Wer Grube nachfolgen könnte "Für Pofalla ist es richtig dumm gelaufen"

Die Deutsche Bahn hat von heute auf morgen ihren Chef verloren. Viele halten Ronald Pofalla für den möglichen Nachfolger. Doch es gibt erbitterten Widerstand. Die Personalentscheidung wird zum Wahlkampfthema.

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Der diplomatische Weichensteller geht von Bord
Bahnchef Rüdiger Grube ist am Montag wegen eines Streits um seine geplante Vertragsverlängerung zurückgetreten. Ein Blick auf die Karriere des 66-jährigen Managers. Quelle: dpa
Geboren wurde Grube am 2. August 1951 in Hamburg. Quelle: dpa
Anschließend folgte ein Studium in Berufs- und Wirtschaftspädagogik an der Universität Hamburg. Quelle: AP
Ab 1989 arbeitete er dann für die damalige Messerschmitt-Bölkow-Blohm GmbH (MBB), der späteren Daimler-Benz Aerospace AG (DASA). Quelle: dpa
Bereits in den frühen 1990er Jahren lernte Grube bei der DASA das damalige Vorstandsmitglied Hartmut Mehdorn kennen und arbeitete unter anderem als Büroleiter für ihn. Quelle: dpa
Später wechselte Grube von der Daimler-Tochter DASA zum Hauptkonzern und stieg dort 2001 sogar zum Entwicklungsvorstand auf. Quelle: dpa
Selbst nach dem Scheitern der "Welt-AG" und dem damit verbundenen Abgang Schrempps bei Daimler behielt Grube seinen Job in Stuttgart und auch seinen Posten bei EADS. Quelle: AP

Für Ronald Pofalla kommt der Rücktritt von Rüdiger Grube eigentlich zu einer unpassenden Zeit. Zwar hatte sich der CDU-Politiker gut in den Vorstand eingearbeitet und die Rechts- und Lobbyabteilung des Konzerns erfolgreich gemanagt. Alle Zeichen standen damit auf die Rolle des Kronprinzen. Noch fehlte ihm zwar operative Erfahrung, doch die wollte er spätestens jetzt nachholen. Seit Anfang dieses Jahres ist er Vorstand für die Infrastruktur und damit verantwortlich für das gesamte Schienennetz mitsamt seiner Bahnhöfe. Nach zwei oder drei Jahren hätte er geschmeidig von Grube übernehmen können.

Doch nun kommt es anders. Weil sich der amtierende Bahnchef Grube vom Aufsichtsrat ausgetrickst fühlte, erklärte er seinen sofortigen Rücktritt. Grube sei eine dreijährige Vertragsverlängerung zugesagt worden, heißt es aus seinem Umfeld. Im Gegenzug habe er auf eine Gehaltserhöhung und eine Abfindung im Falle eines vorzeitigen Abgangs als Bahnchef verzichtet. Doch die Mehrheit der Kontrolleure wollte ihm offenbar nur zwei Jahre gewähren. Grube fühlte sich vor den Kopf gestoßen.

Der Rücktritt traf den gesamten Aufsichtsrat unerwartet. Vor allem Pofalla dürfte über die Entscheidung seines Duz-Freundes nicht sehr erfreut sein. Denn bislang hieß es, dass er zwar Anwärter für die Nachfolge von Grube sei, aber eben noch nicht reif für den Job sei. Ein führender Verkehrspolitiker in Berlin bringt es daher so auf den Punkt: „Für Pofalla ist es richtig dumm gelaufen.“ Wenn jetzt ein externer Kandidat zum Bahnchef gekürt werde, könne Pofalla seine Hoffnung auf den Chefposten für die nächsten fünf Jahre begraben.

Wie die Deutsche Bahn 6,3 Milliarden Euro vergeudet

Formal bestimmt der Vertreter der Bundesregierung, wer die Nachfolge von Grube antreten wird. Das wäre Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Er leitet jedes Jahr die Hauptversammlung – eine Veranstaltung von wenigen Minuten. Dem Bund gehört die Deutsche Bahn. Viel Neues gibt es meist nicht zu besprechen, da Bahnchef und Verkehrsminister ohnehin einen kurzen Draht zueinander pflegen. Dobrindt wäre formal an der Reihe, einen Nachfolger zu bestimmen. Ein Sprecher des Ministeriums sagte nun: "Der Personalausschuss ist beauftragt, zügig mit der Suche nach einem Nachfolger zu beginnen.“

Damit konzentriert sich die Suche auf einen Kreis von vier Personen. Für die Kapitalseite sitzen in dem Personalausschuss der Aufsichtsrats-Vorsitzende Utz-Hellmuth Felcht und der Staatsekretär im Bundesverkehrsministerium, Michael Odenwald. Die Arbeitnehmerseite wird vertreten vom Betriebsratsvorsitzenden Jens Schwarz und dem Chef der Eisenbahnergewerkschaft Alexander Kirchner. An ihnen hängt nun die schwierige Aufgabe, einen potenziellen Kandidaten zu finden. Vermutlich wird der Prozess mehrere Woche dauern.

"Kein Grund, irgendwelche Namen ins Gespräch zu bringen"
Kanzlerkandidat Martin Schulz Quelle: REUTERS
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt Quelle: dpa
Auf die Frage nach den Aussichten des früheren Kanzleramtsministers und Bahn-Vorstandsmitglieds Ronald Pofalla (l) sagte Dobrindt: „Wir gehen jetzt einfach auf die Suche. Es gibt jetzt überhaupt keinen Grund, im Vorfeld schon irgendwelche Namen ins Gespräch zu bringen.“ Quelle: dpa
Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer Quelle: dpa
SPD-Verkehrspolitikers Martin Burkert Quelle: dpa
Der frühere Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) Quelle: dpa

In Ruhe werden sie wohl kaum suchen können. Die Politik in Berlin will sich unbedingt einmischen – und damit ist der Wahlkampf auch um die Zukunft der Deutschen Bahn ausgebrochen. Martin Schulz, der frisch gekürte Kanzlerkandidat der SPD, hat bereits eine Rolle der Partei bei der Auswahl des neuen Bahnchefs angekündigt.

Sein Kollege Sören Bartol, Vize-Fraktionschef im Bundestag, sagte ebenfalls: „Wir müssen uns jetzt in Ruhe in der Koalition zusammensetzen und schauen, wer die Deutsche Bahn als Vorsitzender des Vorstands am besten in die Zukunft führen kann.“ Es müsse jemand sein, der Schienenverkehr zu bezahlbaren Preisen in Deutschland organisieren kann und dabei Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit zum Markenzeichen der Deutschen Bahn macht. Und dann folgt ein Satz, der nicht unbedingt dafür spricht, als sei Pofalla bereits in der engeren Wahl. „Da gibt es niemanden, der sich sofort aufdrängt“, sagt Bartol.

Verhältnis zum Aufsichtsrat

Die Grünen fordern gar „eine Sondersitzung des Bundestagsverkehrsausschusses, um die Frage, wo wollen wir mit dem System Schiene hin, zu beraten“, sagt Matthias Gastel, bahnpolitischer Sprecher der Grünen. „Die Suche nach einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger ist nur dann zielführend, wenn mit ihr ein strategischer Neuanfang verbunden ist.“ Die gescheiterte Vertragsverlängerung von Bahnchef Grube „legt offen, dass das Vertrauen zwischen Eigentümer, Aufsichtsrat und Bahnmanagement zerstört ist. Dass Rüdiger Grube seine Gehaltsvorstellungen nicht durchsetzen konnte, heißt nichts anderes, als dass der Aufsichtsrat mit der Arbeit der Bahnspitze unzufrieden war.“ Grube sei als Bahnchef gescheitert.

In der Tat ist das Verhältnis zwischen Grube und dem Aufsichtsrat denkbar unwürdig verlaufen. Es gab häufig Kritik an der Entwicklung des Schienenkonzerns. Die Bahn hatte mehrfach eigene Ziele verfehlt. Die Güterbahn-Tochter DB Cargo fährt seit Jahren im Krisenmodus. Grube hat kein Konzept gefunden, um die Sparte aus der Verlustzone zu holen. Der Aufsichtsrat hat Grube zwar wiederholt kritisiert, hielt aber weiterhin an ihm fest. Das Kontrollgremium wirkte damit wenig schlagkräftig.

Der Vorsitzende Felcht sagte auf einer internen Führungskräftetagung sogar einmal, in einem normalen Börsenkonzern sei der Vorstand schon längst entlassen worden. Das wurde zwar insgesamt als Witz gemeint und verstanden, aber im Unterton war die Botschaft gesetzt: Der Vorstand muss besser werden.

Nun muss ein neuer Bahnchef ran. Den Gewerkschaften ist wichtig, dass der Kandidat hinter dem integrierten Konzern steht. So ein Manager war schon einmal vor neun Jahren im Gespräch: der damalige und heutige Chef der Schweizer Bundesbahnen (SBB), Andreas Meyer. Er arbeitete bereits von 1997 bis 2006 in verschiedenen Positionen für die Deutsche Bahn, etwa als damaliger kaufmännischer Leiter von DB Energie und Chef von DB Stadtverkehr. Meyer hat vor allem die richtigen Antworten für den Güterverkehr auf der Schiene gefunden. Er wäre sicherlich jemand, der Unterstützung von der SPD bekäme.

Auch interne Kandidaten dürfte sich der Personalausschuss des Aufsichtsrates ganz genau anschauen. Pofalla bleibt trotz aller Vorbehalte Top-Favorit. Er hat glänzende Kontakte in die Politik – für ein politisches Unternehmen wie die Deutsche Bahn ist so ein Netzwerk Millionen wert.

Auch Berthold Huber gilt als fähiger Vorstand. Allerdings hat er die Bereiche Personenverkehr und Güterbahn erst vor anderthalb Jahren übernommen. Die Maßnahmen gehen zwar in die richtige Richtung, aber die Güterbahn hat er auch noch nicht ins Positive gedreht. Im Gegenteil: Im vergangenen Jahr ging es weiter bergab. Der Spartenumsatz ging um vier Prozent zurück. Huber dürfte zwar die Rückendeckung der Arbeitnehmer haben, aber nicht unbedingt des Eigentümers.

Als interner Kandidat würde sicher auch noch Volker Kefer durchgehen, der den Konzern Ende 2016 verlassen hat. Viele Aufsichtsräte trauern ihm nach. Er gilt als Ideengeber des Reformprogramms „Zukunft Bahn“ und als ausgewiesener Experte in Sachen Schienennetz und Züge. Allerdings ist sein Führungsstil umstritten. Er soll den Aufsichtsrat zum Beispiel zu spät über die Risiken beim Bahnhofsbau Stuttgart 21 informiert haben.

Wahrscheinlich kommt es ganz anders. Auch Grube selbst tauchte 2009 erst sehr spät auf einer Kandidatenliste auf. Es war eine Nacht- und Nebelaktion. Schon möglich, dass sich dies in diesem Jahr wiederholt.

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