Insolvenzverwalter-Ranking 2015 Welche Kanzleien der Pleiteflaute trotzen

Düstere Zeiten für Deutschlands Pleitekönige: Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen sackte 2015 ab. Das WiWo-Insolvenzverwalter-Ranking zeigt, wen der Absturz mit voller Wucht erwischt hat – und wer profitieren konnte.

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Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens Quelle: imago images

Bei der Lektüre des Interviews brandete Hoffnung auf – zumindest in der Pleitezunft. Mitte April prophezeite der Börsenguru Martin Armstrong in der WirtschaftsWoche den nächsten Crash. Für Oktober 2015 sagte Armstrong, der es dank einer Kino-Dokumentation über sein Leben zu einiger Prominenz gebracht hat, den nächsten großen Markteinbruch voraus. In der Folge „wird Deutschland vor einer Rezession nicht gefeit sein“, so Armstrong.

Allein, der Guru irrte. Auch wenn es derzeit – ein paar Monate nach dem vermeintlichen Absturz-Termin – an den Märkten kräftig rappelt, ist die deutsche Wirtschaft weit entfernt vom Untergang. Im Gegenteil: Die Konjunktur läuft robust und die Zahl der Unternehmensinsolvenzen sackte 2015 auf den tiefsten Stand seit Einführung der Insolvenzordnung 1999.  

Auf überschaubare 6126 vorläufige Verfahren über Kapital- und Personengesellschaften summierten sich die Pleitezahlen, rund fünf Prozent weniger als 2014. Das zeigt eine exklusive Analyse der Online-Plattform Insolvenz-Portal für die WirtschaftsWoche. Der Betreiber der Plattform, der Karlsruher Informationsdienstleister STP Portal, wertete dazu die Angaben deutscher Amtsgerichte zu Unternehmensinsolvenzen aus. Zudem versuchten die Experten, alle Schutzschirm- und Eigenverwaltungsverfahren zu erfassen. 

Die Plätze 50 bis 41 im Überblick

Das Resultat: Vor allem Großpleiten waren 2015 Mangelware. „Bei Unternehmen mit über 10 Millionen Euro Umsatz lagen die Insolvenzzahlen rund 20 Prozent unter den Vorjahreswerten“, sagt Insolvenzportal-Chef Jens Décieux. „Unter großen Firmen mit mehr als 100 Millionen Euro Umsatz haben Insolvenzen inzwischen fast Seltenheitswert.“ 

Klar ist: Der Pleitenschwund trifft die Verwalter-Zunft ins Mark, zumal der Trend schon seit Jahren anhält. Und Besserung ist nicht in Sicht: „Es gibt bislang keine Anzeichen, dass die Zahl der Insolvenzen schnell wieder ansteigen wird“, sagt Décieux.

Umso spannender ist die Frage, welche Kanzleien sich trotz der Insolvenz-Flaute bei Gerichten und Gläubigern behaupten konnten – und wen der Absturz mit voller Wucht erwischt hat. Dazu haben die Experten aus der Datenflut die 50 Insolvenzkanzleien herausgefiltert, die im vergangenen Jahr die meisten Pleite-Fälle bearbeiten haben.

Betrachtet wurden dabei vorläufige Insolvenzverfahren. Die Größen und Vermögensmassen der jeweiligen Unternehmen flossen nicht in die Analyse ein. Damit lassen sich keine direkten Rückschlüsse auf den wirtschaftlichen Erfolg einzelner Kanzleien ziehen. Dennoch zeigt die Aufstellung, wer das Massengeschäft dominiert.

Sprung in die Top 50

So galt es 2015 die Hürde von 26 vorläufigen Verfahren zu nehmen, um dem Sprung in die Top 50 zu schaffen. Namhafte Adressen wie Kebekus et ZimmermannDr. Pannen und Depré gelang der Einstieg. Aber auch Kilger & FüllebornLecon und BRL finden sich im Inso-Einstiegsreigen. Die Aachener Kanzlei Mönning & Georg näherte sich mit nur noch 29 Verfahren indes von oben an, im Vorjahr hatte die Truppe um Rolf-Dieter Mönning und Thomas Georg noch fast doppelt so viele Unternehmenshavarien betreut. Ursache und Grund des Aachener Aderlasses dürften indes weniger die Marktwidrigkeiten sein, als die sich schon in den vergangenen Monaten abzeichnende fachgerechte Kanzleiaufspaltung. Auf der Kanzleihomepage heißt es denn auch: „Ab dem 01.01.2016 wird der Mönning & Georg Verbund infolge eines Generationenwechsels in der bisherigen Konstellation und Firmierung nicht mehr am Markt auftreten“. Generationenwechsel? Aber hallo! Jungspund Mönning, der nach eigenem Bekunden seit dem Wiegenfeste anno 1948 rund 3000 Insolvenzverfahren gewuppt hat, will jetzt mit seinem Start-up Mönning & Partner den Markt aufrollen. 

Für 2016 plant Michael Jaffé Großes. Fast anderthalb Jahrzehnte nach der Pleite der Kirch-Mediengruppe will der Münchner Verwalter die Schlusszahlung aus der Verwertung von allerlei Filmrechten und Beteiligungen der KirchMedia an die Gläubiger ausschütten und das Verfahren hernach ad acta legen. Pleiten ähnlichen Formats gab es für ihn 2015 zwar nicht. Trotzdem lief es mit größeren Verfahren wie dem Finale der Immobilienfondsgesellschaft Narat wieder ordentlich für Jaffé. 

Die Plätze 40 bis 31 im Überblick

In der Modestadt Düsseldorf durften sich Kreplin & Partner derweil am Textil- und Lederwesen abarbeiten. So verkaufte die Crew um Georg F. Kreplin den deutschen Ableger des holländischen Modehändlers Mexx und verwaltete die Kitaro Fashion Group. Im vergangenen Jahr übernahm er auch die Sachwalterschaft über den jüngsten Rettungsversuch der dauermaladen Motorrad-Zubehörkette Hein Gericke. Ein Mandant mit durchaus nostalgischem Charakter: Schon Ende 2013 steuerte Kreplin den Laden als Insolvenzverwalter durch kurviges Terrain.

Die traditionellen Grußkarten von Piepenburg–Gerling kamen dieser Tage als wortgewaltiger Imperativ daher: „nicht später – jetzt!“, lautete die postalische Motivationshilfe zum Jahresauftakt. Im eigenen Haus sind derlei Ermahnungen kaum nötig. Zwar sackte die Zahl der Neuverfahren von 52 auf 44 ab. Allein, der Arbeitsaufwand blieb konstant, galt es doch, so heikle Kandidaten, wie die auf Krimskrams spezialisierte und insolvenzerprobte Traditionskette Strauss Innovation zu verkaufen. Das Husarenstück gelang, auch wenn offen bleibt, wie viel Strauss am Ende noch in den Strauss-Filialen stecken wird.

Mit einer ganz ähnlichen Gefechtslage hatte es Harald Schwartz von Schwartz Rechtanwälte beim Nürnberger Teppichhändler Aro zu tun. Wie Strauss hatte auch Aro zuvor bereits ein Schutzschirmverfahren absolviert, dessen segensreiche Wirkung wohl vor allem darin bestand, den fränkischen Heimtextil-Tycoon, Ex-Präsidenten des 1. FC Nürnberg und Aro-Inhaber Michael A. Roth zu schonen.

Die Plätze 30 bis 21 im Überblick

Robert Schiebe von Schiebe & Collegen spürte derweil dem Verbleib etlicher Luxuskarossen aus der Insolvenzmasse der KMS Sportwagen Schöffling nach, Anchor-Mann Silvio Höfer mischte bei Blaupunkt mit und Malte Köster von Willmer & Partner war beim Haustechnikgroßhändler Wilhelm Koch und 22 weiteren Verfahren im Einsatz, was die Gesamtzahlen der Nordlichter auf 42 hievte. Kösters Dauerpräsenz unter Deutschlands Top-Verwaltern findet neuerdings auch Erwähnung auf Visitenkarten, Homepages und Werbetafeln aller Art: Aus Willmer & Partner wurde jüngst WillmerKöster.

Mit dem kanzleiökonomisch wohl spannendsten Verfahren des Jahres bedachte der Hamburger Insolvenzrichter Frank Frind im August Reimer Rechtsanwälte. Die Kanzlei-Partner Peter-Alexander Borchardt und Tjark Thies durften fortan den deutschen Ableger des niederländischen Gebäudetechnik-Konzerns Imtech verwerten. Eine Bilderbuchpleite: Ein Baudienstleister mit Liquiditätsproblemen, aber letztlich solidem Geschäft – und überraschend viel freier Masse. So hatten sich die Gläubigerbanken im Vorfeld keine direkten Sicherheiten für ihre Kredite einräumen lassen, was Borchardt selbst als „ungewöhnliche Situation“ bezeichnet. Fachleute sprechen eher von einem kapitalen Klops. Angesichts des Imtech-Jackpots dürfte der Rückgang der reimer’schen Verfahrenszahlen von 97 auf 52 nicht groß ins Gewicht fallen.

Kunststück

Auch Martin Lambrecht, Düsseldorfer Partner bei Leonhardt Rattunde, gelang es, sich ein rares Exemplar der Gattung Großverfahren zu sichern. So war Lambrecht im Schutzschirmverfahren der DHS Instore Service im Einsatz, die bundesweit rund 1900 Mitarbeiter beschäftigt und als Logistiker Waren in Supermärkten verräumt. Andernorts mussten sich die Insolvenz-Granden indes mühen, den Mangel an Großkalibern mit KMU-Konkursen zu kompensieren. Schneider, Geiwitz & Partner, aber auch Flöther & Wissing und Johlke, Niethammer & Partner gelang das Kunststück.

Vor allem aber AndresPartner punktete gegen den Trend mit einem Anstieg der Verfahren von 39 auf 58, was auch mit dem Wechsel von Martin Schmidt zu den Düsseldorfern zu tun haben dürfte. Der Neuzugang kommt von Schultze & Braun und war dort einer der meistbestellten Verwalter. Die Personalie hat denn auch Spuren in der ersten Liga des deutschen Insolvenzgewerbes hinterlassen.

Die Plätze 20 bis 11 im Überblick

Um den Sprung in die Top 10 zu schaffen, waren 2015 mindestens 72 neue Verfahren erforderlich. Die Hürden sind hoch und beschränken den Kreis der ernstzunehmenden Kandidaten auf insgesamt kaum mehr als 16 Player, von denen die sechs Branchenschwergewichte Görg, Pluta, Brinkmann, White & Case, hww und Schultze & Braun ohnehin gesetzt sind. Umso erstaunlicher ist, dass im vergangenen Jahr mit Pohlmann Hofmann einem Newcomer der Einstieg gelang. Die Münchner Verwalterformation steigerte die Fallzahlen von 42 auf 78 und zeigt zugleich die Schwierigkeiten und Grenzen eines rein quantitativen Rankings.

Denn der Anstieg hängt vor allem mit dem Anlageskandal um den Finanzmakler Malte Hartwieg zusammen, dessen Imperium Verwalter Rolf G. Pohlmann derzeit in zig separaten Einzelverfahren durchleuchtet, was die Zahlen nach oben treibt. Andere Namen im Führungszirkel dürften für weniger Verwunderung sorgen. Reimer und Münzel & Böhm mussten weichen, während BBL Bernsau Brockdorff und Henningsmeier ihre Positionen verteidigten. Dr. Beck & Partner gelang der Neueinstieg. Deutliche Verschiebungen gab es dagegen unter den Big Six, die auf jeweils mehr als 100 Pleiten kamen.

So sackte Pluta laut den STP-Daten von 211 auf 156 Verfahren ab. „Wir haben indes nach unseren Eingängen um mehr als zehn Prozent  zugenommen und sowohl von den Eingängen, als auch vom Umsatz unser bisher bestes Geschäftsjahr gehabt“, lässt derweil Altmeister Michael Pluta wissen, der 2015 unter anderem als Kapitän des leckgeschlagenen Flusskreuzfahrten-Anbieters Nicko Cruises anheuerte.  

Brinkmann – gleichauf mit Pluta – konnte sich derweil über eines der prominentesten Verfahren des Jahres freuen. Der Bielefelder Brinkmann-Partner Thorsten Fuest begleitet Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff durch die Pleite und macht Villen und Fonds des früheren Starmanagers zu Geld. Das wiederum dürfte Görg-Partner und Arcandor-Insolvenzverwalter Hans-Gerd Jauch zur Freude gereichen, der sich denn auch einen Platz im Gläubigerausschuss gesichert hat. Seine Sozietät brachte es 2015 mit 117 Insolvenzen übrigens auf ähnliche Verfahrensvolumina wie im Vorjahr.

Die Plätze 10 bis 1 im Überblick

White & Case konnte sich auf Platz drei vorschieben, wobei mehr als die Hälfte aller Pleiten von Sven-Holger Undritz und Christoph Schulte-Kaubrügger beackert wurden. Letzterer wirkte etwa als Sachwalter beim aus dem Tritt geratenen Kettcar-Hersteller Kettler.

„Hww wird zur Großmacht im Krisengeschäft“, schrieb die WirtschaftsWoche Ende 2014, als  Hermann Rechtsanwälte und hww fusionierten. Und diesmal traf die Prognose zu. „2015 haben sich Schultze & Braun und hww hermann wienberg wilhelm ein Kopf-an-Kopf-Rennen geliefert“, sagt STP-Experte Décieux. Letztlich habe Schultze & Braun zwar seine Spitzenposition verteidigt, hww konnte aber „gegen den Markttrend deutlich zulegen“. So verbuchte die neu formierte hww rund 42 Verfahren mehr als die Einzelkanzleien Hermann und hww 2014 zusammen erzielt haben. Anteil daran hatte etwa der Düsseldorfer hww-Partner Gregor Bräuer, der die Siegener Hotel-, Steuerberatungs- und IT-Gruppe Kolleß mit 26 Einzelunternehmen durch die Insolvenz dirigiert.

Wie es weiter geht? Crash-Prophet Armstrong hat bereits den nächsten Absturz-Termin bekannt gegeben. 2017 ist es soweit. Wirklich!

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