Um festzustellen, wieweit die Liste mit der Wirklichkeit übereinstimmt, befragen die Zöllner jeden Arbeiter auf der Baustelle. Das dauert. Mindestens eine halbe Stunde brauchen die Beamten für die Befragung jedes der rund zwei Dutzend Arbeiter. Da fast alle von ihnen aus Bosnien stammen, muss die vom Zoll mitgebrachte Übersetzerin jede Frage und jede Antwort übersetzen.
Seit fast 20 Jahren arbeitet Grella beim Zoll. Bei den Baukontrollen hat der 47-Jährige über die Jahre einige Änderungen beobachtet, zuletzt etwa durch die Einführung des Mindestlohns, den der Zoll nun ebenfalls überprüfen muss. Gerade im Betrugsbereich war der Ermittler zudem mit so ziemlich allen Finten konfrontiert. Betrügereien im Baugewerbe aufzudecken, wird für die Ermittler vom Zoll jedoch immer schwieriger.
5 Gründe gegen Schwarzarbeit
Schwarzarbeit im Haushalt ist eine Ordnungswidrigkeit. Wer erwischt wird, muss deshalb mit einer Geldbuße von bis zu 300.000 Euro rechnen. Außerdem haben Haushaltshilfen, die ohne Anmeldung arbeiten wollen, schwierige Gründe dafür – so haben sie zum Beispiel keine Arbeits- oder sogar keine Aufenthaltserlaubnis. Werden sie erwischt, droht ihnen in diesem Fall die Ausweisung.
Eine Putzhilfe, die nicht gemeldet ist, arbeitet um die Staatskasse herum und zahlt somit auch nicht in die sozialen Sicherungssysteme ein. Wer seine Einnahmen nicht voll angibt, behält Gelder, die ihm nicht zustehen und letztlich bleibt so weniger Geld für diejenigen übrig, die es wirklich brauchen.
Nur eine kleine Unachtsamkeit kann schon große Probleme bringen. Sachschäden, wie eine kaputte Vase sind da lästig, aber was passiert, wenn sich ihre Putzhilfe schwer verletzt? Wer schwarzarbeitet, kann sich nicht gegen Schäden versichern – das gilt dann insbesondere für Sachschäden – auf denen bleiben Nutzer mit hoher Wahrscheinlichkeit sitzen.
Damit werben viele Online-Putzdienst-Vermittler: Jeder kann Haushaltsdienste von der Steuer absetzen – da können im Jahr einige Euros zusammen kommen und rechnet man die Steuerersparnis gegen die Kosten einer illegalen Hilfe auf, kann manchmal ein legales Angebot sogar preiswerter sein.
Wird die schwarz-arbeitende Haushaltshilfe krank oder fährt in den Urlaub, sorgt sie in den seltensten Fällen für einen Ersatz. Den muss der Arbeitgeber sich selbst suchen und hoffen, dass das klappt. Wer Kunde einer Dienstleistungsfirma ist, kann sich sicher sein, dass das zum Service gehört.
Denn die Schummeleien mit Arbeitszeiten, die vor allem die Bauarbeiter schädigen und die Sozial- und Steuerabgaben verkürzen, können die Ermittler bei den Baukontrollen erkennen. Um schwerwiegende Betrugsfälle aufzudecken, bedarf es aber umfassenderer Ermittlungen. Dabei stellt sich den Zöllner vor allem eine Frage: Woher kommt das Schwarzgeld, um die Bauarbeiter zu bezahlen?
"Schwarzarbeit in der Gastronomie ist relativ einfach: Wenn der Gastronom statt 50 Tischen nur 20 Tische abrechnet, hat er genügend Schwarzgeld, um illegal beschäftigte Arbeiter zu bezahlen“, sagt Grella. Am Bau ginge das allerdings nicht so einfach. „Der Unternehmer muss ja für alle Ausgaben einen Beleg haben. Und da kommen die Scheinrechnungen ins Spiel.“
Die Firmen passen ihre Tricks an
Das Phänomen der Scheinrechnungen gibt es bereits, seit Grella beim Zoll begonnen hat. Der Betrug ist denkbar einfach: Gegen eine geringe Provision verkaufen Scheinfirmen den Bauunternehmen Rechnungen für nie erbrachte Leistungen. Damit haben die Baufirmen einen Beleg für Ausgaben, die sie nie getätigt haben und fortan als Schwarzgeld zur Verfügung haben. „Früher haben manche Bauunternehmen sich noch selber Rechnungen unter falschem Namen ausgestellt. Das macht heute kaum noch jemand. Die Mittel zur Verschleierung haben sich im Lauf der Jahre extrem verfeinert.“
Mit dem Grundsatz der neuen Taktik, Qualität vor Quantität zu stellen, trägt der Zoll gerade diesen verfeinerten Betrugsformen Rechnung. Und das durchaus erfolgreich. So bezifferte die Soko Blattgold den Wert der von den mutmaßlichen Tätern ausgestellten Scheinrechnungen auf rund 83,5 Millionen Euro.
Und abgeschlossen sind die Ermittlungen noch keineswegs. So wertet der Zoll gerade die Spuren aus, die zu den Bauunternehmen führen, welche die Scheinrechnungen gekauft haben. Laut Ermittlerkreisen ist mit mehr als 200 Folgeverfahren in der Baubranche zu rechnen. So könnte den Ermittlern so manche Baufirma ins Netz gehen, auf deren Baustellen nie ein uniformierter Zöllner zu sehen war.