linienbus.

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Schön elektrisch durch den Berliner Sommer cruisen - wenn alles funktioniert. Quelle: dpa

Ich sage es nicht gerne, denn ich bin eingefleischter Carsharing-Fan und -Vielnutzer. Ich habe Kundenkonten bei insgesamt vier Carsharern und außerdem beim Elektromotor-Rollersharer EMio. Aber: Wenn es hart auf hart kommt, kann man sich auf die Carsharing-Systeme einfach nicht richtig verlassen. Wer dringend zum Flughafen muss oder einen wichtigen Termin hat, sollte einen üppigen Zeitpuffer einplanen. Oder die U-Bahn nehmen. Oder vorher viel Wasser trinken, um später beim Tränenvergießen nicht zu vertrocknen.

Es war der Abend des Deutschland-Spiels gegen Polen. Anpfiff 18 Uhr. Das gemeinsame Public Viewing mit Freunden und Kollegen auf einem Gartenfest mit einer riesigen Videowand unter schattigen Bäumen hatte das Potenzial zu meinem persönlichen EM-Highlight. Aber es kam anders. Mir geht gerade der Puls hoch.

Ein Freund schlug mittags vor: "Hol mich doch um 17 Uhr 25 am Askanischen Platz mit einem Emio ab und wir fahren zusammen weiter."

"Gute Idee." Um 17 Uhr öffnete ich die Emio-App. Ergebnis: Kein freier Elektromotor-Roller weit und breit. Typisch. Ich schrieb eine Vorwarnung: "Komme etwas später mit Auto. Kein Emio."

Ich checkte die App von Car2Go, dem Daimler-Carsharing-Dienst. Ha! Da war ein Smart in Laufweite. Ich klickte auf Reservieren. Der Log-in-Bildschirm öffnete sich. Hä? Wieso um Himmels Willen war ich ausgeloggt? Ich dachte übrigens "um Himmels Willen", weil ich das Passwort nicht mehr wusste. Deshalb! Ich kann schon meine eigene Telefonnummer auswendig und die meiner Eltern und die von der Feuerwehr. Mehr kann ich mir nun wirklich nicht merken.

Ich klickte auf: Passwort vergessen. Die App stellte mir eine schicke E-Mail mit einem Link zum Zurücksetzen in Aussicht. Allein: Sie kam nie an.

Ich klickte wieder auf "Passwort vergessen". Und wieder und wieder. Keine Mail. Um vorzugreifen: Ich wartete insgesamt drei Tage auf die Mail. Vergeblich. Dann rief ich Car2go an. Die Auskunft: "Ja, über die App funktioniert das oftmals nicht."

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Aber am Fußball-Abend selber gab ich kurzerhand der Konkurrenz den Vorzug. In nicht mehr ganz so fußläufiger Entfernung stand ein BMW i3 von DriveNow. Schön elektrisch durch den Berliner Sommer cruisen - herrlich. In meiner Phantasie.

In der Realität war es eben ein Elektroauto mit einem Bordcomputer mit DriveNow-Software. Wer die kennt, der gibt BMW verloren.

Wobei: Die Reservierung per App funktionierte sofort. Ich marschierte los. Nach knapp zehn hurtigen Minuten mit wehenden Haaren erreichte ich um 17 Uhr 30 den BMW. Die App fragte mich, ob mir neue Schäden am Wagen auffallen würden. Ich sah keinen einzigen. Die App präsentierte mir dann eine ellenlange Liste bereits vorher gemeldeter Schäden, die ich nicht mehr zu melden brauchte. Jesses!

Ich rieb mir die Augen, bückte mich herunter und suchte stichprobenartig einen angegeben Schaden. Wahrhaftig! Da war was! Im Gegenlicht der Sonne schimmerte ein haarfeiner Kratzer. Hätte ich die Liste sorgsam abgearbeitet, ich hätte bis zum Abpfiff gebraucht.

Stattdessen vertraute ich auf mein Glück (nicht gemeldete Schäden des Vormieters werden im blödesten Fall mir als dem neuen Mieter angekreidet), ließ mich in den Sessel plumpsen und wollte gerade meine PIN im Bordcomputer eingeben, als ich sah: Der Computer wollte das nicht. Stattdessen pennte er rum. Irgendwas zwischen Standby und Absturz. Wahrlich nicht das erste Mal in meiner DriveNow-Karriere. War es diesmal mein Fehler? Ich schloss die Fahrertür. Lag es daran? Augenblicklich wurde es stickig und heiß und roch nach Auto.

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Der Bordcomputer tat immer noch keinem Mucks. Er zeigte nur das Logo vom i3 und das Logo von DriveNow. Hübsch. Am liebsten hätte ich laut befohlen: "Drive! NOW!"

Aber was sollten die Passanten denken?

Ich öffnete die App auf meinem Telefon und sah: Die Reservierungszeit drohte abzulaufen. Der Countdown lief unerbittlich abwärts. Dabei saß ich doch schon drin! Noch knapp eine Minute. Dann würde der Wagen für andere buchbar sein. Was soll der verdammte Mist?, dachte ich. Für Schlaueres fehlte mir die Muße. Sollte mir gleich irgendein Fremder das Auto unter dem Hintern weg reservieren können? 24 Sekunden, 23, 22. Ich, ich, ich wusste nicht weiter, ich drückte alle möglichen Knöpfe, öffnete und schloss die Tür. Dann drückte ich voll heißer Panik auf meinem Telefon die Taste für die Verlängerung der Reservierung. Ab jetzt kostete es Geld.

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