Fast elf Jahre nach dem Start von ProSiebenSat.1 Welt ist nun auch die Mediengruppe RTL Deutschland auf den Trichter gekommen: Sie startet einen eigenen Sender, der sich vorwiegend an im Ausland lebende Deutsche richtet. Der Kanal startet am Montag in einer zunächst überschaubaren Zahl von Ländern, heißt schlicht „RTL International“ – und man wundert sich über das Gewese, das deswegen gerade stattfindet.
Die Kölner dagegen probieren es zum Start erst einmal anderswo, nämlich in Kanada, dem südlichen Afrika, Australien, Israel und Georgien. Weitere Märkte wie USA und Brasilien sollen folgen.
Dazu basteln sie aus dem laufenden Programm der Senderfamilie mit den quasi live ausgestrahlten RTL-Nachrichten, Serien wie „Alarm für Cobra 11“ und Vox-Auswanderer-Dokus eine Art „Best of“ zusammen. Gar so unterversorgt, wie RTL es in seiner Ankündigung („Willkommen zu Hause“) allerdings darstellt, ist die deutsche Diaspora zumindest in Südafrika nicht: Dort hat der Anbieter Deukom, bei dem auch RTL International an den Start gehen wird, das normale RTL-Programm schon länger im Angebot.
Flimmert dort also ab Montag RTL International über die Mattscheibe, ersetzt der Neuling schlicht das herkömmliche, den Zuschauern vertraute RTL-Programm mit all seinen Höhen und Tiefen. Wer sich dort bislang ein Format wie „Deutschland sucht den Superstar“ angeschaut hat, wird sich allerdings wundern: Das Dieter-Bohlen-Genöhle läuft nicht bei RTL International. Erspart bleibt den Zuschauern aber auch die Werbung: Die ist für RTL International-Zuschauer in Kapstadt oder Johannesburg im Programm des Privatsenders mit der Umstellung Geschichte: Die Kölner verstehen RTL International als klassischen Pay-TV-Kanal, bei dem löhnt, wer zuschaut.
Zuschauergebühren als Erlösquelle
Nicht ausgeschlossen, dass darin denn auch der tiefere Sinn der für die TV-Gruppe vergleichsweise preiswerten Übung steckt, die sich mit einer Investition im einstelligen Millionenbereich wohl nach spätestens drei Jahren rechnen soll: Zum einen kann RTL so seine Inhalte eine weiteres Mal verwerten. Zum anderen versucht der TV-Konzern damit – ähnlich wie er es mit seinen digitalen Spartenablegern RTL Crime und RTL Passion bereits macht – neben den nach wie vor dominanten Werbeerlösen Zuschauergebühren als weitere Erlösquelle anzuzapfen.
Denn auch für TV-Sender gilt es, angesichts sinkender Zuschauerzahlen tunlichst nach neuen Einnahmemöglichkeiten zu fahnden. Tatsächlich sackte RTL im vergangenen Jahr zum ersten Mal seit Menschengedenken wieder unter einen Marktanteil von zehn Prozent bei allen Zuschauern. Noch spielt die werbungtreibende Wirtschaft weiter tapfer mit und steckt Milliarden in die TV-Werbung. Doch wie lange noch? Längst sind es nicht mehr nur die viel beschworenen Early Adopter, die sich ihr TV-Programm aus dem Angebot von Netflix oder ähnlichen Anbietern selber zusammenstellen.
RTL reagiert auf diesen sich abzeichnenden Wandel der Nutzungsgewohnheiten und investiert etwa in YouTube-Aggregatoren. Kennen in dem Fall jedoch nur YouTube und sein Mutterkonzern Alphabet die Nutzerdaten, dürfte es auch für die etablierten Sender ein Ziel sein, einen möglichst direkten Draht zum Endverbraucher herzustellen – einen wie den, über den der Konkurrent Netflix längst schon verfügt, bis hin zur Kontoverbindung. Empfängt der künftige RTL International-Kunde das Programm via App oder über die Webseite, beschert das RTL nun ebenfalls einen direkten Kontakt zum Verbraucher. Ansonsten kassiert RTL abhängig von der Nutzung des Angebots oder dem Vertrag mit dem Verbreiter einen Anteil an den Pay-TV-Gebühren des Anbieters.
Ob dabei mehr reinkommt als Kleingeld, wird sich indes noch zeigen müssen. Zum Vergleich: Wer heute in Deutschland bei RTL via Satellit die Programme in HD-Qualität empfangen will, wird mit 60 Euro im Jahr zur Kasse gebeten. Und geht es nach RTL, soll die sich verändernde Technik dem Konzern weitere neue Einnahmequellen erschließen: Schon bald soll schließlich hierzulande der neue Standard DVB-T2 das bisherige digitale Antennenfernsehen DVB-T ersetzen. Im Mai 2016 startet die Pilotphase; Ende März 2017 soll es in den Ballungsräumen losgehen. Für Zuschauer von RTL und ProSieben, die nach der Umstellung weiter die Privatsender via Antenne verfolgen wollen, kommt dann eine Gebühr zu. Wie hoch die ausfallen soll, ist noch offen. Klar ist aber bereits: Wer nicht zahlen will, schaut bei den Privaten dann in die Röhre.