Hermes, DPD und GLS Wie die Rivalen die Post übertrumpfen wollen

Gemeinsam wollen Hermes, DPD und GLS die Deutsche Post zurückdrängen - mit Parcellock, einem Briefkasten für Pakete. Im Interview sprechen die Geschäftsführer über ihre Streitigkeiten, Streiks und die Angst vor Amazon.

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Dirk Reiche (Geschäftsführer des Gemeinschaftsunternehmens Parcellock), Boris Winkelmann (DPD), Rico Back (Geschäftsführer GLS) und Frank Rausch (Geschäftsführer Hermes) im Interview mit WirtschaftsWoche. Quelle: Peter Stumpf für WirtschaftsWoche

Für die Paketbranche ist es ein historisches Ereignis: Drei Rivalen schließen sich zusammen, um den Markt in Deutschland zu verändern. Niemand soll mehr seine Pakete beim Nachbarn oder im Kiosk um die Ecke abholen müssen. Dank Parcellock, einer Art Briefkasten für Pakete, die jeder Lieferdienst nutzen kann. Hermes, GLS und DPD holen damit zum Gegenschlag aus gegen die Deutsche Post: Der Marktführer stellte bereits vor einem Jahr seinen Paketkasten vor – den allerdings nur die Boten der Post nutzen können. Im exklusiven Interview mit der WirtschaftsWoche sprechen Frank Rausch (Geschäftsführer Hermes), Rico Back (Geschäftsführer GLS), Boris Winkelmann (DPD) und Dirk Reiche (Geschäftsführer des Gemeinschaftsunternehmens Parcellock) über ihre weiteren Pläne – und warum bei der Entwicklung der Parcellock nicht immer alles harmonisch ablief.

WirtschaftsWoche: Vor einem Jahr hat die Post ihren Paketkasten vorgestellt. Hermes, DPD und GLS haben sich zusammengeschlossen und jetzt mit Parcellock ihre Alternative präsentiert. Gibt es jetzt einen Wettstreit um den Platz in unseren Vorgärten?

Frank Rausch, Geschäftsführer Hermes. Quelle: Peter Stumpf für WirtschaftsWoche

Frank Rausch (Hermes): Genau den werden wir wegen Parcellock hoffentlich nicht erleben. Denn im Gegensatz zur Paketbox der Post ist Parcellock ja ein offenes System, das alle Lieferdienste nutzen können. Insofern freuen wir uns über jeden, also auch  Wettbewerber, der in dieses System liefert. Für den Kunden wäre das auf jeden Fall von Vorteil,  weil er dann mit einer Box Pakete aller Dienste empfangen kann – und sich nicht mit mehreren Systemen den Vorgarten zustellen muss.

Rico Back (GLS): Die Post hat richtig erkannt, dass der Paketkasten eine gute Idee ist. Doch so wie die Post sie umgesetzt hat, ist die Idee nur für sie gut. Wenn ich mir einen Paketkasten kaufe, will ich doch eher einen Kasten, auf den alle Anbieter einen Zugriff haben und nicht nur die Post. Und die Post hat ja schon verkündet, dass sie auch Parcellock nutzen wird, wenn Kunden das von ihr verlangen.

Rico Back, Geschäftsführer GLS. Quelle: Peter Stumpf für WirtschaftsWoche

Was kommt nach der Paketbox? Gibt es bald eine Packstation, also ein Schließsystem mit Fächern wie sie die Post an Bahnhöfen und Supermarkplätzen errichtet hat?

Boris Winkelmann (DPD): Das ist durchaus auch denkbar. Wir stellen ja nicht die Boxen her, sondern die Software und das Sicherheitssystem dahinter. Und das könnte auf viele Produkte angewendet werden, auf Kästen mit mehreren Fächern für Mietshäuser, oder auch auf eine Packstation. Hier laufen schon sehr vielversprechende Gespräche mit unterschiedlichen Partnern. Aber konkrete Pläne gibt es dafür noch nicht.

DPD-Chef Boris Winkelmann. Quelle: Peter Stumpf für WirtschaftsWoche

Herr Winkelmann, Herr Back, DPD und GLS haben sich bis vor kurzem noch vor Gericht gestritten. Dabei ging es um einen Streit bei der DPD Systemlogistik – ein Unternehmen, das zwar für DPD arbeitet, aber zum Teil GLS gehörte. Obwohl Sie Prozessgegner waren, mussten Sie bei der Umsetzung von Parcellock eng zusammenarbeiten. Wie gut hat das funktioniert?

Winkelmann (DPD): Naja, das ist die Geschäftswelt. Da muss man das eine von dem anderen einfach trennen können.

Back (GLS): Es gibt immer unterschiedliche Interessen. Manche Konfliktfälle müssen halt von einem Dritten entschieden werden.

Winkelmann (DPD): Ein gemeinsames Unternehmen zu gründen, während man gerade vor Gericht steht, ist eine schizophrene Situation. Das war keine einfache Entscheidung, aber es war die richtige. Und wir haben uns in dem Streitfall ja auch schließlich geeinigt. DPD hat die Anteile von GLS an dem betreffenden Unternehmen übernommen. Damit ist für uns das Kapitel abgeschlossen.

Back (GLS): Eins ist glaube ich klar, wir brennen alle für die Idee hinter Parcellock. Dass wir gemeinsam diese neue Infrastruktur schaffen können, ist toll. Und bei dieser Idee sind wir uns vollkommen einig, auch wenn es andere Themen gibt, bei denen wir das nicht sind.

"Die Kooperation ist gut verlaufen"

Bei dem Prozess ging es auch um den Umgang mit Geschäftsgeheimnissen. Jetzt sind sie in einer Situation, in der Sie wieder einige Daten und Geschäftsstrategien teilen müssen. Ist das nicht schwierig?

Winkelmann (lacht): Sollen wir darauf eingehen?

Dirk Reiche (Parcellock): Die Antwort ist da ganz einfach: Da gibt es die klare Vorgaben von der Kartellbehörde. Die Daten gehören zum Hoheitsbereich der Parcellock GmbH, also dem Gemeinschaftunternehmen, und dürfen auch nicht weitergegeben werden.

Back (GLS): Parcellock hat nur die Informationen der Nutzer der Paketkästen. Ansonsten hat sie keine Informationen, auch keine Kundendaten der einzelnen Paketdienstleister.

Herr Reiche, als Geschäftsführer von Parcellock müssen Sie auch zwischen den Gesellschaftern schlichten. Wie gut sind ihre Fähigkeiten als Vermittler?

Reiche (Parcellock): Bisher hat es gut funktioniert. Wir haben drei gemeinsame Gesellschafter, also müssen wir eine Lösung finden. Ein Patt kann es ja nicht geben.

Was war der größte Streitpunkt in der Entwicklung von Parcellock?

Back (GLS): Wir hatten sehr unterschiedliche Ansichten dazu, ob alle Lieferdienste die gleichen Gebühren für die Nutzung von Parcellock zahlen sollen. Darüber haben wir sehr lange diskutiert, auch mit dem Bundeskartellamt.

Rausch (Hermes): Für den Kunden schaffen wir den größten Mehrwert auf Basis fairer Wettbewerbsbedingungen. Und die entstehen nun mal durch die Gleichbehandlung aller Anbieter, ob im Markt oder bei einem Projekt wie dem unseren. Entsprechend sieht das Ergebnis unserer Überlegungen aus: Alle Paketdienste, die Initiatoren von Parcellock eingeschlossen, zahlen die gleichen Gebühren. Und durch die Diskussionen haben wir Erfahrung gesammelt, wie wir gut zusammenarbeiten können.

So gut sind Deutschlands Paketdienste

Bei all dieser Erfahrung, gibt es dann bald auch andere gemeinsame Projekte, zum Beispiel einen gemeinsamen Paketshop?

Winkelmann (DPD): Stimmt, die Kooperation ist gut verlaufen. Aber trotzdem bleiben wir Wettbewerber und wollen uns auch voneinander abgrenzen. Und da sind der Kundenservice und auch die Paketshops wichtige Bereiche, mit denen wir uns durch ein besonders gutes Angebot abheben wollen.

Herr Winkelmann, Herr Rausch, bei DPD und Hermes testen Sie außerdem die Zustellung am selben Tag. Wird das bald zum Standard?

Rausch (Hermes): Richtig, wir sind seit dem Sommer an dem Start-up Liefery beteiligt, das eine taggleiche Zustellung in Ballungszentren anbietet. Noch sehen viele Empfänger für einen solchen Service zwar noch  keine  Notwendigkeit. Aber das ändert sich, denn die Onlineversender lösen mit ihren Angeboten dafür einen stetig wachsenden Bedarf aus. Es gibt doch bereits Kunden, die sich eine Zahnbürste mit Amazon Prime zum Folgetag bestellen – schlicht weil es so einfach ist. Wird also die taggleiche Lieferung zu moderaten Preisen für den Empfänger angeboten, wird sich auch diese bald durchsetzen. 

Winkelmann (DPD): Das wäre auch für den stationären Handel eine riesige Chance. Amazon würde sich freuen, wenn es das Filialnetz von C&A oder H&M hätte, denn damit lässt sich die Zustellung am selben Tag viel einfacher bewerkstelligen. Aber die Händler sind da sehr zaghaft.

Die Paketzustellung der Zukunft

Es gibt viele Gerüchte, dass auch Amazon bald mit eigenen Fahrzeugen in Deutschland Lebensmittel ausliefern könnte, mit seinem Service Amazon Fresh. Herr Rausch, Amazon ist einer der wichtigsten Kunden für sie, nach ihrem Mutterkonzern, dem Versandhändler Otto. Haben Sie Angst davor, dass Amazon zu ihrem Konkurrenten wird?

Rausch (Hermes): Nein, wir sind gut darauf vorbereitet, sollte Amazon damit starten. Nebenbei bemerkt: Wir arbeiten seit  vielen Jahren sehr gut mit Amazon zusammen - und das wird aus unserer Sicht auch so weitergehen.

Back (GLS): Ich glaube, Amazon probiert eine Vielzahl von Dingen aus, denken Sie nur an die Drohnen. Aber Amazon setzt auch immer auf mehrere Dienstleister, ich denke nicht, dass Amazon alle seine Pakete irgendwann selbst zustellt. Wir sind die Spezialisten im Paketdienst – Amazon ist Spezialist im Versandhandel.

Faire Wettbewerbsbedingungen

Amazon gilt als harter Verhandlungspartner. Hermes hat sich oft beschwert, dass die Preise für die Paketzustellung in Deutschland zu niedrig seien. Herr Back, Herr Winkelmann, sehen Sie das genauso?

Winkelmann (DPD): Die Preise sind tatsächlich sehr umkämpft. Auf bestimmte Preisniveaus wollen wir nicht herabsinken. Deshalb bauen wir DPD als Premiumdienstleister auf, mit einem Kundenservice und digitalen Angeboten, für die Kunden auch bereit sind, einen Premiumpreis zu zahlen. Damit bekommt man vielleicht nur zehn oder fünfzehn Prozent der Versandmengen, aber dafür lohnt sich das dann wirtschaftlich.

Back (GLS): Wir fahren nur dann, wenn wir auch Geld verdienen. Sonst könnten wir in Ideen wie Parcellock gar nicht investieren. Allerdings hat GLS hat auch keinen Kunden, der mehr als zwei Prozent des Umsatzes ausmacht. Und Preise kommen im Gespräch mit den Kunden zusammen, entweder man einigt sich oder nicht.

Herr Rausch, bei Hermes sieht die Struktur mit Amazon und Otto als Großkunden anders aus. Müssten Sie vielleicht mit ihrer Mutter – mit Otto – härter verhandeln?

Rausch (Hermes): Vor zehn Jahren haben wir 90 Prozent unseres Umsatzes mit Otto gemacht. Heute sind es nur noch 30 Prozent. Den weitaus größeren Anteil realisieren wir also mit Kunden außerhalb des Konzerns. Natürlich müssen die Preise auskömmlich sein. Aber wir liefern vor allem an Privatkunden. Und in diesem Marktsegment sind die Wettbewerbsbedingungen durch den politisch unterstützten Sonderstatus der Post verzerrt. Wenn heute ein Paket für 3,90 Euro mit bis zu 500 Euro Haftung von Oberammergau bis nach Flensburg transportiert wird, ist der Preis für die gebotene Leistung einfach 50 Cent zu niedrig.

Entwicklung des deutschen Paketmarktes

Wie sähen denn faire Wettbewerbsbedingungen aus?

Rausch (Hermes): Der Staat sollte endlich – wie immer wieder von der Monopolkommission gefordert – seinen von der KfW gehaltenen 21 Prozent Anteil an der Post verkaufen. Weiter müssen fiskalische Privilegien wie die Mehrwertsteuer-Befreiung weg. Zudem ist die Post im Briefmarkt weiter geschützt und hat nach wie vor über 90 Prozent Marktanteil. Jetzt will sie den Preis für das Briefporto wieder erhöhen. Auf 70 Cent! Mit dieser Erhöhung verdient die Post im Jahr mehr als 200 Millionen Euro - und davon profitiert auch der Paketbereich.

Winkelmann (DPD): Es wäre sicherlich hilfreich, wenn die zuständigen Behörden für mehr Transparenz im Briefbereich sorgen würden. Wieso die Post das Porto jetzt um acht Cent erhöhen will, ist kaum nachvollziehbar. Aufgrund der vor kurzem durchgesetzten Gesetzesänderung kann die Post jetzt ihre Preiserhöhungen auf Basis der Gewinne anderer europäischer Postgesellschaften rechtfertigen. Wenn die italienische oder die französische Post mehr am Briefversand verdienen, soll auch die Deutsche Post mehr Geld einstreichen dürfen. Das wäre so, als dürfte Shell seine Preise in Deutschland auf der Basis der Erträge von Shell oder Aral in Spanien und Frankreich anpassen.

Die Post hat allerdings viel höhere Lohnkosten als Sie. Die Gewerkschaft hat monatelang gestreikt, weil der Vorstand neue Tochterunternehmen mit niedrigerem Lohnniveau gegründet hat. Ihre Unternehmen hingegen wurden oft für die schlechten Arbeitsbedingungen kritisiert: Ihre Fahrer sind bei Subunternehmern beschäftigt und bekommen oft nur den Mindestlohn. Wann wird sich das ändern?

Back (GLS): Die Löhne der Fahrer hängen von den Subunternehmern ab, die sie einstellen. In München können Sie auch keine Zusteller für den Mindestlohn beschäftigen. Das ist oft eher ein Problem in strukturschwachen Regionen. Aber die Arbeitsbedingungen sind nicht so schlecht, wie sie oft dargestellt werden – sonst würden unsere Transportpartner bei der niedrigen Arbeitslosigkeit, die wir in Deutschland haben, gar keine Fahrer mehr finden.

Winkelmann (DPD): Durch den Mindestlohn musste sich in der Branche nicht mehr viel verändern, weil wir schon seit einigen Jahren hart daran arbeiten, die Arbeitsbedingungen und auch die Löhne zu verbessern. Die Probleme, über die so viel berichtet wurde, gab es oft nur in Einzelfällen. Aber diese Fälle haben uns aufgerüttelt.

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