Lufthansa-Pilotenstreik Warum der Tarifkonflikt fast unlösbar ist

Das neue Angebot der Lufthansa an die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit erleichtert eine Lösung des Konflikts. Doch die Ursachen liegen tiefer im angespannten Verhältnis zwischen Gewerkschaft und Unternehmen sowie darin wie beide organisiert sind.

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Die Piloten bei der Lufthansa streiken auch am Wochenende. Quelle: dpa

Der Stress der vergangenen Tage war Lufthansa-Personal-Chefin Bettina Volkens deutlich anzumerken, als sie sich gestern Nachmittag in einer öffentlichen Videobotschaft an ihre Piloten wandte. „Wir wissen, dass es nicht nur um die Vergütung geht“, warb die Managerin um Verständnis bei den wichtigsten Mitarbeitern ihres Unternehmens, die für den heutigen Samstag den 17. Pilotenstreik seit gut zwei Jahren angekündigt haben.

Doch selbst wenn die Initiative die aktuelle Streikwelle beendet: den Konflikt zwischen Lufthansa und ihren Piloten wird es kaum lösen. Sicher, das neue Angebot von nun 4,4 Prozent Gehaltssteigerung sowie 1,8 Monatsgehältern ist großzügig. Es summiert sich für den einzelnen Piloten auf zwischen knapp 3000 und gut 10.000 Euro im Jahr sowie einmalig rund 10.000 und gut 30.000 Euro. Das ganze natürlich zusätzlich zu den im Schnitt zwischen 1800 und gut 6000 Euro, die jeder Pilot pro Jahr mehr bekommt, weil er automatisch in eine höhere Gehaltsgruppe rutscht.

Doch, wie Volkens richtig sagt: es geht beim Konflikt um mehr als Geld. Zum einen wehren sich die Piloten wie zuvor die für das Kabinenpersonal zuständigen Vertretungen dagegen, dass immer mehr Flüge von der klassischen Lufthansa auf die Billigtochter Eurowings verlagern, wo die Arbeitskosten im Schnitt um gut ein Drittel niedriger liegen. Dafür sorgen niedrigere Gehälter und andere Arbeitsbedingungen bei den Urlaubsregeln oder der Berechnung von Bereitschaftsdiensten, falls ein Mitarbeiter kurzfristig für einen anderen einspringen muss.

Doch tatsächlich liegen die Ursachen in der Organisation von Gewerkschaft und Unternehmen.

Immer wieder Streiks bei Lufthansa und ihren Töchtern

Die Vereinigung Cockpit ist eine relativ kleine Spartengewerkschaft. Ihre Führung besteht – anders als bei großen Industriegewerkschaften wie der IG Metall – nur aus wenigen hauptamtlichen Mitarbeitern, aber umso mehr im Unternehmen aktiven Piloten.

Das macht einen großen Unterschied. Zum einen ändert sich bei IG Metall & Co das Gehalt der Funktionäre nicht direkt, wenn die für ihre Klientel besonders große Lohnsteigerungen herausholen. Dazu müssen Funktionäre großer Gewerkschaften naturgemäß Abschlüsse für alle Unternehmen einer Gruppe schließen. Und die Lohnrunden dürfen weder die schwächsten Betriebe überfordern, noch weniger gut bezahlte Jobs zu sehr verteuern. Sonst stellen die Betriebe am Ende weniger neue Leute – und damit zahlende Gewerkschaftsmitglieder – ein, vergeben Jobs an Dienstleister oder ersetzen sie gar durch Maschinen.

Anders bei den Piloten. Diese können nicht nur Abschlüsse ohne Rücksicht auf den Rest der Belegschaft abschließen. Denn ihre Jobs sind gar nicht oder nur schwer zu ersetzen. Dazu spüren die Teilzeit-Funktionäre die Folgen ihrer Abschlüsse auch unmittelbar im eigenen Portemonnaie. Und sie treffen quasi täglich ihre Basis und müssen jeden Schritt persönlich rechtfertigen – nicht selten auch dann wenn sie längst nicht mehr in der Gewerkschaftsspitze stehen. „Und da wir angesichts der wachsenden Automatisierung im Cockpit oft wenig zu tun haben, bleibt viel Zeit für Diskussionen“, so ein Flugzeugführer.

Die goldene Gans

Das System begünstigt hohe Gehaltsforderungen geradezu. Denn es schafft den Anreiz besonders hohe Abschlüsse herauszuholen, die vor allem der eigenen bereits beschäftigten Klientel dienen und weniger dem eigenen Nachwuchs oder den Kollegen im Rest des Unternehmens. Als abschreckendes Beispiel dieser gewerkschaftlichen Sparten-Denkart gilt ein Zitat von Rick Dubinski, langjähriger Chef der Piloten beim amerikanischen Lufthansa-Partner United Airlines. Der begrüßte laut einem Bericht der New York Times in den späten neunziger Jahren seinen Verhandlungspartner auf Arbeitgeberseite mit den Worten: „Wir wollen die goldene Gans gar nicht töten. Wir wollen ihr nur den Hals zudrücken bis sie uns auch das allerletzte Ei überlässt.“

Was Piloten bei Lufthansa, Condor & Co. verdienen
Pilot müsste man sein: Die ganze Welt sehen und dafür noch ordentlich Geld bekommen. Doch Pilot ist nicht gleich Pilot. Zwischen den einzelnen Fluggesellschaften gibt es ein deutliches Preisgefälle. Laut Pilotenvereinigung Cockpit bekommt ein Erster Offizier oder Kopilot anfangs ein Monatsgehalt zwischen 1500 Euro und 5000 Euro brutto. „Ein Kapitän – das wird man nach etwa 3 bis 20 Jahren als Erster Offizier – erhält je nach Luftverkehrsgesellschaft ein Anfangsgehalt zwischen 3000 Euro und 10.000 Euro“, so die Gewerkschaft. Quelle: dpa, Handelsblatt, Unternehmen Quelle: dpa
RyanairDie Piloten des irischen Billigfliegers gehören im Vergleich eher zu den Niedrigverdienern der Branche. 25.000 Euro bezahlt Ryanair seinen Kopiloten zu Beginn. Flugkapitäne ab dem 12. Berufsjahr erhalten anfangs 53.000 Euro. Ihr Maximalgehalt beläuft sich auf 85.000 Euro. Quelle: dpa
Air BerlinDie zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft zahlt seinen Kopiloten zum Einstieg 45.000 Euro. Piloten bekommen bei Air Berlin zu Beginn 80.000 und in der Spitze bis zu 115.000 Euro. Quelle: dpa
Condor5050 Euro bekommt ein Condor-Kopilot zum Einstieg im Monat. Das macht eine jährliche Gesamtvergütung von 60.600 Euro. Ein Kapitän verdient zunächst 8700 Euro im Monat beziehungsweise 104.400 Euro im Jahr. In der Spitze kann sein Gehalt auf 135.600 Euro klettern. Quelle: dpa
British AirwaysDas Einstiegsgehalt der BA-Co-Piloten liegt bei 61.000 Euro. Piloten ab dem 12. Berufsjahr erhalten zunächst 77.000 Euro im Jahr. Im Laufe der Zeit kann ihr Gehalt auf bis zu 181.000 Euro steigen. Quelle: REUTERS
LufthansaLufthansa-Kapitäne gehören zu den Bestverdienern und können in der Spitze ein Jahresgehalt von bis zu 255.000 Euro bekommen – Zulagen inklusive. Schon zum Einstieg verdient ein Erster Offizier / Kopilot rund 55.500 Euro, mit Zulagen bis zu 73.000 Euro. Das Einstiegsgehalt eines Flugkapitäns ab dem 12. Berufsjahr beträgt 120.000 Euro. Quelle: dpa

So grobschlächtig argumentieren die Cockpit-Funktionäre zwar nicht. Aber aus ihrer Sicht ist ihre Forderung nach einem Gehaltsplus von 20 Prozent in Ordnung, weil die Lufthansa derzeit Rekordgewinne schreibt und das Geld ohne eine Lohnerhöhung für sie doch nur den Aktionären überweisen würde.

Diese Gedanken befördert allerdings auch die Konzernstruktur der Lufthansa. Weil die Linie neben der Fliegerei auch in deutlich profitableren Feldern wie Wartung oder Catering aktiv ist, erkennt die finanziellen Nöte des Fluggeschäfts nur jemand, der tiefer in den Geschäftsbericht blickt. Das scheinen die Piloten – zumindest laut ihren öffentlichen Auftritten – nicht zu tun.

Womit die Lufthansa ihr Geld verdient

Doch die Struktur zu ändern, wäre für Lufthansa-Chef Carsten Spohr riskant. Er könnte zwar die Wartungsbetriebe oder die Flugküchen teilweise an die Börse bringen. Diese Transparenz würde den heute oft versteckten Wert der Töchter deutlich machen und den Konglomerats-Abschlag beim Aktienkurs mindern - und natürlich den Piloten die schwachen Finanzen des Fluggeschäfts zeigen. Leider würde ein Umbau aber auch die heute übliche enge Verflechtung innerhalb der Gruppe mindern, die etwa bei den von den Werkstätten angestoßenen Innovationsprozessen oder den Managerwechseln in der Gruppe zusätzlichen Wert schafft.

Somit ist am Ende eine Lösung des Problems schwer. Denn aus Sicht der Piloten funktioniert das System perfekt. Und selbst wenn sie für einige Wochen als gierige Buhmänner dastehen. Am Ende sind die Erhöhungen ein schönes Schmerzensgeld.

Spohr hingegen bleibt am Ende nicht viel mehr als erstmal die Forderungen auszusitzen -und gleichzeitig daran zu arbeiten, dass die Vereinigung Cockpit im Rahmen einer größeren Gewerkschaftsgruppe aufgeht, die dann weniger radikale Forderungen stellt.

Welche Rechte Fluggäste bei Streik haben

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