Düsseldorfer Gespräch „Deutschlands Manager haben ein Imageproblem“

Im Handelsblatt-Gespräch verraten Headhunterin Christine Stimpel, Marken-Experte Frank Dopheide und Coach Egbert Deekeling, warum Selbstinszenierung für Manager immer wichtiger wird - und was sie dabei vermeiden sollten.

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Die Teilnehmer des Düsseldorfer Gesprächs: Berater Egbert Deekeling, Headhunterin Christine Stimpel und Marken-Experte Frank Dopheide (v.l.). Quelle: Frank Beer

Düsseldorf Handelsblatt: Frau Stimpel, Herr Dopheide, Herr Deekeling, deutsche Manager gelten im Ausland gemeinhin als blass, humor- und konturlos. Stimmt das – oder sind sie nur miserable Selbstdarsteller?

Frank Dopheide: Fachlich sind deutsche Manager weltweit die Nummer eins und anerkannt. Sie haben kein Qualitätsproblem, sondern ein Imageproblem. Die meisten pflegen ganz bewusst eine vornehme Zurückhaltung. Das funktioniert aber nicht mehr. Der Vorstandschef kann heute kein No-Name-Produkt sein. Er muss sich zum Markenartikel seines Unternehmens machen.

Handelsblatt: So wie Steve Jobs, der die Marke Apple verkörperte? Sollten wir uns da die Amerikaner zum Vorbild nehmen?

Egbert Deekeling: In den USA gibt es einen regelrechten Starkult um erfolgreiche Manager. Der wird uns Deutschen sicher fremd bleiben.

Christine Stimpel: Selbstdarstellung hat in Amerika einen ganz anderen Stellenwert. Schon junge Bewerber preisen sich auf eine Art und Weise an, die hierzulande absolut daneben wäre. Aber Hand aufs Herz: Wer von den Chefs aller 160 Dax-notierten Unternehmen ist wirklich bekannt? Die große Masse der deutschen Manager sitzt im Dunkeln und möchte dort bleiben.

Handelsblatt: Allerdings wird die Wirtschaft immer globaler. Immer mehr Ausländer führen Dax-Konzerne. Müssen sich deutsche Manager da nicht etwas mehr in Szene setzen?

Dopheide: Es muss ja nicht gleich eine Homestory in der „Bunten“ oder „Gala“ sein. Übertriebene Selbstdarstellung schadet nur. Eine starke Marke als Manager aber wirkt vielfältig: als Identifikationsfigur für die Mitarbeiter, als Vertrauensanker für die Öffentlichkeit, als Wertetreiber für die Shareholder, als Magnet für junge Talente und als Beschleuniger für die Kommunikation. Das funktioniert aber nur, wenn ein Gesicht bekannt ist und jeder weiß, wofür der Manager steht.

Handelsblatt: Früher haben sich Mitarbeiter mit dem Produkt oder Namen ihres Unternehmens identifiziert. Reicht das nicht mehr?

Deekeling: Nein, Sichtbarkeit von Managern wird immer wichtiger, gerade weil das Verlangen nach personifizierter Verbindlichkeit immer größer wird.

Dopheide: Schon die Neandertaler lasen in Gesichtern, um ihr Gegenüber einschätzen zu können. Wenn Manager nur durch Mails oder glattgebügelte Geschäftsberichte präsent sind, fehlen Orientierungspunkte. Das schafft Verunsicherung.

Handelsblatt: Was empfehlen Sie stattdessen?

Stimpel: Videokonferenzen und interaktive Social Media sind heute extrem wichtig, damit Führungskräfte richtig rüberkommen.

Dopheide: Ein Manager führt heute oft zigtausend Mitarbeiter in 50 Ländern. Erschreckend, aber wahr: Die meisten Angestellten wissen noch nicht einmal, wie ihr Chef aussieht, geschweige denn, was ihm wichtig ist. Was der neue Boss vorhat, erfährt die Belegschaft oft zuerst aus den Medien: Dort verkündet er unbedarft 4000 Stellenstreichungen.


„Persönlichkeit stellt man dar, Kommunikation kann man üben.“

Handelsblatt: Wie sollte ein Manager seinen ersten Auftritt richtig angehen?

Dopheide: Eine persönlich gehaltene Videobotschaft verschicken: Das bin ich, das sind meine Werte, und das ist mir wichtig. Das schafft emotionale Nähe zur Belegschaft – und erleichtert selbst eine unerfreuliche Restrukturierung. Der erste Eindruck ist wie oft im Leben der entscheidende. Das unterschätzen die meisten Manager.

Handelsblatt: Vorstandschefs bleiben immer kürzer an Bord, im Schnitt nur noch sechs Jahre. Leidet eine Unternehmensmarke nicht, wenn sie von wechselnden Managermarken überstrahlt wird?

Dopheide: Es ist viel schädlicher, wenn ein Manager diffus bleibt. Bei einem Charakterkopf wie Hartmut Mehdorn, dem ehemaligen Bahn- und jetzigen Air-Berlin-Chef, weiß jeder, wofür er steht und kann sich darauf einstellen. Deshalb kann er gleich ein viel höheres Tempo vorlegen als ein unbeschriebenes Blatt. Das ist gut fürs Unternehmen.

Handelsblatt: Welche deutschen Vorstandschefs wirken in ihrer Rolle besonders überzeugend?

Stimpel: Peter Löscher, Kasper Rorsted und René Obermann zählen sicher dazu. Sie wirken seriös und modern zugleich. Die echten Könner wissen genau, wann sie in der Außendarstellung Gas geben und wann sie bremsen müssen. Daimler-Chef Dieter Zetsche etwa war in seiner US-Zeit als „Dr. Z.“ mit Cowboyhut bekannt. Was in den USA adäquat ist, hat er voll ausgespielt. Zurück in Deutschland präsentiert sich Zetsche viel moderater. Er passt sich geschickt an die jeweilige Kultur an. Und beides ist authentisch.

Handelsblatt: Kann eine starke Managermarke ein Unternehmen aufwerten?

Dopheide: Mit Sicherheit. Der schillernde Automanager Wolfgang Reitzle hat der trockenen Marke Linde einen gewissen Glanz verliehen.

Stimpel: Das ist möglich. Der Gashersteller Linde gilt heute als deutlich attraktiver und zieht exzellente Leute an. Das war vor Herrn Reitzle viel schwieriger.

Dopheide: Linde ist auch für Frauen als Arbeitgeber viel interessanter geworden. Das liegt zu einem Teil am Faktor von Reitzle.

Handelsblatt: Nicht jeder ist mit Charisma gesegnet. Lässt sich Persönlichkeit antrainieren?

Deekeling: Persönlichkeit stellt man dar. Sie bildet sich über die Jahre. Kommunikation dagegen ist Übungssache. Wenn Vorstände aufsteigen, stehen sie von jetzt auf gleich im Rampenlicht. Von ihnen wird souveränes Auftreten und eine geschliffene Rhetorik erwartet. Den Auftritt auf der großen Bühne müssen viele erst lernen. Dafür coachen wir sie bis ins Detail.


„Niemand sollte sich verbiegen“

Handelsblatt: An welchen kleinen Dingen scheitern gestandene Topmanager?

Deekeling: Viele tun sich schwer, unfallfrei zu gesellschaftspolitischen Themen Stellung zu beziehen. Das gehört aber heute zur Führungsrolle dazu. Auch da unterstützen wir vor allem inhaltlich.

Stimpel: Deshalb bringen wir als Beratungsunternehmen die jungen deutschen Vorstandsmitglieder im Dax regelmäßig mit Persönlichkeiten aus Medien, Kultur und Politik zusammen: alles Themen, mit denen sie später als Vorstandschef geschickt umgehen müssen.

Handelsblatt: Was raten Sie jungen Leuten, die eine Topkarriere anstreben?

Stimpel: Üben Sie freies Reden! Damit können Sie brillieren. Das Klammern an Power-Point und Manuskripten ist Teufelszeug. Wer kein Redetalent hat, soll ruhig auswendig lernen. Beim Geburtstag des Onkels eine Rede zu halten, übt ungemein.

Handelsblatt: Die Lebensläufe junger Manager wirken heute wie geklont. Wie können sie sich unverwechselbar machen? Hilft eine markante Brille oder ein skurriles Hobby?

Stimpel: Wir haben mehr als 2000 Lebensläufe analysiert. Besonders erfolgreiche Leute haben in ihrem Leben kontinuierlich Zusatzaufgaben übernommen. Sie fallen durch Engagement auf, nicht durch eine grelle Brille.

Handelsblatt: Das sind Ausnahmetalente. Wie kann es Normalos gelingen, aus der Masse hervorzustechen?

Dopheide: Niemand sollte sich verbiegen. Es geht darum, das Bild zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung möglichst stimmig zu machen. Ich zeige Passanten in der Fußgängerzone Fotos von Managern. Wie wirkt der Mensch auf Sie? Antwort: Die personifizierte Langeweile. Welchen Beruf könnte er haben? Antwort: Sicher ein Vorwerk-Vertreter.

Handelsblatt: Ist das nicht schockierend für einen Manager?

Dopheide: Sicher. Aber Langeweile ist aus Markensicht ein großer Wert. Sie steht für Solidität. Zu solchen Charakteren passt auch keine bunte Brille.


„Berlusconi ist als Marke in sich stimmig.“

Handelsblatt: Früher hatten Manager und Politiker Ecken und Kanten – man denke an Franz-Josef Strauß. Können sich solch schrullige Figuren heute durchsetzen?

Dopheide: Jürgen Großmann, vielleicht der knorrigste Dax-Chef, ist die personifizierte unternehmerische Kraft. Deshalb hat RWE ihn berufen. Dann kam der Atomausstieg dazwischen. Als Botschafter für alternative Energien taugt Großmann nun wahrlich nicht. Dann ist es konsequent, eine passendere Person zu suchen.

Handelsblatt: Persönlichkeit hin oder her. Wenn die Zahlen nicht stimmen, ist ein Manager doch ganz schnell weg vom Fenster.

Dopheide: Die meisten scheitern nicht an Fachlichem. Es gibt Manager, die haben Unternehmenswert vernichtet, weil sie sich mit ihrer Persönlichkeit gegen alles gestemmt haben, was dem Arbeitgeber wichtig war. Leo Apotheker, der bei SAP und HP gehen musste, ist so ein Fall. Schießt der Börsenkurs in die Höhe, wenn ein Manager gefeuert wird, ist das eine klare Aussage über seinen Markenwert.

Handelsblatt: Warum konnte sich ein übertriebener Selbstdarsteller wie Silvio Berlusconi so lange halten?

Dopheide: Als Marke ist er in sich stimmig. Und bisher stimmte Berlusconi offenbar mit dem italienischen Lebensgefühl überein: die Freude an Geld, Frauen und schnellen Autos. In der Euro-Krise aber braucht Italien eine seriöse Marke wie den Professor Mario Monti.

Handelsblatt: Auch Karl-Theodor zu Guttenberg galt als Meister der Selbstinszenierung. Wird ihm ein Comeback gelingen?

Deekeling: Da bin ich eher skeptisch. Er hat es mit dieser Selbstinszenierung einfach übertrieben.

Handelsblatt: Guttenberg hat sein Äußeres komplett verändert. Keine Brille, kein Haargel. Kann ein Typwechsel aus einer Imagekrise helfen?

Dopheide: Guttenberg hat sich als Marke positioniert, aber dann gegen den eigenen Markenkern verstoßen: Ehrlichkeit. Damit ist er ein für alle Mal verbrannt – egal mit welcher Frisur.

Handelsblatt: Frau Stimpel, Herr Deekeling, Herr Dopheide, vielen Dank für das Gespräch.

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