„Es gehört zum Selbstverständnis der Ministerpräsidentin und der Staatskanzlei sowie der gesamten Landesregierung, Gespräche mit Menschen, Institutionen oder Unternehmen zu führen, die im Land Rheinland-Pfalz Engagement zeigen, Investitionen vornehmen oder planen und Kontakte knüpfen wollen“, sagte Hoch im Landtag und bekräftigte später eine Aussage von Ministerpräsidentin Dreyer: „Die Landesregierung hat keinen Einfluss auf den Veräußerungsprozess genommen.“
Nach dem Zuschlag war sich Dreyer zumindest nicht zu schade, sich selbst als PR-Zugpferd für den inzwischen gescheiterten Bieter Capricorn einzuspannen und einen groß angelegten Werbetermin für Capricorn zu absolvieren. Sollte der Weiterverkauf noch platzen, wäre das ein weiteres Desaster für die Landesregierung. Zumal der für den Nürburgring zuständige Innen- und Infrastrukturminister Roger Lewentz, der ebenfalls Gespräche mit Almunia geführt hatte, laut der Zeitung „Trierischer Volksfreund“ inzwischen erklärte, dass der Aufsichtsratschef von Charitonins Holding „ein alter Motorradkumpel“ von ihm sei.
Was sagt die Landesregierung nun in Brüssel?
Spannend ist nun, wie sich die Landesregierung zu den neuen Beschwerden positioniert. Fahren führende Regierungsvertreter bis hin zur Ministerpräsidentin wieder nach Brüssel, um für den Fortbestand des Beschlusses zu kämpfen? Lässt die Landesregierung die Sache einfach laufen? Oder signalisiert sie der Kommission gar, dass sie nichts dagegen hätte, wenn die Untersuchungen in Brüssel neu aufgerollt würden? Bisher jedenfalls scheint die Landesregierung dem neuen Investor Charitonin wohlgesonnen. Obgleich Lewentz etwa schon 2013 gesagt hatte, es sei nicht erwünscht, dass ein Oligarch aus Russland oder dem Nahen Osten sich die Rennstrecke kaufe. Dreyer soll sich bei Gesprächen am Nürburgring ähnlich geäußert haben.
Auch die neue EU-Kommissarin Margrethe Vestager gerät ein wenig in die Klemme in der Frage, wie sie sich nun am besten zum Nürburgring-Beschluss der Vorgängerkommission positionieren soll. Der Beschluss war auch innerhalb der Kommission stark umstritten, insbesondere beim Juristischen Dienst, der einen ersten Beschlussentwurf kippte. Die Entscheidung, die für Juni erstmals auf der Tagesordnung gestanden hatte, wurde mehrfach geschoben. Das Fass Nürburgring wieder aufzumachen dürfte ihr bei ihren Mitarbeitern und auch manchen Kommissaren nicht nur neue Freunde einbringen. Bei anderen dagegen würde Vestager offene Türen einrennen.
Knifflige Entscheidung für Vestager
Zudem haben die unterlegenen Bieter auch schon angekündigt, notfalls vor den Europäischen Gerichten gegen den Beschluss der Kommission vom 1. Oktober zu klagen. Noch könnte Vestager den Beschluss auf ihren Vorgänger oder auf die Informationen der Insolvenzverwalter schieben, sollte sie ihn revidieren wollen. Wenn sie nun dagegen an dem Beschluss festhält, stellt sie sich dahinter und macht ihn sich quasi zu eigen. Dann könnte er ihr vor den Europäischen Gerichten in ein paar Jahren auch auf die eigenen Füße fallen, wenn die Gerichte im Sinne der unterlegenen Bieter entscheiden sollten.
Fest steht bei all den Unwägbarkeiten nur eines: Der Mythos Nürburgring bleibt kaum kontrollierbar. Kurz nach der Eröffnung der Strecke im Jahr 1927 schrieb ein britischer Journalist: "Als der Ring geplant wurde, hat man wohl einen torkelnden Riesen im Vollrausch losgeschickt, um die Strecke festzulegen." Genauso wirrungsvoll verlief auch die jüngste Vergangenheit – und die dürfte sich noch ein Weilchen in die Zukunft hinein ziehen.