Blumenhandel Vormacht von Holland im Rosen-Geschäft gerät ins Wanken

Am Valentinstag spitzt sich der Kampf um das Milliardengeschäft mit Rosen zu. Südamerika und Afrika machen Holland die Vormacht streitig.

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Blumengroßmarkt in Hamburg: Zunächst landen die Luxusblüten oft im Auktionssaal von Aalsmeer, dpa

Morgens um sechs beginnt das Hubwagen-Ballett. Auf Hunderten orangefarbener Elektrokarren flitzen grün beschürzte Männer und Frauen durch riesige Hallen. Auf bis zu sieben Anhängern ziehen sie Berge von Blumen hinter sich her: Rote, gelbe, blaue, Rosen, Tulpen, Chrysanthemen, ein einziges florales Flirren, Gänge rauf, Gänge runter, wie auf dem Rollfeld eines wild gewordenen Flughafens. Beinahe prallen zwei Wagen zusammen – doch nichts passiert. Wie ferngesteuert, ohne die Miene zu verziehen, lenken die Mitarbeiter des weltgrößten Blumenauktionshauses im holländischen Aalsmeer ihre Fahrzeuge zentimetergenau durch die Rushhour der Pflanzenwelt. Ihr Job: Sie bringen die Blumen in die Auktionssäle, holen die verkaufte Ware ab und verteilen sie innerhalb kürzester Zeit auf 300 Exporteure, die von hier aus, 15 Kilometer entfernt vom Amsterdamer Flughafen Schiphol, ihre Kunden in aller Welt versorgen. Herman Kortekaas, der den Besucher mit einem Elektromobil durch das organisierte Chaos kutschiert, grinst: „Das ist doch noch gar nichts: Je näher der Valentinstag rückt, umso schwerer ist hier das Durchkommen.“ Er lenkt sein Fahrzeug eine steile Rampe hinauf, die in den ersten Stock des gewaltigen Komplexes führt. Bei zwei Grad Celsius lagern hier für wenige Stunden in einem Raum von der Größe von gut vier Fußballfeldern die Königinnen der Blumenwelt. Aus Israel, Ecuador, Kenia, Äthiopien und den Niederlanden reisten die Rosen hierher. Hier warten sie bis zu ihrem Auftritt im Auktionssaal – Tausende Rosen, in Eimer gepfercht zu 80er- und 100er-Trupps. Noch ist die Rosenhalle nicht ganz gefüllt, viele Lücken klaffen zwischen den Rollwagen. Doch mit jedem Tag, den der Valentinstag, der 14. Februar, näher kommt, wird es enger im Kühlraum. Valentin ist der Großkampftag der Blumenbranche. Verliebte in der ganzen Welt verschenken Milliarden von Blumen – in der Hauptsache rote Rosen. Weltweit geben Blumenfreunde pro Jahr mehr als 30 Milliarden Euro für frische Blühware aus, 3,4 Milliarden Euro davon allein die Deutschen. Ein Drittel des Umsatzes entfällt auf Rosen – vor dem V-Day wird Aalsmeer mit ihnen daher regelrecht überschwemmt: Rund 80 Millionen Stängel, mehr als doppelt so viele wie in normalen Wochen, rauschen dann binnen knapp 170 Stunden auf der einen Seite ins weltgrößte kommerziell genutzte Gebäude hinein und auf der anderen Seite wieder raus – insgesamt mehr als eine Milliarde Rosen sind es in einem Jahr. Eine gewaltige Zahl und zugleich ein Zeichen für die Veränderungen, die derzeit die Branche aufmischen. War es jahrzehntelang vor allem Deutschlands flaches Nachbarland, das die Welt mit Tulpen und Tagetes versorgte, kann die holländische Blumenindustrie längst nicht mehr alle Konsumenten zwischen Sibirien und Feuerland versorgen. Die Kosten für Energie und Personal sind hoch im Reich von Königin Beatrix. Andere Länder produzieren billiger.

Parallel zum weltweiten Aufstieg des eigentlich angelsächsischen Valentinstages entstand seit Beginn der Neunzigerjahre Kenias Rosenindustrie; Äthiopien, Kolumbien und Ecuador nutzen ihre Höhenlagen, um die begehrten Rosen mit langen Stielen und dicken Blüten zu züchten; auf lange Sicht drängen auch China und Russland aufs Feld von Dünger und Dornen. Jüngst stiegen Jordanien und Saudi Arabien und selbst der Iran in das Geschäft ein. Gleichzeitig entstehen neue Handelszentren; unterstützt von der Fluggesellschaft Emirates ist Dubai mit seinem Flower Center als Scharnier in der weltweiten Distributionskette auf dem Weg zur Blumengroßmacht. „Dubai wird weltweit Warenströme umlenken, da wird in Zukunft vieles an Holland vorbeifließen“, sagt Henning Moeller, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Blumengroß- und Importhandels. Und Jacques Teelen, Geschäftsführer beim größten holländischen Auktionsunternehmen Flora Holland, sagt: „Die Position der niederländischen Zierpflanzenzucht wird von der weltweiten Produktions-, Handels-, Logistik- und IT-Entwicklung unter Druck gesetzt – dies alles greift unsere weltweite Position an.“ Damit schwindet die Vormachtstellung der Niederländer. Noch stehen sie für 60 Prozent des gesamten Handels mit Schnittblumen. Doch wie lange noch? Der Cayambe-Vulkan thront als schneebedeckter Sechstausender im Hintergrund. Auf den Märkten der gleichnamigen ecuadorianischen Provinzhauptstadt verkaufen Indios Kartoffeln und Käse. Trotz der Äquatorlage herrschen in der Höhenluft der Anden das ganze Jahr über frühlingshafte Temperaturen. Vor den Toren der Stadt ist nur noch wenig von der Bergidylle zu spüren. Wo vor 20 Jahren noch Rinder weideten, reihen sich heute Plantagen aneinander. Das Hochtal ist über und über mit weißen Plastikfolien bespannt. Unter den Planen, vor dem Licht der hochstehenden Sonne geschützt, wächst hier der Rohstoff für eine globale Industrie: Schnittblumen, vor allem Rosen. Die dicht an dicht gepflanzten Rosenstecklinge auf den Plantagen haben den größten Teil ihrer Entwicklungskarriere bereits hinter sich, ehe sie in 90 Tagen zur volle Blüten heranwachsen. Zum Beispiel das Modell „Freedom“, eine langstielige Rose mit tiefroten Blüten. Sie ist in den Anden die am meisten angebaute Sorte. Gezüchtet wurde sie von Rosenwelt Tantau nördlich von Hamburg, einem der Marktführer unter den Rosenzüchtern weltweit. Tantau meldete die „Freedom“ vor sieben Jahren zunächst unter dem Namen „Bloody Mary“ – nach dem bekannten Tomaten-Wodka-Cocktail – beim Sortenschutz an. Der knappe Steckbrief: „Stängellänge 70 bis 90 Zentimeter, sehr große Blüten, gute Vasenlebenszeit.“ Die Agrartechniker bewiesen eine glückliche Hand: „Bloody Mary“ gedeiht perfekt im Andenklima. Sie ist produktiv und weitgehend resistent gegen Krankheiten. „Wenn der Falsche Mehltau bei einem ecuadorianischen Händler kurz vorm Valentinstag zuschlägt, dann kann er seinen Betrieb dichtmachen“, sagt Georg Wieners, Auslandschef bei Tantau.

Dass sie bald zum Shootingstar avancierte, verdankt „Freedom“ auch geschicktem Marketing. Denn in den USA wurde „Bloody Mary“ im November 2002 nach der Wahl des zum Antialkoholiker bekehrten Präsidenten George W. Bush auf den patriotischen Namen „Freedom“ umgetauft. „Sie wurde innerhalb kürzester Zeit weltberühmt“, staunt Wieners noch heute. Derzeit testet Tantau, ob sich „Freedom“ auch im Nahen Osten, Asien, Äthiopien oder Kenia ziehen lässt. Derartige Tests sind fester Bestandteil der Entwicklung einer Rosenart. Mehrere Jahre dauert allein die Züchtung einer neuen Sorte per gezielter Kreuzung und Auswahl in den Gewächshäusern von Tantau in Uetersen. Neben der Größe von Stielen und Blüten sowie ihrer Farbe – derzeit ist Rosa groß im Kommen – zählt bei der Züchtung vor allem Haltbarkeit, möglichst schnelles Wachstum und Transportfähigkeit. „Ins Kühlhaus rein, aus dem Kühlhaus raus – das muss die Rose aushalten“, sagt Tantau-Chef Christian Evers. Das Entstehen einer neuen Sorte hat dabei wenig Märchenhaftes, anfangs hat sie nur eine Nummer. Den Namen denken sich die Züchter oft erst Jahre später kurz vor Markteinführung aus. Erst dann werden die kleinen Triebe in ihren Steinwollewürfeln in die weltweiten Anbaugebiete geflogen. 85 Cent bekommt Tantau für jede Pflanze, aus der im Lauf von bis zu zehn Jahren Hunderte Rosenblüten nachwachsen. Weltweit gibt es knapp ein Dutzend Standorte, an denen sich die empfindlichen Rosen anbauen lassen und an denen gleichzeitig die komplexen Logistikketten starten, um „Freedom“ und ihre Kollegen nach spätestens drei Transporttagen ohne hängende Köpfe in den Blumenläden des Nordens anbieten zu können. In Cayambe bringen Kühltransporter Gebinde von „Freedom“, noch mit geschlossenen Blüten und dicht an dicht verpackt in Kartons, von den Plantagen zum Flughafen in Quito. In den dortigen Kühlhäusern liefern auch die anderen rund 400 Rosenexporteure Ecuadors ihre Ernte täglich ab. Neben „Freedom“ stapeln sich „Dolce Vita“, „Esperance“, „Latin Lady“ oder „Black Magic“. In den Kühlhäusern werden die Blumen auf zwei Grad gekühlt, bevor sie am nächsten Morgen im Bauch von Linienflugzeugen und Frachtmaschinen in Richtung Miami, Amsterdam und Frankfurt abheben; ab dem Sommer richtet Emirates nach Angaben aus der Branche zudem die komplett neue Flugverbindung Quito–Bogota–Dubai ein. Mit rund 400 Millionen Dollar Umsatz ist Ecuador zum wichtigsten Blumenproduzenten des Südens geworden. 122.000 Tonnen führt das Andenland aus, nach Öl, Bananen und Shrimps sind Blumen das wichtigste Exportprodukt geworden. Rund 65.000 Menschen arbeiten heute in der Produktion, noch einmal so viele verdienen » indirekt ihren Lebensunterhalt mit Rosen. Daher boomen Städte wie Cayambe. Deren Bevölkerungszahl hat sich in den vergangenen fünf Jahren auf heute 80.000 Einwohner mehr als verdoppelt – in einer Region, die sonst unter Bevölkerungsabwanderung leidet. „Ohne die Blumen wären das hier alles Geisterdörfer“, sagt Mario Castro, Anwalt der Provinzregierung.

Heute gilt Ecuador neben Holland als das Anbauland für die teuersten Rosen weltweit, mit unschlagbarer Qualität; Vorreiter Kolumbien biete gehobene Massenqualität, aber wenig Variationen. Afrika – so die Daumenregel im Handel – beliefert dagegen in der EU die Supermärkte und Discounter: zehn Rosen für 3,99 Euro. Auch die Rosen, die später vornehmlich Inder und Pakistanis in Bars und Restaurants an Europas Nachtschwärmer verkaufen, stammen vom Schwarzen Kontinent, wo die Rosen unter der Äquatorsonne schnell wachsen und daher keine so großen Blüten treiben wie im Höhenklima der Anden. Dank der neuen Produzentenländer steigt das Angebot an Schnittblumen weltweit seit Jahren. Die Preise dagegen sind stabil oder sinken sogar leicht – trotz hoher Transportkosten wegen der hohen Ölpreise. Denn immer neue Anbieter aus der Dritten Welt drängen auf den Markt und versuchen, das Beispiel Ecuadors oder Kenias nachzuahmen. In Afrika ist Äthiopien stark im Kommen, weil die Exporte in die EU und nun auch in die USA wegen der Hilfsprogramme für den Kontinent zollfrei werden. „Afrika ist dort, wo Kolumbien vor 25 Jahren war“, sagt Christine Boldt, Vize-Präsidentin der Blumenimporteure von Florida, wo die meisten Blumen aus den Exportländern in den USA ankommen. Jeder macht jedem Konkurrenz, auch bei der Suche nach Absatzmärkten: Mitteleuropa gilt als gesättigt, deswegen versuchen europäische Anbieter im US-Markt Wurzeln zu schlagen. Der gilt als noch nicht ausgereizt, weil die Amerikaner nur zu Feiertagen wie jetzt dem Valentinstag oder an Geburtstagen Blumen verschenken, statt wie die Europäer auch mal zwischendurch. Werbekampagnen sollen daher die Nordamerikaner zum Blumenkaufen anspornen. Russland ist ein weiterer großer Rosenabsatzmarkt. Allerdings wächst dort auch eine starke Produktion heran. Der Anbau kostet im kalten Norden zwar weit mehr Energie als in der Hitze Afrikas, aber an Energie mangelt es im rohstoffreichen Russland nicht; zudem entfallen die Transportkosten – von Afrika nach Europa sind das pro Rosenstängel immerhin sechs bis sieben Cent. Insider berichten, dass russische Firmen, darunter auch eine Tochter des Energiekonzerns Gazprom, längst gebrauchte Gewächshäuser in den Niederlanden kaufen und im Osten wieder aufbauen.

Afrikanische Produzenten, für die bisher Europa den Hauptabsatzmarkt stellt, schielen gleichzeitig über Dubai als Umschlagflughafen in Richtung Fernost. Und alle blicken sie schaudernd nach China: Im Südwesten, in der Provinz Yunnan, werden heute schon auf 10.000 Hektar ehemaliger Tabakplantagen Blumen produziert. Das ist eine Anbaufläche, dreimal so groß wie die Ecuadors. Li Gang, Vize-Präsident der Yunnan Flower Association, ist zuversichtlich, dass in vier Jahren bereits eine Million Menschen auf den Plantagen beschäftigt sind. „2010 wollen wir die größten Produzenten, Exporteure und Händler von Schnittblumen in Asien sein“, so Li. Mit allen damit verbundenen Problemen: Chinas Markenfälscher machen selbst vor der Königin der Blumen nicht halt und kopieren sie wie jedes ordinäre Industrieprodukt. „Bei den nicht geschützten Rosen kommen wir in China auf einen Marktanteil von 80 Prozent“, sagt Tantau-Geschäftsführer Evers. Doch auch in anderen Ländern hapert es mit dem Sortenschutz. Als Evers in Südkorea einstieg, wimmelte es auf den dortigen Märkten schon von Rosenarten, für die eigentlich eine Lizenz von Tantau fällig gewesen wäre. Und in Mexiko organisierte die bewaffnete Polizei kürzlich zusammen mit einem französischen Züchter eine Razzia auf Rosenfarmen, um Raubkopien aufzuspüren. In der Branche ist es ein offenes Geheimnis, dass auch in diesem Jahr vor Valentin wieder Tausende Rosen vernichtet werden, eingestampft im Kampf gegen die Produktpiraten. Im vergangenen Jahr machte der holländische Zoll nach Informationen des deutschen Verbands-Chefs Moeller am Flughafen Schiphol rund 120 Kartons platt – in jedem steckten 300 Rosen. Bei einem Einzelverkaufspreis, der rund um Valentin bei bis zu fünf Euro pro Stängel liegen kann, ein Wert von fast 200.000 Euro. Ein größeres Problem als die falschen Blüten stellt für den angegriffenen Champion Holland jedoch das Internet dar: Kunden können direkt bei den Produzenten bestellen. Die Holländer versuchen gegenzusteuern, indem sie selbst in einer Gemeinschaftsaktion von Auktionshäusern und Exporteuren ein eigenes Internetportal („Kofen of Abstand“) etablieren wollen. Noch haben die Niederländer einen Vorteil: Während im Land der Grachten die Blumenindustrie staatlich gefördert wird und einen Stellenwert genießt wie die Autoindustrie in Deutschland, sind die Produzenten außerhalb Europas zersplittert.In Lateinamerika produzieren drei Viertel aller Betriebe auf Flächen unter zehn Hektar. Fusionen scheinen unausweichlich. Doch Größe allein ist kein Erfolgsgarant. Denn auch Großkonzerne fahren in der Umbruchphase nicht besser als die Kleinen. Dole Fresh Flowers etwa: Die Tochter des weltgrößten Frischobst- und Gemüsemultis aus Miami, der sechs Milliarden Dollar Umsatz schreibt, ist gleichzeitig einer der größten Schnittblumenhändler der Welt. Ein Fünftel aller US-Blumenimporte kontrolliert der Multi. Vor zehn Jahren investierte der Konzern groß in den Anden. Jede fünfte Plantage kaufte Dole in Kolumbien und stieg auch in Ecuador ein. Konkurrent Chiquita hielt zunächst mit und wollte 5000 Hektar Blumenplantagen kaufen – gab jedoch nach 800 Hektar auf.

Auch Dole wurde nicht glücklich mit der Roseninvestition: Im vergangenen Oktober verkündete Dole Fresh Flowers, die Produktion stark zu verringern und 3500 Mitarbeiter zu entlassen. „Wir müssen das Geschäft ganz neu aufbauen“, erklärte John Amaya, Präsident der Blumensparte von Dole, „wir wollen uns auf das Hochpreissegment konzentrieren mit einer möglichst hohen Sortenvielfalt.“ Ob Dole das jemals gelingt, daran zweifeln Experten jedoch. In seinem Vorstandsbüro im ersten Stock des Versteigerungskomplexes in Aalsmeer sitzt Mynheer Jan Straver. Der Chief Commercial Officer hockt da wie eine Art Bienenkönig, unter seiner breiten Fensterfront rauschen ständig Lastwagen rein und raus, schaffen die mehr als 22 Millionen Pflanzen, die jeden Werktag hier gehandelt werden, an ihren Bestimmungsort. Straver weiß ziemlich genau, dass seine Blumenwelt umgegraben wird. Er weiß, dass die Stellung der Niederlande unter Beschuss ist. Und die Holländer reagieren: Im vergangenen Oktober kündigte Stravers Bloemenveiling Aalsmeer den Zusammenschluss mit dem Konkurrenten Flora Holland an. Verschmelzen die beiden zum 1. Januar 2008, entsteht ein Blumengigant mit rund vier Milliarden Euro Umsatz. Kein anderer Anbieter, argumentiert Straver, sei in Zukunft in der Lage, ein größeres Sortiment an Pflanzen anzubieten als der neue Riese. „Natürlich kommen immer mehr Pflanzen aus Afrika – aber das sind zu 75 Prozent Rosen“, sagt Straver, „Wenn aber ein Großhändler aus St. Petersburg Rosen, Tulpen, Chrysanthemen kaufen will, das ganze Sortiment, dann bekommt er das nur hier, und das jeden Tag im Jahr.“ Auch ein Megakonzern wie Dole sei niemals in der Lage, mit den Spezialisten zu konkurrieren, die das holländische Netzwerk aus Produzenten, Exporteuren, Auktionshäusern und Händlern bilden. Holländische Anbauer sind längst auch selbst in Ecuador und Kenia aktiv und spannen so die Fäden des gewachsenen holländischen Flora-Spinnennetzes weltweit immer noch weiter. Seit dem vergangenen Jahr dürfen auch Produzenten aus dem Ausland Mitglied der als Genossenschaft organisierten Versteigerung von Aalsmeer werden. Gleichzeitig treiben die Niederländer die Automatisierung beim Rosenanbau voran: In einigen der in der Dunkelheit gespenstisch leuchtenden holländischen Gewächshäuser schneiden schon Roboter die Rosen, während die Pflanzen auf künstlichen Nährlösungen wachsen. So wollen die Züchter die natürlichen Vorteile der Entwicklungsländer mit High Tech kontern. An einem anderen Schwachpunkt arbeiten sie ebenfalls: die Konkurrenz durch neue Distributionsorte, die neuen Flower-hubs, etwa in Dubai. Noch ist das dortige Flower Center recht klein. Aber Straver weiß: „Die Scheichs haben viele Pläne – und viele Dollar.“ Nicht ausschließen mag der Herr der Blüten daher, dass die Auktion selbst eines Tages einen Ableger im Nahen Osten eröffnet – „wir haben unsere Kontakte“ –, wenn es denn zum Wohle der holländischen Blumenindustrie sein sollte. „Die Scheichs waren auch schon in Aalsmeer, wir diskutieren alle Möglichkeiten.“ Einer weiteren Konzentration des Marktes mit „Black Magic“ „Freedom“ und Co. stünde dann wohl nichts mehr im Wege. Herman Kortekaas, dem freundlichen Kutscher der Elektrokarren, kann das egal sein. Rosen mag er nicht so. Er mag viel lieber die bescheidenere Lisianthus.

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