WirtschaftsWoche: Herr Klier, mit Ihren kurzen Haaren wirken Sie, als kämen Sie gerade aus einem Ihrer Salons. Wie oft gehen Sie zum Friseur?
Michael Klier: Ich lasse mir alle drei Wochen die Haare schneiden. Das gehört bei meinem Job einfach dazu.
Damit schlagen Sie die Statistik um Längen. Männer gehen in Deutschland im Schnitt sieben und Frauen fünfeinhalb Mal pro Jahr zum Friseur. Wie laufen im Land der Friseur-Abstinenzler Ihre Geschäfte?
Die genauen Zahlen veröffentlichen wir erst in einigen Wochen. Aber klar ist: Beim Gewinn liegen wir 2013 unter den Vorjahreswerten. Das Ergebnis nach Steuern lag 2012 bei etwas mehr als 2 Millionen Euro. Im Jahr 2013 haben wir 137 Millionen Euro umgesetzt und erwarten einen geringeren Gewinn aus dem operativen Geschäft. Für 2014 rechnen wir ebenfalls mit spürbarem Gegenwind.
Zur Person
Klier, 39, stieg 2002 nach Friseurlehre und Wirtschaftsstudium ins Familienunternehmen Klier ein. Seit 2007 leitet er gemeinsam mit seinem Cousin Christian Klier die größte deutsche Friseurkette mit bundesweit 900 Salons und 5700 Mitarbeitern. 2013 setzte das Unternehmen mit Sitz in Wolfsburg rund 137 Millionen Euro um.
Wie kommt‘s? Die Konjunktur läuft doch.
Der Mindestlohn schlägt ins Kontor.
Der soll doch erst Anfang 2015 eingeführt werden.
Das gilt nur für den gesetzlichen Mindestlohn. Im Friseurgewerbe haben sich die Tarifparteien schon im Vorfeld auf die stufenweise Anhebung der Lohnuntergrenzen verständigt. Seit August 2013 müssen im Westen mindestens 7,50 Euro und in Ostdeutschland 6,50 Euro gezahlt werden. Im August 2014 und ein Jahr später steigen die Stundenlöhne dann nochmals auf 8,50 Euro an.
Wie wirkt sich der Mindestlohn auf Ihre Bilanz aus?
Schon vor seiner Einführung lag unsere Umsatzrendite bei überschaubaren zwei bis drei Prozent. Pro Jahr haben wir rund 1,5 bis 2 Millionen Euro Gewinn erzielt. Die Erhöhung des Mindestlohns auf 8,50 Euro bedeutet für uns eine Kostensteigerung von sechs bis sieben Millionen Euro. Diese Lücke müssen wir schließen.
Durch Preiserhöhungen?
Selbstverständlich. Wir haben einen Lohnkostenanteil in 2013 von knapp 60 Prozent. Wenn die Löhne steigen, kommen wir an Preissteigerungen nicht vorbei, zumal sich auch noch die Mietnebenkosten wie Energieausgaben erhöhen. Insofern hatten wir keine andere Wahl und mussten die Preise bereits erhöhen. Aber das Ende der Fahnenstange ist auch noch nicht erreicht.
Dann kommt eine weitere Preisrunde?
Darum werden wir kaum herumkommen. In der gesamten Branche dürften die Preise in den nächsten Monaten im Bundesdurchschnitt im zweistelligen Prozentbereich anziehen– das ist die Grundvoraussetzung, um den Mindestlohn zu finanzieren. Herrenhaarschnitte inklusive Waschen, Schneiden, Stylen für weniger als 20 Euro sind nicht mehr machbar.
Dass der Mindestlohn zu Preiserhöhungen und damit auch Umsatzverlusten führt, war absehbar. Trotzdem hat sich Klier für eine Branchenlösung stark gemacht. Bereuen Sie das?
Im Gegenteil. Wir sind ein Familienbetrieb und sehen uns auch gegenüber unseren Mitarbeitern in der Pflicht. Mit 8,50 Euro pro Stunde reden wir von einem Bruttogehalt von 1400 bis 1500 Euro pro Monat. Es wird also kein Hochlohnsektor geschaffen, sondern nur eine untere Hygienegrenze eingezogen. Auch 8,50 Euro sollten auf Dauer nicht das Ende der Lohnentwicklung sein. Es ist unser Ziel, der Branche wieder ein Stück der Anerkennung zurückzugeben, die sie früher einmal hatte.
Es hätte Sie ja niemand daran gehindert, schon früher einen unternehmenseigenen Mindestlohn einzuführen.
Das stimmt, nur wäre auch niemandem damit gedient, wenn wir uns aus dem Markt preisen. Wenn wir nur in unseren Filialen etwas geändert hätten, wäre das ein Tropfen auf den heißen Stein gewesen. Wir sind mit fast 900 Salons zwar Marktführer in Deutschland, aber insgesamt gibt es 80 000 Friseursalons im Land. Das Ganze funktioniert nur, wenn für alle die gleichen Wettbewerbsbedingungen herrschen. Nur so können wir als Branche vermitteln, dass es bei den Preiserhöhungen um eine höhere Wertschätzung der Friseure und ihrer Arbeit geht. Viele Konsumenten finden das auch überzeugend, aber längst noch nicht alle. Leider scheint die Geiz-ist-geil-Mentalität weiter Bestand zu haben.
Abschied von der Billigmarke
Sind Sie daran nicht mit schuld? Mit Ihrer Zweitmarke „Frisör der kleinen Preise“ hat Klier doch selbst ein Discount-Konzept etabliert.
Das Experiment der Discount-Friseure ist gescheitert. Der ursprüngliche Ansatz war die Tatsache, dass sich rund ein Drittel der Deutschen von Bekannten oder Familienangehörigen die Haare schneiden lässt. Diesen Markt wollten wir erschließen. Stattdessen wanderten aber vor allem Kunden aus klassischen Salons zu den Discount-Anbietern ab. Spätestens die Einführung des Mindestlohns zwingt jetzt die Wettbewerber und uns dazu, solche Modelle zu überdenken.
Was heißt das für Ihre Billigmarke?
Wir verabschieden uns von der Discount-Marke „Frisör der kleinen Preise“. Die rund 170 Salons werden bis August nach und nach auf die neue Marke „Haarboxx“ umgestellt. Alle Standorte bleiben erhalten, aber das Ladendesign wird sich etwas ändern, um die Wertigkeit stärker herauszustellen. Erhalten bleibt das Baukastenkonzept. Die Kunden können entscheiden, ob sie zum Beispiel selbst föhnen wollen, und müssen nicht die klassische Paketleistung nehmen.
Zur Saxonia-Holding, zu der die Klier-Gruppe zählt, gehört auch ein Mehrheitsanteil an der Friseurkette Essanelle. Im Sommer wollen Sie das Unternehmen von der Börse nehmen. Was wird sich ändern?
Im operativen Geschäft bleibt alles beim Alten. Essanelle wurde immer als selbstständige Einheit geführt, daran ändert sich nichts. Es gibt auch keine Synergieeffekte, die für eine engere Anbindung sprechen.
Warum nimmt Klier Essanelle dann von der Börse?
Die Notierung ist mit erheblichen Kosten verbunden, die wir einsparen möchten. Bisher wussten wir nicht, wie die Rahmenbedingungen für den Mindestlohn aussehen würden und ob für uns eventuell der Zugang zum Kapitalmarkt wichtig werden könnte. Jetzt wissen wir, woran wir sind, und können uns den Aufwand sparen.
Es gibt heute schon an jeder Ecke einen Friseursalon. Wo wollen Sie in Zukunft noch wachsen?
Der Markt ist gut besetzt, zugleich aber sehr fragmentiert, was uns langfristig Expansionschancen eröffnet. Wichtiger als ein weiterer Ausbau des Filialnetzes ist für uns aber erst das qualitative Wachstum.
Was meinen Sie damit?
Es geht zum Beispiel darum, Trends noch schneller zu erkennen, die Mitarbeiter noch besser zu schulen und unseren Kunden die entsprechenden Leistungen anzubieten. So sehen wir etwa bei vielen Fußballstars ein gesteigertes Beauty-Bewusstsein, was ihre Haare anbelangt. Trends auf dem Feld schlagen dann indirekt auch auf die Salons durch.
Sie meinen Haartransplantationen wie bei Jürgen Klopp, Trainer des Fußballbundesligisten Borussia Dortmund. Spüren Sie bei Klier denn schon einen Klopp-Effekt?
Das nicht, aber wir registrieren eine stärkere Nachfrage von Herren für Haarfärbungen oder -tönungen. Das ist eigentlich eine Frauen-Domäne und wer die Prozedur als Mann in Anspruch nimmt, fühlt sich dabei vielleicht etwas komisch. Deshalb müssen wir überlegen, wie wir eine Dienstleistung so gestalten, dass sie für den Mann angenehmer wird. So gibt es Farbprodukte, die sich in fünf Minuten auftragen lassen. Die Färbung soll nicht auffallen, schnell gehen und unkompliziert sein. Mit solchen Angeboten könnten wir uns vom Wettbewerb stärker abheben.