Unwetter in NRW Eine abenteuerliche Odyssee

Ein Praktikant der WirtschaftsWoche berichtet darüber, wie er das Unwetter persönlich erlebte.

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Unwetter fegt über NRW - Tote und Verkehrschaos

Gemütlich im Zug sitzend, schrieb ich gerade einen Bericht und erwartete meine baldige Ankunft in Düsseldorf, dem Ziel meiner Reise. Jedoch ahnte ich nicht, was für eine abenteuerliche Odyssee mir auf den letzten 40 Kilometer noch bevorstehen würde. Gerade in den Essener Hauptbahnhof eingefahren, entlud sich das Gewitter in seiner vollen Stärke und setzte damit auch meiner Zugfahrt ein abruptes Ende. Über eine Lautsprecherdurchsage vernahm ich, dass ein Stromausfall den gesamten Bahnverkehr lahmgelegt hatte. Von Essen fuhr kein Zug mehr weg und ich, ein Schweizer, der zum ersten Mal in seinem Leben in dieser Region in Deutschland unterwegs war, begann zu realisieren: Du sitzt jetzt hier fest.

Innerhalb kürzester Zeit war der beschauliche Bahnhof in Essen von umherirrenden Menschen geflutet. Ein Bild wie in einem Ameisenbau. Als ortsunkundiger „Tourist“ und in der Hinsicht typischer Schweizer setzte ich nun meine ganze Hoffnung auf die Deutsche Bahn und ihre Fähigkeiten, in diesem sich anbahnenden Chaos irgendwie Ordnung zu schaffen. In der Menschenmenge suchten meine Augen nach erkennbaren Mitarbeitern der DB, nach Infoposten, einfach nach irgendjemandem, der so aussah, als wüsste er oder sie etwas, das mir weiterhelfen könnte. Fehlanzeige!

Außer dem üblichem Informationsschalter gab es nichts, keine weiterführende Durchsagen und keine Infopanels. Auf der elektronischen Fahrplananzeige prangte nur die Überschrift: „Der gesamte Zugverkehr fällt aus!“. Ich begann zu ahnen, dass meine Hoffnung arg enttäuscht werden sollten.

Selbst der Informationsschalter war eine herbe Enttäuschung. Die drei (!) Mitarbeiter, die dort beschäftigt waren, konnten nach elend langem anstehen in keiner Weise weiterhelfen. Es wurden Broschüren ausgehändigt! Fragen nach alternativen Möglichkeiten in die nächste Stadt zu gelangen oder dem Ausmaß der Störung konnten nicht beantwortet werden. Für Personen mit bereits bezahlten Tickets könnten sie ein Ersatzticket für die Weiterreise per Taxi aushändigen. Es stellte sich aber heraus, dass dazu nur ein spezifisches Taxiunternehmen in Frage kam, mit welchem die Deutsch Bahn einen entsprechenden Vertrag habe. Logischerweise war dieses Unternehmen in jener Situation heillos überlastet und so wurde man vorerst auf das nächste, freie Taxi vertröstet.

Nach einer gewissen Zeit mussten selbst die Mitarbeiter der Deutschen Bahn jedoch einsehen, dass die Leute so noch bis zum nächsten Abend hier festsitzen würden. Es waren einfach zu viele! So ging man dazu über, Taxi-Gutscheine an kleine Gruppen mit demselben Reiseziel auszuhändigen, mit denen man vor dem Bahnhof selber nach einem Taxi suchen konnte. Glücklicherweise stieß ich rasch auf eine Gruppe, die ebenfalls nach Düsseldorf musste und so wähnte ich schon das baldige Ende meines unliebsamen Aufenthalts im Essener Bahnhof. Doch auch diese Erwartung stellt sich als fehlgeleitet heraus, denn nun begann der wirkliche surreale Teil des Abenteuers.

Wem das Unwetter sogar nutzte

Mit dem Aushändigen der Gutscheine hatte die Deutsch Bahn nämlich das Problem nur weitergereicht. So tobte vor dem Bahnhofsgebäude schon bald ein regelrechter Kampf um die wenigen, noch verfügbaren Taxis. Jedes Mal wenn sich wieder ein freies Taxi dem Bahnhof näherte, wurde es bereits auf offener Straße von den Menschen überrannt und zum anhalten gezwungen. Danach entbrannte jedes Mal ein wilder Bieterstreit um die Plätze aus. Und nun taten auch die Taxifahrer das ihre zur Zuspitzung der Lage.

Die besten Apps für unterwegs
TAXOMETER errechnet den Fahrpreis, noch bevor Reisende ihr Taxi bestellen. So können Eilige besser entscheiden, ob ihnen die Fahrt das Geld wert ist. Wenn ja, lässt sich it er App per Taxiruf ein Fahrzeug bestellen.Für iOs Quelle: dpa
FLINC ist eine mobile Mitfahrzentrale. Autofahrer können ihre Reiseziele eingeben. Wer eine Mitfahrgelegenheit dorthin sucht, bekommt das auf dem Handy angezeigt. Bestätigt er, wird der Fahrer per Navi zu ihm geleitet. Für iOs, PC Quelle: AP
TRAPSTER zeigt Radarfallen und Ampelblitzer an und warnt Autofahrer, die sich ihnen nähern. Nutzer können zudem Blitzer und Laserfallen melden und so andere Verkehrsteilnehmer warnen.Für Android, Blackberry, webOS, Windows Phone Quelle: dpa
DB-NAVIGATOR ist die App der Deutschen Bahn, mit der Reisende Verbindungen suchen und Tickets buchen können. Zudem sehen sie, wo sich ihr Zug befindet und ob er Verspätung hat.Für Android, iOs, Symbian, webOS, Windows Phone Quelle: dapd
AIR BERLIN bietet eine App, mit der Passagiere Flüge buchen, einchecken und das Flugzeug boarden können. Zudem lassen sich gebuchte Flüge sowie das Meilenkonto einsehen. Vielflieger bekommen mit dem App Zugang zur Lounge.Für iOS Quelle: dpa
LUFTHANSA ähnelt mit ihrem App-Angebot dem von Air Berlin. Allerdings bietet die Software auch noch Informationen zu wichtigen Zielen - und sie läuft auf mehr Handyplattformen.Für Android, Blackberry, iOs, Symbian Quelle: dapd
MBRACE des Autoherstellers Daimler bietet einen Ausblick auf die Vernetzung von Auto und mobilem Internet. Die US-App erlaubt es Nutzern, ihren Mercedes per Handy zu ver- oder entriegeln und mit dem Navi zu interagieren.Für Blackberry, iOS Quelle: AP

Angesichts eines solchen Kundenansturms konnten sie es sich leisten, die Preise sukzessive zu erhöhen und jene Kunden mit den ihnen genehmsten Reiseziele auszusuchen. Die Gutscheine stellten sich schnell als absolut wertlos heraus, denn kam ein Taxiunternehmen war bereit, diese zu akzeptieren, angeblich, so sagte man uns, wegen extrem schlechter Rückzahlungskonditionen der Deutschen Bahn.

Viele weigerten sich zudem, gewisse Routen oder Städte überhaupt zu bedienen. Ungewissheit über die Befahrbarkeit von Straßen und die Erreichbarkeit gewisser Ortschaften wurde als Grund genannt. Doch obwohl die Einsatzkräfte der Polizei, die mittlerweile aufgetaucht waren, auf Anfrage der Gestrandeten immer wieder die Befahrbarkeit einzelner Routen bestätigen, hielten die Taxifahrer an ihrer Verweigerungshaltung fest. Profitmaximierung gilt eben auch in stürmischen Zeiten, was an dem Abend trauriger weise auch eine Gruppe Blinder am eigenen Leib erleben musste. Man liess sie mit ihrem Gutschein einfach im Regen stehen.

So dauerte die Suche nach einem willigen Taxifahrer bis um halb 2 morgens, als ich und meine Gruppe glücklicherweise auf ein Taxi stießen, das gerade eben aus Düsseldorf einen Fahrgast gebracht hatte. Auch dort sei die Situation dieselbe wie hier in Essen, meinte der Taxifahrer. Den Gutschein der Deutschen Bahn akzeptierte aber auch er nicht als Zahlungsmittel. Am Düsseldorfer Stadtrand war es dann aber auch schon wieder vorbei mit der Fahrt.

Das Taxi kam aufgrund der zahlreichen gesperrten Strassen nicht mehr in die Stadt und so setze es mich und meine Mitfahrer am Stadtrand aus. Nach einem einstündigen Fußmarsch durch unwirklich wirkende, zum Teil stark beschädigte Strassenzüge, gelangte ich dann endlich zu Hause an. Gut 6 Stunden waren seit dem zwangsmäßigen Halt in Essen vergangen.

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