Russische Banken in Bedrängnis Westliche Sanktionen entfalten Wirkung

Das russische Bankwesen schlittert nach Ansicht von Analysten in die Krise. Grund sind die verhängten Sanktionen des Westens. Präsident Putin verweist auf die widersprüchlichen Effekte der Sanktionen.

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Die VTB Group hat mehr als einem Drittel der Beschäftigten in Europa gekündigt. Quelle: Reuters

Moskau Die vom Westen gegen Russland verhängten Sanktionen sind mittlerweile bei den großen Banken des Landes angekommen. Reagiert wird mit dem Ruf nach Staatshilfe und in vielen Fällen mit einem strikten Sparkurs. Besonders schmerzlich ist für die russischen Banken angesichts des wachsenden Anteils fauler Kredite und des mangelnden Wirtschaftswachstums im eigenen Land der Ausschluss vom internationalen Kapitalmarkt. Entsprechend erodieren die Gewinne.

„Das Bankwesen in Russland schlittert langsam in die Krise. Betroffen sind sämtliche klassischen Aspekte: Kapital, Finanzierung, Qualität der Vermögenswerte und Liquidität“, stellte der leitende Analyst David Nangle von Renaissance Capital in einer Markteinschätzung fest. Als „Hauptrisiken“ bezeichnete er darin die Dauer der Sanktionen und insbesondere den anhaltenden Ausschluss von den Kapitalmärkten.

So hat die zweitgrößte Bank des Landes, die VTB Group, mehr als einem Drittel der Beschäftigten in Europa gekündigt und bemüht sich derzeit um Staatshilfe, die eine angeschlagene Kapitalbasis aufbessern soll. Die drittgrößte OAO Gazprombank, und die Russian Agricultural Bank haben bereits um solche Hilfen aus Moskau nachgesucht. Marktführer OAO Sberbank hat am Mittwoch die Gewinnprognose für das Gesamtjahr 2014 gesenkt.

Die Sberbank musste im dritten Quartal einen 25-prozentigen Einbruch des Gewinns vorlegen, was insbesondere mit Rückstellungen von 104,5 Mrd. Rubel (knapp 1,8 Mrd. Euro) für gefährdete Kredite zurückzuführen war. Die Summe war damit mehr als doppelt so hoch wie in der Vorjahresperiode.

Die Bank, geführt vom ehemaligen Wirtschaftsminister im Kabinett von Wladimir Putin, German Gref, hat die Prognose für die Eigenkapitalrendite in diesem Jahr bereits von 20 auf 15 Prozent reduziert. Sberbank-Vize Anton Karamzin kündigte in der abgelaufenen Woche für das vierte Quartal weitere Rückstellungen für das Firmenkreditgeschäft in der Ukraine an.

Laut den Experten der Ratingagentur Standard & Poor's ergeben sich die größten Risiken für die drei staatlich kontrollierten russischen Banken aus ihrem Engagement in der unter dem Konflikt nicht zuletzt wirtschaftlich leidenden Ukraine. Zusammengerechnet bezifferte S&P-Analyst Sergej Woronenko den Bremseffekt für den operativen Gewinn wegen der Ukrainekrise auf 420 Mrd. Rubel oder etwa 25 Prozent.


Düstere Erwartungen der Kapitalmärkte

Präsident Putin hat in diesem Zusammenhang kürzlich auf die widersprüchlichen Effekte der westlichen Sanktionen hingewiesen. Die auferlegten Beschränkungen begrenzten den Zugang russischer Banken zu den globalen Kapitalmärkten, was aber nicht vereinbar sei mit Hilfe für die Ukraine.

„Unsere Banken haben gerade einen Kredit von 25 Mrd. Dollar an die Ukraine freigegeben“, sagte Putin in einem Interview mit dem deutschen Fernsehen. Wer die russischen Banken in den Bankrott treiben wolle, führe zugleich die Ukraine in den Bankrott, sagte Putin.

Entsprechend düster bleiben die Erwartungen der Kapitalmärkte. „Das Finanzsystem wird in den kommenden Monaten unter viel Druck geraten“, sagte Analyst Matias Pino von GoldenTree Asset Management voraus, wo die Bestände an russischen Bankaktien bereits vor Monaten verkauft worden sind. Er nannte als Gründe die wachsende Zahl fauler Kredite, eine sinkende Nachfrage für Verbraucherkredite und den zunehmenden Bedarf für Unterstützung aus der russischen Wirtschaft.

Zusätzlichen Druck übt der Verfall der Landeswährung Rubel aus. Die Devise hat seit Jahresbeginn zum Dollar um rund 30 Prozent abgewertet. Sie ist damit vor der ukrainischen Hryvnia die zweitschwächste unter 170 von Bloomberg beobachteten Weltwährungen.

Zusätzlichen Druck auf die russische Wirtschaft üben die sinkenden Einnahmen aus dem Ölexport aus. Russland ist der größte Exporteur fossiler Energieträger und muss mit dem seit Juni mehr als 30 Prozent eingebrochenen Ölpreis auf Basis der Nordseesorte Brent fertig werden, was das Land an den Rand der Rezession geführt hat.

Im Lande selbst wird die Lage von Finanzexperten nicht beschönigt. „Die Aussichten für die Makrowirtschaft werden in unserem Basisszenario recht düster eingeschätzt“, stellte Bankanalystin Natalia Berezina von der UralSib Financial Corp. im Gespräch mit Bloomberg fest. Auch ein nochmals wesentlich negativeres Szenario einer Rezession werde derzeit wahrscheinlicher. „Damit“, sagte sie, „wären sämtliche russische Bankenaktien auf dem derzeitigen Niveau erheblich überbewertet.“

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